Nulla dies sine linea
Geschichtsverein Windecken 2000
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Durchbohrte Kieselanhänger geben Rätsel auf
Professor Georg Wolff beschreibt Brandgräber-Beigaben
Von Rolf Hohmann
Als die ersten Berichte über die zwischen 1906 und 1911 im nördlichen Hanauer Kreisgebiet entdeckten bandkeramischen Brandgräber mit ihren bis dahin in dieser Gegend völlig unbekannten Ketten aus Kieselsteinchen veröffentlicht wurden, herrschte unter den Vorgeschichtlern helle Aufregung. Im Mittelpunkt des Interesses stand Professor Georg Wolff, Streckenkommissar bei der Reichs-Limeskommission, dessen stellvertretender Direktor er war. 

Der Windecker Brunnenbauer Georg Bausch als Finder dieser außergewöhnlichen Brandgräber, den Wolff 1905 als Vorarbeiter bei seinen Ausgrabungen eingesetzt hatte, wird in den Veröffentlichungen zwar stets genannt, spielte jedoch eine untergeordnete Rolle. Erst nach seinem Tod rückte er in den Blickpunkt des Interesses. 

In seinem 1908 im Band 15 des Korrespondenzblattes des Gesamtvereins des Deutschen Geschichts- und Altertumsvereins ist ein Vortrag von Georg Wolff abgedruckt, der sich eingehend mit der Beschaffenheit der bis dahin in den Brandgräbern als Beigaben aufgefundenen durchbohrten Kieselsteinen und Schieferplättchen beschäftigt. Der vor der Dortmunder Versammlung gehaltene Vortrag "Neolithische Brandgräber in den Gemarkungen Marköbel, Butterstadt und Kilianstetten bei Hanau" vermittelt auch Laien einen guten Eindruck davon, weshalb die Fachwelt damals ihren Blick mit Spannung auf die archäologischen Aktivitäten im nördlichen Hanauer Land richtete. 

Der Geschichtsverein Windecken 2000 hat sich deshalb entschlossen, diesen Vortrag im Wortlaut wiederzugeben.


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Blick vom "Tannenkopf" auf Butterstadt. In dieser Gemarkung wurden nach Gudrun Loewe innerhalb von drei Jahren 34 Brandgräber ausgehoben. Foto: Rolf Hohmann
"Wie im "Berichte über die Fortschritte der römisch-germanischen Forschung im Jahre 1905" bemerkt wurde, hatten sich bei dem von der Römisch- germanischen Kommission gemeinsam mit den Geschichtsvereinen zu Frankfurt, Hanau und Friedberg unternommenen Lokalforschungen schon damals auf der das Nidda- und Niddertal von der Mainlinie  trennenden Bodenschwelle, auf welcher die prähistorische "Hohe Straße" vom Mainknie bei Höchst nach dem Limeskastell Marköbel und weiterhin in den Vogelsberg verläuft, zahlreiche neolithische Wohngruben gefunden. Dieselben haben sich in den letzten Jahren besonders auf dem östlichen Teil dieses Höhenzuges, der sich zwischen Kilianstetten und Marköbel zu einem 6 km breiten außerordentlich fruchtbaren und, soweit wir das zu erkennen mögen, in allen praehistorischen Perioden baumfreien Lößplateau erweitert, so sehr vermehrt, daß man auch bei Berücksichtigung zeitlicher Aufeinanderfolge der Wohnungen eine relativ dichte Besiedlung dieses Gebietes in der Steinzeit anzunehmen berechtigt ist.

Dagegen fehlten zum Winter 1906/07 noch alle Spuren von Gräbern aus dieser Periode. Da wurden im genannten Jahre von dem Vorarbeiter, welcher beauftragt war, auf den frisch gepflügten Äckern nach dunkelgefärbten Flecken zu suchen, die das Vorhandensein praehistorischer Ansiedelungen vermuten lassen, an mehreren solchen Stellen in der Gemarkung Butterstadt in der tiefdunklen Erde kleine flache Steinchen von nierenförmiger und länglich ovaler Gestalt gefunden, die 1 bis 3 Durchbohrungen, außerdem aber auf der einen Seite lineare und kreisrunde Ornamente zeigten, die eingefeilt und eingebohrt zu sein schienen. Nach Angabe des Arbeiters waren sie mit den gleichzeitig abgelieferten Steingeräten, verbrannten Knochenresten und neolithischen Scherben in kleinen flachen Mulden gefunden, welche mit dunkler Aschenerde und Kohlestückchen gefüllt waren. Aus den in die Sammlung des Hanauer Geschichtsvereins verbrachten Steinchen konnte man drei Halsketten zusammenstellen, deren Bestandteile aber, wie es bei dem zunächst zufälligen Charakter des Fundes erklärlich ist, nicht streng voneinander geschieden waren. Der Bericht des Finders ließ auf Brandgräber aus der jüngeren Steinzeit schließen; die Mehrzahl der gefundenen Scherben gehörte dem Rössener Typus an. Einige Scherben mit Winkel- und Bogenband-Ornamenten (nach Koehls Bezeichnung Spiral- Mäander-Typus) konnten, da auf den in Frage kommenden Grundstücken vor einigen Jahren der Dampfpflug gearbeitet hatte, von unmittelbar benachbarten Stellen in den oberen Schichten der dunklen Erde gekommen sein.

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Diese drei von Georg Wolff beschriebenen Kieselsteinketten mit Anhägern werden im Historischen Museum Hanau aufbewahrt. Repro: Rolf Hohmann
Das Singuläre des Fundes sowohl hinsichtlich des Charakters der Gräber als der Beschaffenheit der ornamentierten Steinchen machte die größte Vorsicht bei der Verfolgung der Angelegenheit zur Pflicht. Im Frühling des Jahres 1907 wurde vom Berichterstatter gemeinsam mit Prof. Küster von Hanau als Vertreter des dortigen Geschichtsvereins an der Fundstätte der Steinchen eine Probegrabung unternommen. Sie führte zur Auffindung eines Grabes, welches nach seiner Beschaffenheit wie hinsichtlich der Fundstücke: durchbohrte Steinchen, kalzinierte Knochenreste, Steingeräte, minimale Tonscherben, schwarzgefärbte Erde, den Angaben des Arbeiters genau entsprach. Die Existenz neolithischer Brandgräber mit den eigenartigen Ziersteinchen, deren Anordnung zu Halksketten mit Anhängern durch die verschiedene Größe der Steinchen und die verschiedene Art ihrer Durchbohrungen sich von selbst ergab, schien gesichert. Für die Bestimmung der Zeit innerhalb der Periode genügten die diesmal als zweifelllos zum Grabe gehörig gefundenen Scherben nicht. Umfassendere Grabungen konnten erst im Herbst nach der Aberntung des Getreides vorgenommen werden. Zu denselben wurde Sanitätsrat Koehl aus Worms eingeladen, der auch sein Kommen bereitwillg in Aussicht gestellt hatte, leider aber in letzter Stunde abschreiben mußte.

So wurden die vorher festgelegten Gräber vom Berichterstatter gemeinsam mit Dr. Paul Steiner ausgehoben und dabei in drei Fällen die Gruben beim Auftreten der ersten Knochenreste und Steinchen und dann wieder, nachdem alle Steinchen oder wenigstens die Mehrzahl derselben durch Abschaben der Erde vermittelst eines Taschenmessers freigelegt waren, photographisch aufgenommen. An einem Tage waren auch die Herren Prof. Küster und Dr. Kroptascheck als sachkundige Zeugen zugegen. Alle so augegrabenen und mehrere beim Aufsuchen der Stellen vom Vorarbeiter selbst ausgenommenen Gräber zeigten stets dieselbe Beschaffenheit. Unter der infolge der Anwendung des Dampfpfluges ziemlich tiefen Humusschicht hob sich auf dem horizontal abgestochenen Lehm ein annähernd kreisförmiger dunkler Fleck von 40 bis 50 cm Durchmesser ab. Bei vorsichtigem Abschälen zeigten sich immer deutlicher Kohlenreste, dann verbrannte Knochenstückchen und meist gleichzeitig mit diesen die durchbohrten  Steinchen sowie öfters ganze oder zerbrochene Steingeräte, größtenteils aus Basalt und anderen einheimischen Gesteinsarten, auch Feuersteinschaber und Messer, vereinzelt endlich Scherben, die, soweit sie bestimmbar waren, in den vom Berichterstatter ausgehobenen Gräbern sämtlich der Rössener bzw. Großgartacher Gruppe angehörten. 

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Im Jahr 1969 entdeckte Heimatforscher Rolf Hohmann bei Trassierung der Umgehung des Wartbaums im Zuge der Bundesstrasse 45 "Am Gailenberg" zahlreiche bandkeramische Abfallgruben und barg zahlreiche Artefakte. Die Funde lagen unmittelbar an der Hohen Straße. Foto: Rolf Hohmann
Die bisher erwähnten Gräber - es waren außer den zuerst gefundenen, die erst nachträglich nach den Angaben des Finders annähernd festgelegt werden konnten, neun genau aufgenommen - lagen sämtlich auf zwei großen Äckern der Gemarkung Butterstadt und dem sie trennenden Gewannwege, auf dem ihre ersten Spuren durch Maulwurfshügel gefunden wurden. Im Winter 1907/08 aber wurden mehr als 1 km weiter nördlich auf Äckern der Gemarkung Marköbel völlig gleiche Gräber mit gleichartigen Halsketten gefunden und teilweise ausgehoben. Von den Ketten ist eine in die Sammlung des neugegründeten Büdinger Geschichtsvereins gekommen, während die anderen samt den Beigaben von der Römisch-Germanischen Kommission im Einverständnis mit dem Vorstande des Hanauer Geschichtsvereins erworben wurden. 

Nachdem auch hier am 29. März eine erfolgreiche Grabung unter Leitung des Berichterstatters vorgenommen und die bis dahin festgestellten teils ausgehobenen teils nur von oben angeschnittenen Gräber genau aufgenommen waren, konnte am 14. April die immer wieder verschobene Aufdeckung einer größeren Zahl von Fundstellen vorgenommen werden, an der außer dem Berichterstatter und Herrn Sanitätsrat Koehl auch die Herren Dr. Steiner, Direktorialassistent Welcker und Oberlehrer Dr. Manger von Frankfurt, Oberlehrer Dr. Helmke von Friedberg, Apotheker Koehl von Langenselbold und Domänenpächter B. Schwarz vom Baiersröder Hofe teilnahmen. Es wurden sechs Gräber aufgegraben, vier auf Marköbeler, zwei auf Butterstädter Gebiet. Sie zeigten sämtlich die gleiche Beschaffenheit: Teils bis 90 cm, teils nur 50 cm tief erstreckten sich die flachen Mulden mit der tiefschwarzen Erde, in der die Knochen, Scherben, und Steinchen lagen. Auf Marköbeler Gebiet, wo bereits im Winter neben einer Mulde ein ganz erhaltenes Töpfchen und ein vom Pfluge in seinem oberen Teil zerrissener Pokal mit Großgartacher Ornamenten gefunden war, wurde diesmal ein Grab aufgedeckt, welches eine gleichfalls mit dunkler Erde ausgefüllte breitere, aber flachere Grube (von 1,50 m Seitenlänge und 0,40 m Tiefe unter der Oberfläche) noch 40 cm eingetieft war. Unmittelbar neben der Grabmulde stand auf dem Boden der breiteren Grube ein zerdrücktes, aber in seiner Form und seinen Dimensionen noch erkennbares und meßbares Töpfchen von 14 cm Höhe und Breite mit den charakteristischen Stichornamenten der Rössener-Großgartacher Gattung.

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Amateurarchäologe Rolf Hohmann als "einsamer Ausgräber bei kaltem Schmuddelwetter. Die erbetene Unterstützung seitens des Kreises Hanau oder Wiesbaden erhielt er nicht. Foto: Emmy Hohmann
Die Steinchen, nach dem in Mitteldeutschland üblichen allgemeinen Gebrauche des Wortes Kiesel, richtiger als Tonschiefergeröll zu bezeichnen, sind für den jedesmaligen Bedarf sorgfältig ausgewählte meist abgeplattete Exemplare, bei einzelnen Gräbern von nierenförmiger oder herzförmiger Gestalt, bei anderen länglich oval. In jedem Grabe fanden sich Exemplare verschiedener Größe, von 10 bis 35 mm Länge wechseln. In einem Grabe lagen sie noch ringförmig, dem Rande der Mulde konzentrisch, so geordnet, daß man erkennen konnte, was an sich ja zu vermuten war, daß die Halskette im Nacken aus kleinen Steinchen gebildet war, die sich nach der Brust hin vergrößerten. Von diesen Steinchen hatten meist je vier bis sechs noch einen, das in der Mitte befindliche oft zwei Anhänger. Das ging aus der Zahl der Durchbohrungen hervor. In den meisten Fällen nämlich hatten die kleineren Steinchen zwei Durchbohrungen je an den Enden der Schmalseiten, fünf bis sieben außerdem noch eine dritte in der Mitte der einen Langseite und ebensoviele nur eine am (oberen) Ende, wozu öfter noch ein an beiden Enden durchbohrtes längliches Zwischenglied kam. Man kann die erstgenannten Steinchen, die, an beiden Seiten miteinander verbunden, selbst die Kette bildeten, als "Binder", die dreifach durchbohrten als "Mittelglieder" und die einfach durchbohrten als "Anhänger" bezeichnen.

Es fanden sich aber auch einzelne Gräber, in welchen alle Binder dreifach durchbohrt waren und jedem ein Anhänger entsprach, und andererseits solche, welche nur Anhänger enthielten, die demnach durch eine fortlaufende Schnur verbunden gewesen sind. Mehrere der mittleren Anhänger waren nicht abgeflacht, sondern keulenförmig gestaltet mit kreisrundem Querschnitt, zum Teil am unteren Ende sich so plötzlich verdickend, daß sie phallusartig erscheinen. Dies ist besonders bei einem Exemplare der Fall, welches statt der Durchbohrung eine ringsumlaufende eingeritzte, besser wohl mit einem Feuerstein eingesägte Rinne zeigt. Ein ähnliches Steinchen wurde in einem Grabe neben neben einem durchbohrten  Anhänger, also überzählig gefunden. Es hat mit den Steinchen der Halskette dieselben Ornamente gemein, verhält sich demnach zu ihnen etwa wie Ohrringe oder Medaillons zum Kollier eines zusammengehörigen Schmuckes. Während nämlich bei einem Teil der Ketten die meist einfarbig dunkel blaugrauen, zum Teil aber hellgrauen und rötlichen Steinchen nur durch sich selbst wirkten, waren sie bei der Mehrzahl der Gräber noch ornamentiert. Schon bei den zuerst für Hanau erworbenen Steinchen war es besonders aufgefallen, daß auf der Oberfläche lineare Einkerbungen, wohl mit Hilfe solcher Feuersteinmesserchen, wie sie sich in mehreren Gräbern fanden, eingesägt, angebracht waren, die, sich kreuzend, voneinander divergierend oder gar parallel laufend, verschiedene Figuren bildeten. 

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Die Bruchstücke dieses grossen, unverzierten Gefässes, ein sogenannter "Knubbentopf", waren vollständig in dieser Abfallgrube erhalten geblieben. Foto: Rolf Hohmann
Bei einzelnen Steinchen war die Wirkung noch erhöht durch durch millimeterbreite kreisrunde Näpfchen, die wie eine kaum bemerkbare spitze Vertiefung in der Mitte vermuten ließ, durch Feuersteinbohrerchen hersgestellt sind. In den weitaus meisten Fällen und besonders bei allen Funden, die vom Berichterstatter selbst erhoben sind, bildeten diese wie eingepunzt erscheinenden Näpfchen das einzige Element der Verzierung. Aber dasselbe ist in der mannigfaltigsten Weise zur Darstellung geometrischer Figuren  verwendet worden, der Art, daß von den Ketten, die so verziert sind, kaum zwei genau dasselbe Ornament haben , außerdem aber vielfach bei dersel- ben Kette die Binder andere Figuren zeigen als die Anhänger. Abgesehen von diesen Verschiedenheiten hatte aber je ein Grab auf allen Bindern, bzw. Mittelgliedern und Anhängern, die gleichen Figuren, nur daß einigemal die großen Doppelanhänger in der Mitte besonders reich verziert waren, doch so, daß meist die Verzierungen der anderen Steinchen doppelt oder mehrfach wiederkehrten. Die Figuren, welche so aus kreisförmigen Näpfchen gebildet wurden, waren vertikale und horizontale Linien, Kreuze, rechte und spitze Winkel, Dreiecke, Quadrate, Rauten, Quinkunxe, Fünfecke und Sechsecke mit oder ohne Näpfchen im Mittelpunkt des eingeschriebenen Kreises sowie Kombinationen mehrerer solcher Figuren oder kompliziertere  Zusammenstellungen. 

Mit diesen einfachen Mitteln waren so zahlreiche Variationen gebildet, daß von den 27 bisher gefundenen Ketten mit Ornamenten sich nicht zwei völlig entsprechen. Diese deutlich erkennbare Rücksichtnahme auf möglichst große Mannigfaltigkeit der Ornamente bei völliger Gleichheit der Elemente scheint für einen engen chronologischen Zusammenhang der bisher aufgedeckten Gräber zu sprechen. Zu beachten ist dabei, daß dieselben über ein Gebiet von einem Quadratkilometer einzeln oder in Gruppen  zerstreut gefunden worden sind, und zwar weitaus zum größten Teil auf Gewannwegen oder in den sie begrenzenden tiefen Furchen. Es ist mit Sicherheit anzunehmen, daß auf den anliegenden Grundstücken, wo sich auch zahlreiche Wohngruben mit verschiedenen ornamentierten Gefäßen gefunden haben, noch Hunderte von Gräbern liegen. Man könnte aus allen diesen Umständen schließen, daß der von uns beobachtete Grabritus und der damit verbundene eigenartige Schmuck auf ein räumlich und zeitlich engbegrenztes Gebiet beschränkt war. Nun haben sich aber in den letzten Wochen ganz gleichartige Brandgräber in der Gemarkung Klianstetten, 8 km westlich von den beschriebenen Gruppen, am Nordende des nämlichen Lößplateaus gefunden. Auch hier lagen in flachen, kaum 60 cm breiten Mulden neben den in Aschenerde und Kohlen eingebetteten Resten verbrannter Knochen Feuersteinsplitter, darunter eine Pfeilspitze; aber statt der ornamentierten Kiesel fanden sich in einem Grabe vier an einem Ende durchbohrte Wolfs- oder Hundezähne, die offenbar als Anhänger gedient haben, sei es nun, wie man bei diesen auch anderwärts gefundenen Beigaben angenommen hat, als Amulette apotroäischen Charakters oder als Bestandteil einer Schmuckkette. 

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Das Zusammenfügen der einzelnen Bruchstücke zum kompletten Knubbentopf glich einem Puzzle. Foto: Rolf Hohmann
Nachtrag. -  Gegen die letztere Annahme spricht das Ergebnis einer wenige Tage nach der Dortmunder Versammlung an derselben Stelle, im Kilianstetter Gemeindewalde, vorgenommene Ausgrabung, über welche hier noch kurz berichtet werden soll. Am 20. Mai d. J. wurden dort vom Berichterstatter in Gemeinschaft mit dem Direktor der Römisch- Germanischen Kommission und seinen beiden Assistenten fünf Brandgräber aufgedeckt, die nach ihrer Beschaffenheit den früher gefundenen völlig gleich waren, aber statt der durchbohrten Hundszähne schwarze Schieferplättchen von rechteckiger und dreieckiger Form enthielten, auf deren einer Fläche giebelförmig konvergierende Furchen und zwischen ihnen kreisrunde Näpfchen bzw. Punkte eingetieft waren, ganz gleich den Ornamenten auf den Kieseln von Marköbel und Butterstadt. Die rechteckigen Plättchen machten den Eindruck kleiner Wappenschilde mit dem bekannten Sparrenzeichen. Diese höchst auffallende Art der Verzierung dürfte umsomehr für den Amulettcharakter der Plättchen sprechen, da in jedem Grabe nur je ein viereckiges und ein dreieckiges Plättchen vereinigt zu sein scheinen, welche zu einem Doppelanhänger durch eine Schnur verbunden waren. Dies wurde in einem Falle dadurch bewiesen, daß das viereckige Plättchen noch so neben dem dreieckigen auf der Asche und den Knochenresten lag, daß eine Schmalseite des ersteren der Basis des letzteren genau entsprach und die Durchbohrungen einander gegenüberlagen. 

Da nun die vier ausgegrabenen rechteckigen und ein dicht außerhalb des Waldes gefundenes Plättchen von ovaler Form je zwei Durchbohrungen, die beiden dreieckigen nur eine an der Basis hatten, so scheint die beobachtete Verbindung zu einem Doppelanhänger für die Kilianstetter Gräber ebenso typisch zu sein wie die Vereinigung zahlreicher Kiesel zu einer Kette für die von Marköbel und Butterstadt. Die Übereinstimmung der Elemente der Ornamentierung aber dürfte für eine gleiche Bedeutung der letzteren an beiden Orten sprechen. Von einem näheren Eingehen auf diese Frage muß in diesem vorläufigen Bericht umsomehr abgesehen werden, da Dr. Paul Steiner es übernommen hat, die Kilianstetter Funde mit Abbildungen in der Festschrift für die diesjährige Versammlung der deutschen Anthropologen in Frankfurt zu veröffentlichen. Fassen wir nun die Hauptergebnisse der Untersuchung kurz zusammen, so bestehen sie 1. in dem Nachweise einer dichten Besiedelung eines bis vor 1 1/2 Jahrzehnten in archäologischer Hinsicht völlig sterilen Gebietes während der jüngeren Steinzeit, und zwar scheinbar in verschiedenen Perioden derselben, 2. in dem Nachweise einer anderwärts bisher noch nicht zu beobachteten oder wenigstens nicht mitgeteilten Kategorie von Schmuckgegenständen und der Art ihres Gebrauches, wie es scheint, bei Männern und Frauen, 3. in dem Nachweise der Leichenverbrennung, und zwar als der in der Südwetterau bisher allein festgestellten Begräbnisart, in zweifelloser Verbindung mit Gefäßen des Rössen- Großgartacher Typus, während die Beziehung zur s. g. Spiral- Mäander-Keramik noch weiterer Untersuchung bedarf. 

Ebenso wird das Verhältnis der beiden keramischen Gruppen zueinander in den zahlreichen Wohn- und Abfallgruben in der unmittelbaren Umgebung der Gräber Gegenstand sorgfältiger Beobachtung bei den für den Herbst dieses Jahres beabsichtigten Grabungen sein müssen."


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