Nachdem ich zum allgemeinen Themenkreis
"Bestattungssitten im Neolithikum" und speziell der "Wetterauer
Brandgräber" alle mir bekanntgewordenen Quellen ausgewertet habe,
glaube ich mir ein Urteil darüber erlauben zu dürfen, ob der
von Gudrun Loewe gegen den Windecker Brunnenbauer Georg Bausch erhobene
Fälschervorwurf ohne Einschränkung zu Recht besteht. Oder ob
meine vorgebrachten Bedenken so schwer wiegen, daß, wenn schon
kein "totaler Freispruch" zu erreichen sein sollte, zumindestens eine
Differenzierung hinsichtlich der Anschuldigungen erfolgen
müßte.
Festzuhalten bleibt, daß an der Echtheit der zwischen 1906 und
1920 entdeckten "Wetterauer Brandgräber" als solche bis zur
Veröffentlichung der Arbeit von Gudrun Loewe im Jahr 1958 kein
Prähistoriker zweifelte. Dagegen weckten die "Schmuckketten" aus
Flusskieseln und Schieferplättchen schon früh den Argwohn von
Wissenschaftlern, und Armin Stroh empfahl 1940 in seiner
Inaugural-Dissertation, diese Artefakte einer kritischen
Überprüfung zu unterziehen. Doch diese Empfehlung verhallte
zunächst ungehört.
Ich habe mich der Mühe unterzogen, alle erreichbare Literatur ab
1940 dahingehend auszuwerten, wie die Verfasser über die
"Wetterauer Brandgräber" urteilten. Ich meine, diese sicher
unvollständige Zitatensammlung ist eine höchst interessante
Lektüre. Sie sollte besonders von den Fachwissenschaftlern
intensiv gelesen werden, die das Pauschalurteil von Gudrun Loewe
über Georg Bausch in ihren Veröffentlichungen kritiklos in
vollem Umfang übernommen haben.
Die Brandgräber als solche sind sicher
Eine kritische Untersuchung der Ketten dringend geboten
Um die Erforschung der "Wetterauer Brandgräber" war besonders
Wolff bemüht, aus dessen Feder eine umfangreiche Literatur zu
dieser Frage herrührt. (Anmerkung des Autors: Eine eingehende
kritische Untersuchung der Kieselketten und vor allem der
"Anhänger" wäre dringend geboten. Mindestens sollten sie,
solange eine solche nicht stattgefunden hat, nicht zu irgendwelchen
Schlüssen oder Beweisführungen herangezogen werden).
Schuchhardt gibt folgende kurze Beschreibung: "Sie markieren sich als
runde schwarze Flecken, nicht größer als eine
gewöhnliche Schüssel. Umgrenzt ist das Rund von verzierten
flachen Steinchen einer Halskette. In der Mitte liegen, mit Holzkohle
gemischt, die fast zu Asche verbrannten Knochen und einige Scherben,
zur Hälfte von Spiral-, zur Hälfte von Rössener Keramik.
Brandgräber dieser Art und mit dieser Ausstattung sind nur im
Arbeitsgebiet von Wolff, in der südlichen Wetterau von Hanau bis
Frankfurt, gefunden worden. Im allgemeinen gehören die Gräber
der Spiralkeramik an. In den wenigen Fällen, wo eine Zuweisung zur
Rössener Kultur auf Grund von Beifunden zu erwägen wäre,
kann es sich um Streuscherben handeln, die aus umgebenden
Kulturschichten stammen. Da die Brandgräber als solche sicher
sind, mag das eine oder andere auch der Rössener Kultur
angehören, aber wohl nur der südwestdeutschen Stichkeramik.
Aus den Befunden der Brandgräber Schlüsse auf das zeitliche
Verhältnis von Spiralkeramik und Rössener Keramik zu ziehen,
dürfte bei den wenig eindeutigen Fundverhältnissen nicht in
Frage kommen. Eine andere Art von Brandgräbern des Frankfurter
Stadtgebietes führt statt der Kieselketten solche aus groben
Tonperlen als Beigabe. Einige davon lagen in Wohngruben der
Rössener Kultur. Ebenda fanden sich auch aus Rössener
Scherben geschnittene Anhänger.
Aus: "Die Rössener Kultur in Südwestdeutschland" von Armin Stroh; Inaugural-Dissertation (1940), S. 83, 84
Entscheiden wird hier der Spaten
Skeptiker Müller-Karpe fällte kein endgültiges Urteil
Einige heute noch lebende Windecker, mit denen ich über die
Angelegeneit Bausch sprach, versicherten übereinstimmend, dass sie
es für ausgeschlossen hielten, dass der alte Bausch die
Schmuckbeigaben der neolithischen Gräber gefälscht habe,
einmal wegen seines im Grunde ehrlichen Charakters, dann aber auch,
weil sie ihm die geistige sowohl wie die technische Fähigkeiten
nicht zutrauten, die doch zur Herstellung der Fundgegenstände und
ihre Unterbringung in "zurechtgemachten" Gräbern nötig
gewesen wäre. Es bliebe dann allerdings einen im Hintergrund
arbeitenden raffinierten Altertumshändler oder dergl. anzunehmen,
der mit Bausch unter einer Decke gesteckt habe. Von einem solchen
Verkehr wußten aber die gefragten Windecker Einwohner gar nichts.
Damit mag die Vorlage von sachlichen Mitteilungen, die für die
Originalitätsfrage der Wetterauer Brandgräber und ihrer
merkwürdigen Beigaben von Bedeutung sein können,
abgeschlossen sein. Ein endgültiges unangreifbares Urteil, ob
restlos echt oder oder völlig geschwindelt, ist nach alledem nicht
möglich. Entscheiden wird hier, wie so oft in prähistorischen
Fragen einzig der Spaten, wenn er wieder einmal auf den südlichen
Lösshöhen der Wetterau angesetzt wird. Nach den oben
gegebenen Hinweisen möchte man jedenfalls das eine behaupten, dass
nämlich die Sitte, Kieselketten zu tragen, damals bekannt war.
Andererseits befällt einem aber immer wieder das Gefühl vor
einer zumindest eigenartigen Angelegenheit zu stehen, besonders wenn
man bedenkt, in welch bewundernswürigem zeitlichen Nacheinander
die verschiedenen Arten der Kettenanhänger von Bausch gefunden
wurden.
Aus: "Zur Originalitätsfrage der Wetterauer
Brandgräber" von Hermann Müller-Karpe; Mitteilungen des
Hanauer Geschichtsvereins (1944) S. 15, 16
In der Regel eigenartige Halsgehänge
Körper- und Brandbestattungen gingen nebeneinander her
Auch die Verbrennung der Leichen war den Bandkeramikern nicht
unbekannt; sie ist sogar innerhalb eines bestimmten Gebietes des
westlichen Mitteldeutschlands, besonders in der Wetterau nördlich
Frankfurt am Main, der herrschende Brauch. Auf die in der Erde
vergrabenen Brandreste legte man in der Regel eigenartige
Halsgehänge aus mit Punkten verzierten Steinen. Den Übergang
von der einfachen Erdbestattung zur Leichenverbrennung hat man ehemals
mit einem völligen Wechsel der religiösen Vorstellung in
Beziehung gebracht. Seitdem wir aber erfahren haben, daß dieser
Übergang sich in den verschiedensten Kulturen und zu sehr
verschiedenen Zeiten ereignet hat, und daß gelegentlich bei
denselben Völkern oder Stämmen beide Bräuche
nebeneinander hergehen, müssen wir annehmen, daß die
Einführung der Leichenverbrennung nicht von der ihr
zugeschriebenen Bedeutung gewesen ist. Ob ihr reine
Nützlichkeitserwägungen zugrunde lagen oder religiöse
Vorstellungen, wie z. B. die Opferung des Toten an die Götter, ist
noch umstritten.
Aus: "Deutschlands Urgeschichte" von Gustav Schwantes; Franckh'sche Verlagshandlung Stuttgart (1952) S. 141,142
Die Gruppe ist lokal begrenzt
Erhebliche Unterschiede in der Bestattungssitte
Überblicken wir das in Fundstellen zusammengestellte wichtigste
Material, so kann gesagt werden, daß die Körperbestattung in
Hockerlage, die der Linearbandkeramik eigentümliche Sitte der
Bestattung ist. Brandbestattungen treten demgegenüber bisher stark
zurück. Brandbestattungen mit Linearbandkeramik sind bisher nur
vom Gräberfeld Arnstadt von Almrich und von den Gräberfeldern
der Wetterau nachgewiesen, wobei wiederum zwischen beiden
Bestattungsgebieten erhebliche Unterschiede in der Bestattungssitte
bestehen. Die Kulturträger der Linearbandkeramik vom Wetterauer
Typ bestatten den Leichenbrand in Erdgruben, ohne diesen in
Gefäßen (Urnen) aufzubewahren oder solche zum Schutze
darüber zu decken. In fast keinem Grab dieser Kultur fehlt
die Kette oder die Anhänger aus Kieselsteinen,
Schieferplättchen oder Tonscherben. Die Gruppe ist lokal begrenzt.
Aus: "Die Bestattungssitten des Donauländischen
Kulturkreises der jüngeren Steinzeit - Teil I. Linienbandkeramik"
von Dietrich Kahlke; Rütten & Loening Berlin (1954) S. 134
Stammte alles von Bauschs Hand?
Gudrun Loewe fällte knallhartes Urteil
Die in diesem Bericht vorgetragenen Bedenken haben mich zu der
Überzeugung gebracht, daß die "Wetterauer Brandgräber"
nebst ihren Beigaben von Bauschs Hand herrührten. Folgende
Hauptargumente gaben dafür den Ausschlag: 1. Die kulturelle
Zugehörigkeit - Bandkeramik - Rössen - Megalithik - ist dem
damaligen Stand der Kenntnis angepaßt und hält den neuen
Erkenntnissen nicht stand. 2. Die Auffindung ist persönlich und
zeitlich gebunden; mithin kann der Verbreitung keinerlei Wert
beigemessen werden. 3. Die Herstellung der Beigaben wäre mit den
technischen Mitteln der Steinzeit undurchführbar; es bedarf dazu
eines neuzeitlichen Metallbohrers. 4. Die relativ wenigen
Grabungsbefunde und ûberichte lassen die stereotypen Grabmulden
als neuzeitliche Störungen erkennen.
Aus: "Zur Frage der Echtheit der Wetterauer jungsteinzeitlichen Brandgräber" von Gudrun Loewe; Germania Jahrgang 6 (1958) S. 434
Kieselketten verschwanden aus den Vitrinen
Gehört Bausch in die Galerie der Meisterfälscher?
1909 wurde Bausch Angestellter des Historischen Museums. Er blieb in
Windecken wohnen und fuhr jeden Tag mit dem "Wetterauer Expreß"
zu seiner Arbeitsstätte. Die große Zeit der Entdeckungen
schien jedoch vorüber zu sein. Man fand nur noch selten
Brandgräber und Kieselschmuck. Bausch starb 1932, vier Jahre nach
Professor Wolff. Aber mit seinem Tode scheint das Kapitel Bausch nicht
zu Ende zu sein. Der Zweifel hat sich inzwischen zu Wort gemeldet. Es
geht nicht um die Steinzeitdörfer, es geht nicht um die Wohngruben
(oder Abfallgruben) aus dieser fernen Zeit. Deren Echtheit wird nicht
bezweifelt, damit also auch nicht die Erkenntnis, daß die
südliche Wetterau und Frankfurt schon zur jüngeren Steinzeit
besiedelt gewesen sind.
Es geht um die Brandgräber. Sie waren einmal eine echte Sensation
und gaben der Vorgeschichte Frankfurts und seiner Umgebung eine
Sonderstellung in der deutschen Archäologie. Sind sie wirklich
echt? So wird gefragt. Und die Schmuckketten, die in ihrer Aschenerde
lagen? Wie steht es mit denen? Stammen sie wirklich aus der Steinzeit?
Oder aus dem Beginn des 20. Jahrhunderts? Ist es nicht auffällig,
daß die meisten Bausch als erster gefunden hat? Ging es ihm um
die Fundprämien? Um die gute Anstellung? Um den Ruhm? Eine
Archäologin, Dr. Gudrun Loewe (Darmstadt-Neuß), hat vor
kurzem diesen Verdacht (in der Zeitschrift der
Römisch-Germanischen Kommission "Germania") offen ausgesprochen.
Das sind etwa ihre Argumente: Die Brandgräber kamen nur in Wolffs
Arbeitsgebiet vor, der dort Bausch einsetzte; vorher und nachher hat
man keine solchen Brandgräber mehr gefunden; ein moderner
Stahlbohrer macht ganz ähnlich feine Öffnungen, wie sie die
Flußkiesel und Schieferstücke aufweisen; waren
überhaupt mit den technischen Mitteln der Steinzeit solche
Grabbeigaben herzustellen?
Wir vermögen alle diese Argumente natürlich nicht zu
überprüfen. Aber ich muß offen gestehen, die Autorin
hat mich nicht recht überzeugt. Vielleicht hängt es damit
zusammen, daß man spürt, wie sie auf jeden Fall recht haben
möchte. Und zwei Dinge wollen noch bedacht sein: Das eine ist das
Rätsel Bausch. Dieser Mann hätte es so viel einfacher gehabt,
seine angeblich falschen Kieselketten in die - echten - Wohngruben zu
legen und seine Fundprämie zu kassieren. Wozu erfand er, wie ihm
unterstellt wird, auch noch diese komplizierten und riskanten Gebilde
der Brandgräber? Diese Brandgräber, von denen es heißt,
daß sie zum Teil unter den (echten) Wohngruben gefunden wurden!
Das zweite: Man fand im Laufe der Jahre fast einhundert
Brandgräber! Dr. Loewe bemerkt dazu: "Viele Wissenschaftler sind
Zeugen solcher Ausgrabungen geworden, weil die bis dahin unbekannte
Grabform größtes Interesse weckte und die relativ kleinen
Objekte sich gut in einer Schaugrabung vorführen ließen."
Sehen wir davon ab, ob man einen Fachmann wie Professor Wolff
tatsächlich durch anderthalb Jahrzehnte immer und immer wieder
täuschen kann. Es bleibt die Frage; kann man hundertmal - davon in
etlichen Fällen vor immer neuen Sachverständigen - die
gleiche schwierige Fälschung machen, ohne entdeckt zu werden?
Hundertmal!
Um diese Frage kommt man nicht herum. Bejaht man sie, dann gehören
die Wetterauer (und Frankfurter) Brandgräber zu den einmaligen
wissenschaftlichen Irreführungen, gehört der Brunnenbauer
Georg Bausch in die Galerie der Meisterfälscher, wie es nur wenige
gegeben hat. Und auch das müßte der Chronist notieren. In
Windecken lebt noch ein Bürger, der damals mit ausgraben half. Ich
sprach mit ihm. Ich bin von der Ehrlichkeit seines Ausrufes
überzeugt: "Ich wette meinen Kopf dafür, daß die Funde
damals echt waren!" Und aus Kalifornien schrieb der Sohn jenes
Gutsbesitzers Ph. Jung in Buttertadt, auf dessen Äckern die ersten
Brandgräber aus der Steinzeit gefunden wurden, ein Mann, der
Augenzeuge dieser Ausgrabungen gewesen ist: "Bausch und Professor Wolff
waren wahr und echt." Jedoch - die Archäologen haben genügend
bittere Erfahrungen gemacht und sind vorsichtige Leute geworden. Man
kann es ihnen nicht verargen. Im Frankfurter Museum für Vor- und
Frühgeschichte im idyllischen Holzhausenschlößchen sind
die viel veröffentlichten und bestaunten Kieselketten aus den
Vitrinen verschwunden - offenbar bis zu dem Beweis, daß sie
wirklich echt sind. Man kann sich natürlich auch auf den
umgekehrten Standpunkt stellen: Bis zu dem Beweis, daß die Ketten
wirklich falsch sind, geschieht den beiden Männern Unrecht, Bausch
und Wolff...
Aus: "Das unbekannte Frankfurt" von Walter Gerteis; Verlag Frankfurter Bücher (1960) S. 22,23
Wetterauer Brandgräber als Fälschungen erkannt
Sie galten zunächst als eine der bedeutensten Neuentdeckungen
Auch G. Wolff, der sich um die prähistorische Forschung besonders
in der Wetterau verdient gemacht hat, und dem die Prägung des
Begriffs der "Wetterauer" Bandkeramik zu verdanken ist, rechnet in
seinem 1913 erschienenen Katalog der vorgeschichtlichen Funde aus der
südlichen Wetterau die Gefaßbruchstüche der
jüngeren Bandkeramik noch dem "Eichelsbacher Typus" zu. Im
gleichen Jahr spricht er jedoch auch schon von "Wetterauer Keramik" und
charakterisierte sie als eine Gruppe "die auf linearbandkeramischer
Grundlage in Formen und Ornamenten starke Beeinflussung durch die
nordische Keramik zeigt". Als kennzeichnend für diese Lokalgruppe
sieht er zwei bis drei parallele Stichreihen unter dem Rand der
Gefäße an, ferner Füllung der Bandornamente durch
Schraffur, Punkte und Striche. Seine Ausführungen lassen erkennen,
daß er unter "Wetterau-Keramik" zu dieser Zeit noch
ausschließlich die in der Wetterau selbst auftretende Gruppe
verstanden wissen will, nicht dagegen auch die übrigen
gleichartigen Funde aus Starkenburg, Unterfranken und der Wormser
Gegend, wohl da er glaubte, seine Lokalvariante in enger Verbindung mit
den sogenannten "Wetterauer Brandgräbern" sehen zu müssen.
Diese vermeintlichen Gräber sind in den Jahren zwischen 1907 und
1920 in der südlichen Wetterau, insbesondere in der Frankfurter
und Hanauer Gegend in größerer Zahl aufgetreten. Sie galten
zunächst als eine der bedeutensten Neuentdeckungen, mit denen sich
G. Wolff in den meisten seiner Publikationen befaßte. Inzwischen
sind diese "Wetterauer Brandgräber" als Fälschungen erkannt.
Die Frage, woher die außer den gefälschten
Schmuckanhängern und Tonkugeln ebenfalls in den Brandgräbern
auftretenden "Scherbenanhänger" stammen, zu deren Herstellung
echte Scherben verwendet worden sind, ist heute kaum noch zu
klären. Wahrscheinlich stammt die Masse dieser Scherben aus den
Siedlungen in Butterstadt, Kr. Hanau, und im Frankfurter Osthafen. Es
ist aber auch nicht auszuschließen, daß ein Teil von den
jeweiligen Gemarkungen herrührt, in denen die "Wetterauer
Brandgräber" angelegt wurden, oder aus Marköbel, Kr. Hanau,
wo der vermutliche Fälscher beheimatet war.
Aus: "Die bandkeramische Kultur im Untermaingebiet" von
Walter Meier-Arendt; In Kommission bei Rudolf Habelt Verlag GmbH (1966)
S. 6
Einige Brandgräber doch echt?
Seit 50 Jahren kein entsprechender Grabfund mehr
Eine Beschäftigung mit der Problematik bandkeramischer
Brandgräber kann nicht vorübergehen an den
berühmt-berüchtigten "Wetterauer Brandgräbern", die von
G. Loewe (1958) als Fälschung erkannt wurden. Die von ihr
angeführten Argumente hinsichtlich der Beigaben und des
räumlichen und zeitlichen Wirkens des Vorarbeiters G. Bausch sind
so überzeugend, daß man ihnen nur zustimmen kann. Trotzdem
stellt sich gerade im Zusammenhang mit den Brandgräbern in
Südlimburg und Mannheim-Seckenheim die Frage, ob wirklich alle in
der Wetterau gefundenen Brandgräber - was den Leichenbrand
betrifft - Fälschungen sind. Wenn G. Loewe schreibt (1958, 429):
"Flüchtige Streuungen kleiner und kleinster Mengen von
Leichenbrand sind mir nur aus römischen Brandgräbern
bekannt", so konnte sie noch nicht wissen, daß gerade diese schon
von G. Wolff bei der Entdeckung der ersten Brandgräber
erwähnte Unscheinbarkeit als typisch besonders für die band-
keramischen Brandgräber von Elsloo herausgestellt werden
würde. Auch der Schlußsatz ihres Aufsatzes: "Die relativ
wenigen Grabfunde und- berichte lassen die stereotypen Grabmulden als
neuzeitliche Störungen erkennen", schließt die
Möglichkeit nicht aus, daß die Verhältnisse in den
anderen Fällen, wo keine Berichte vorhanden sind, anders gewesen
sind. Vor allem sei auf eine Anmerkung G. Loewes verwiesen:
"Entsprechende Brandgräber ohne Beigaben, die G. Wolff auch als
neolithische bezeichnet, werden in diesem Bericht nicht
berücksichtigt."
Um nicht mißverstanden zu werden: "Die "Wetterauer
Brandgräber" als Sondergruppe mit den für sie ganz
spezifischen Beigaben wurden von G. Loewe gewiß zu Recht als
Fälschungen entlarvt. Erwogen werden sollte lediglich - was heute
leider nicht mehr nachzuprüfen und deshalb im Grunde rein
spekulativ ist -, ob sich unter den etwa 100 nicht doch einige "echte"
bandkeramische Leichenbrände befanden, die dann in Ermangelung
repräsentativer Ausstattungen durch die Mithilfe von G. Wolffs
Mitarbeiter G. Bausch erst ins rechte Licht gesetzt wurden. Nicht
übersehen werden darf freilich, daß in der Wetterau
tatsächlich seit 50 Jahren kein entsprechender Grabfund mehr zu
verzeichnen war; dagegen gingen die Hoffnungen auf weitere Funde von
Brandgräbern anderwärts, z. B. in Mannheim-Seckenheim und
Elsloo, in Erfüllung.
Aus: "Zur Problematik der bandkeramischen
Brandbestattungen" von Edith Zimmermann; Jahresschrift für
mitteldeutsche Vorgeschichte Band 57 (1973) S. 85, 86
Falscher Alarm in der Wetterau
Nach Bausch keine Brandgräber mehr entdeckt
1954 meldete Gudrun Loewe erneut Zweifel an der Echtheit der
Gräber an. Sie ging bereits bekannten Ungereimtheiten um Bausch
und seinen ihm helfenden Sohn nach und untersuchte das Fundmaterial
sowie die Fundberichte neu. Zunächst fiel auf, daß die
Grabsitte der Brandbestattungen ausschließlich auf das
Arbeitsgebiet von Georg Wolff beschränkt war. Nur er und sein
Grabungsgehilfe Bausch hatten solche Brandgräber gefunden. Immer
kamen in ihnen durchgebohrte Anhänger vor, mal aus gerundeten
Keramikscherben hergestellt, mal aus Kiesel-, Schiefer oder
Knochenstücken. Dabei waren in den bis 1911 gegrabenen
Brandgräbern nur Perlen aus Kieseln oder Schiefer aufgetreten,
während Tonperlen ausschließlich 1911-1920 gefunden worden
waren. Im Jahr 1920 machte Bausch seine letzte Grabung und von da an
wurden auch nie wieder Brandgräber dieser Zeitstellung gefunden.
Bausch war übrigens bei seinen Grabungen meist allein,
während Wolff in seinem Büro die Ergebnisse bearbeitete und
nur selten die Grabungen besuchte. Bei einem dieser Besuche beobachtete
Wolff eine verdächtige, jüngere Störung, die er aber auf
in dieser Gegend abgehaltenen Kaisermanöver
zurückführte. Die Untersuchungen von Gudrun Loewe am
Fundmatderial ergaben, daß die Perlen niemals mit neolithischen
Werkzeugen hergestellt sein konnten. Die Bohrungen waren bei einem
Durchmesser von knapp einem Millimeter vollkommen zylindrisch, statt
wie üblich doppelkonisch. Sie waren nicht mit einem Silexbohrer
sondern mit einem Stahlbohrer, wie ihn Zahnärzte verwenden,
hergestellt. Für die Anhänger hatte Bausch gelegentlich auch
den Schiefer von Schultafeln benutzt. Bausch hatte ohne Wissen seines
Chefs Wolff die Gräber gefälscht.
Aus: "Falscher Alarm in der Wetterau" von Peter Kopp;
"archäologisch - Die Zeitschrift für Archäologie im
Internet" (Zum Orginalbericht)
Der "Fall Bausch" ist seit der Veröffentlichung des
Germania-Beitrags "Zur Frage der Echtheit der jungsteinzeitlichen
"Wetterauer Brandgräber" im Jahr 1958 nur von der
wissenschaftlichen Seite beleuchtet worden. Aus den vorstehenden
Zitaten ist erkennbar, daß nicht alle Autoren davon
überzeugt sind, daß der Windecker Brunnenbauer "Schuldig in
allen Anklagepunkten" ist, wie dies Beitragsverfasserin Gudrun Loewe"
vorwiegend aufgrund von Indizien glauben machen möchte. Doch bei
allen bis heute andauernden Diskussionen wurde kein Wort darüber
verloren, daß der "Fall Bausch" auch eine "menschliche Seite"
hat. Es ist verständlich, daß sich die Angehörigen des
von Zeitgenossen als ehrbarer Familienvater bezeichneten Brunnenbauerns
Georg Bausch darüber empörten, dass er 25 Jahre nach seinem
Tod von einer Prähistorikerin als "Fälscher von
Bodenaltertümern aus niederen Beweggründen" bezeichnet wurde.
Nach Auskunft des Hessischen Justizministeriums wäre dies ein
Straftatbestand nach § 263 StGB (Betrug) und die Strafandrohung
sei im Regelfall Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe.
Würde also die Anschuldigung von Gudrun Loewe zutreffen,
müßte man Georg Bausch als "Kriminellen" einstufen. Gegen
diese Herabwürdigung des Ansehens ihres Großvaters setzten
sich die acht Bausch-Enkel erbittert zur Wehr. Bisher sind ihre
Rehabilitierungsbemühungen jedoch an der Phalanx der
Fachwissenschaftler gescheitert. Kein Prähistoriker unterzog sich
der Mühe, einige höchst "wackeligen" Loewe-Argumente auf ihre
Beweiskraft hin zu überprüfen. Sie übernahmen und
übernehmen in ihren Fachveröffentlichungen vielmehr weiterhin
unverdrossen das "Schuldig-Urteil" ihrer Kollegin, obwohl aufgrund
jüngster Ausgrabungsergebnisse bandkeramische Brandgräber
"nach Wetterauer Art" (ohne die durchlochten Beigaben) längst
keine Seltenheit mehr sind. Ein Außenstehender kann sich deshalb
nicht ganz des Eindrucks erwehren, daß hier nach dem Motto "Eine
Krähe hackt der anderen kein Auge aus" gehandelt wird.
In unseren Tagen unternimmt Bausch-Enkelin Maria Schmidt
(Langendiebach) erneut den Versuch, das Andenken an ihren
Großvater von diesem Makel zu befreien. Sie hat mich gebeten, in
dieser Sache wieder tätig zu werden und ich bin ihrer Bitte
nachgekommen. Die Ergebnisse meiner sehr intensiven Recherchen werden
laufend auf unserer Website "www.geschichtsverein-windecken.de"
veröffentlicht. Am 2. August 1972 wurde in der HR-Sendung
"Unterwegs in Hessen" direkt vom Gelände des ehemaligen
römischen Erdkastells Heldenbergen über den Beginn meiner vom
Landesarchäologen sanktionierten Notbergungen berichtet. Diese
Reportage nahm die in Gießen wohnende Bausch-Enkelin Erna S. mit
Interesse zur Kenntnis. Ihr an mich unbekannterweise gerichtetes
Schreiben vom 24. August 1972 erreichte mich über das Hanauer
Schul- und Kulturamt Anfang September 1972. Ich habe mich entschlossen,
diesen Brief im Wortlaut zu veröffentlichen, um damit die
angesprochene "menschliche Seite" dieser Angelegenheit ins
Bewußtsein zu rücken:
"Sehr geehrter Herr, Ihren Namen konnte ich leider bis
heute nicht erfahren, auch nicht vom Hess. Rundfunk an den ich schrieb.
Ich wende mich nun an das Heimatmuseum Hanau mit der Bitte Ihnen diesen
Brief zu übermitteln. Da Sie nur begrenzt Zeit haben für Ihre
Ausgrabungen wünsche ich Ihnen, daß Sie es in diesen Monaten
schaffen werden!
Nun zu dem, warum ich mich an Sie wende. Ich bin 33 Jahre, verheiratet
in Gießen, stamme aus Ffm. Mein Großvater war Georg Bausch
geboren und gestorben in Windecken. Von Beruf Brunnenbauer und ein
Amateur in Ausgrabungen in Heldenbergen-Windecken. Dadurch fiel er den
Archäologen auf und wurde von Professor Wolff zum Vorarbeiter der
Limeskommission ernannt. Durch Erzählungen meines Vaters und
Museumsbesuche wo seine Fundsachen früher ausgestellt waren, habe
ich von der Arbeit meines Großvaters mit großem Interesse
erfahren. In dem Buch, das ich mir kaufte "Das unbekannte Frankfurt"
von Walter Gerteis, steht von seinen Ausgrabungen manches zu lesen.
Wer meinen Opa gekannt hat war wohl mit Recht empört, nach seinem
Ableben zu hören in der Zeitung, er hätte Fälschungen
begangen, damals!! Es ging um die umstrittenen Ketten aus
Mainkieselsteinen in den Brandgräbern. Da ich bei der
Stadtverwaltung halbtags beschäftigt bin, wendete ich mich im
vorigen Jahr an Dr. Krauß vom Stadtarchiv. Er war mir behilflich
bei Erkundigungen der Stadt Friedberg, aber es kam so gut wie nichts
raus dabei. Dr. Krauß bestätigte mir durch einen ihm
bekannten Experten auf diesem Gebiet, daß man in Fachkreisen
berechtigte Zweifel habe gegen die Brandgräber. Da man keines mehr
fand nach meinem Großvater. 1909 wurde er vom Historischen Museum
angestellt. Weil er nach dieser Anstellung nur wenige dieser
Brandgräber fand, kamen Zweifel an denselben auf! Ich finde Walter
Gerteis fragt in seinem Buch berechtigt: "Kann ein Mensch 100
Brandgräber fälschen und Experten jahrelang täuschen??"
Nachdem Frau Dr. Loewe erfolglos war mit ihren Ausgrabungen in der
Wetterau, bezichtigte sie offen in der Zeitung diese Brandgräber
als Fälschungen! Mit welchem Recht? Nur weil sie erfolglos war?
Mein Vater, der der jüngste seiner Geschwister ist, regte sich
derart auf, daß er sogar einen Prozeß gegen diese Dame
nicht gescheut hätte. Aber welchen Gegenbeweis hätte er
liefern können? Er verstand ja nichts von diesen Dingen, er kannte
nur seinen Vater und wußte, daß er ein ganz einfacher
Mensch war, streng, aber ehrlich! Und keineswegs solcher
Fälschungen fähig. Das bezeugen noch mehr Menschen, die ihn
gekannt haben.
Sie werden sich fragen, weshalb ich mich an Sie wende? Nun, ich freute
mich derart als ich im Radio diese Reportage von Heldenbergen vernahm.
Es soll sich sogar um einen noch älteren Limes handeln, den Sie
ausgraben wollen. Da wäre es doch denkbar, daß Sie
vielleicht auch eines dieser Brandgräber finden? Wäre das
schön!! Dann endlich wäre der saubere Name meines Vorfahrens
wieder hergestellt, nicht wahr? Für meinen Vater der jetzt 67
Jahre alt ist, wäre dies das schönste Geschenk, da er nie
daran geglaubt hat, daß sein Vater ein Fälscher war! Er hat
nie die Hoffnung aufgegeben, daß jemand wie Sie kommt und dort in
dieser Gegend Ausgrabungen mit Erfolg macht. Nun ist es soweit und es
wäre wunderbar, wenn es Ihnen gelänge, den Zweiflern den
Gegenbeweis zu erbringen. Auch für Ihre Arbeit wäre ein
solcher Fund ein unschätzbarer Erfolg. Es gibt noch ein altes Werk
von Professor Wolff, das über seine Arbeiten berichtet, aber ich
kann es weder in Ffm noch in Gießen kaufen, da es nicht mehr
gedruckt wird, leider!
Nun möchte ich Ihre so kostbare Zeit nicht länger in Anspruch
nehmen. Ich danken Ihnen sehr, daß Sie meine so langen Zeilen
gelesen haben. Ich wäre sehr dankbar, wenn es Ihre Zeit nach den
Ausgrabungen erlauben würde und Sie mir auf meinen Brief antworten
könnten. Alle guten Wünsche und Erfolg bei Ihrer Arbeit
wünscht Ihnen Erna S. geb. Bausch."
Da mich meine Aktivitäten in Heldenbergen neben meinem Beruf und
als Freier Journalist für verschiedene Zeitungen voll in Anspruch
nahmen, konnte ich das Schreiben der Bausch-Enkelin erst am 24. Juli
1973 beantworten. Um die Sache abzurunden, wird nachfolgend auch dieser
Text im Wortlaut wiedergegeben:
"Bei all meinen Bemühungen, die
Bodenaltertümer im nördlichen Kreisgebiet zu retten,
stoße ich auf den Namen Ihres Großvaters, der, wie ich
einmal in einem meiner Zeitungsartikel schrieb, eine ausgesprochene
Spürnase für vor- und frühgeschichtliche Fundstellen
hatte. Ich bin in Windecken, wenn Sie so wollen, sein direkter
Nachfolger und habe mich mit vielen älteren Einwohnern über
den Ausgräber Bausch unterhalten und viele interessante Dinge
erfahren.
Nun zu den gegen ihn von Frau Dr. Loewe erhobenen Vorwürfe der
Fälschung der im Hanauer Magazin lagernden Steinketten. Ich habe
mir darüber schon vor Jahren alle verfügbaren Unterlagen
besorgt und sie ausgiebig studiert. Da alle Menschen, mit denen ich
sprach, die Auffassung vertraten, daß Ihr Großvater kein
Fälscher war, die Indizien aber eindeutig gegen ihn sprachen,
hoffte ich bei meinen Grabungen ebenfalls einige dieser
mysteriösen Steinplättchen zu finden, um ihn zu
rehabilitieren. Ich habe bisher etwa 40 neolithische Wohngruben
untersucht, auch in Gegenden wo Herr Bausch gegraben hat, ohne auf ein
solches Stück zu stoßen. Das schließt nicht aus,
daß es diese Anhänger doch gibt, aber ein Beweis dafür
ist noch nicht erbracht. Meine Recherchen hier in Windecken haben aber
den Verdacht genährt, daß sich Ihr Großvater als
Werkzeug einiger Spaßvögel hat mißbrauchen lassen, die
der Fachwelt aus bisher noch unbekannten Gründen eins auswischen
wollten. Das ist aber nur eine Vermutung."
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