Codepage: ISO-890.1 - Alle Kapitelberschriften zentriert in gr”sserer Schrift und leicht gesperrt - der erste Buchstabe im Text in einem neuen Kapitel wird gr”sser dargestellt. - Text: Walbaum Fraktur, Latein und r”mische Ziffern in Schriftart Times o.„. - Satzanf„nge sind 4 Buchstaben eingerckt Transkription: 09/10 2000 Bernd Hohmann, Karin Leissner, Larissa Leissner fr den Geschichtsverein Windecken 2000 [Titel] (Wappen Windecken) Festschrift zur 650-Jahr-Feier der Stadt Windecken 1938 --------------------- [Links: Tafel I Quer] [Rechts: Innentitel] Festschrift zur 650-Jahr-Feier der Stadt Windecken am 6., 7. und 8. August 1938 --------------------- [Links: unten] Druck der L.C.Wittich'schen Hofbuchdruckerei in Darmstadt] [Rechts: Inhalt, zensiert] I. Windecken von der Mitte des 9. bis zum Ende des 13.Jahrhunderts; Verleihung der Stadtrechte an Windecken ... 7 II. Die Bedeutung der Verleihung der Stadtgerechtigkeit ... 11 III. Die Burg und Burgmannen zu Windecken; Ritter von Windecken; Stadtmauer und Befestigung; Verteidigung ... 15 IV. Stadtverfassung und Verwaltung; Stadtgericht und Landgericht zu Windecken ... 21 V. Kirchen und Kapellen in Windecken; Friedh”fe ... 26 VI. Die Einfhrung der Reformation in Windecken ... 30 VII. Die Schule in Windecken ... 33 VIII. Alte Stiftungen zu Windecken (Pr„senz; Almosenkasse; Hospital) ... 38 IX. Windecken im Dreiáigj„hrigen Krieg 1618 - 1648 ... 44 X. Ein Beitrag zur Windecker Familienkunde ... 48 XI. Die Pest in Windecken - Bader, Chirurgen, Žrzte; Apotheke ... 52 XII. Wirtschaftliches. - Mhlem und Gasth„user; Handel und Gewerbe in Windecken; Einwohnerzahl ... 55 XIII. Aus der Zeit von 1800 bis zur Gegenwart ... 57 XIV. Das Wartb„umchen bei Windecken ... 60 --------------------- [Links: Geleitwort Philipp Muth] Am 5. August 1938 sind 650 Jahre verflosssen, seit K”nig Rudolf von Habsburg dem mit seinen ersten Anf„ngen auf ein Alter von wohl mindesstens 1500 Jahren zurckblickenden Winden Stadtrechte verlieh. Fessstlich soll der Erinnerungstag begangen werden, und im Namen der Stadtverwaltung gráe ich die Einwohnerschaft unseres St„dtchenss und alle, die an unserer Feier teilnehmen, die G„ste aus der Ferne und der N„he. M”ge auch dieses Fest dazu dienen, die Liebe zur Heimat und zum deutschen Volke zu st„rken und zu vertiefen ! M”ge es uns allen besonders gegeben sein, in dieser Liebe den ernsten Forderungen unseres Fhrers Adolf Hitler zu gengen und sie zu erfllen ! Zur Erinnerung an die Feier vom 6. bis 8. August 1938 wird das vorliegende Bchlein dargeboten, das uns aus der Vergangenheit der Heimat berichten will. Herzlichster Dank sei gesagt seinem Verfasser, unserem alten Seelsorger Herrn Kreispfarrer Dr. Hená, und allen, die durch Spenden und šberlassung von Bildmaterial dazu beigetrugen, daá die Festschrift in der sch”nen Ausstattung erscheinen konnte. Heil Hitler ! Philipp Muth, Brgermeister. [Rechts: Geleitwort Carl Henss] Der Bitte des Herrn Brgermeisters um Abfasssung einer Festschrift zur 650-Jahr-Feier der Stadt Windecken habe ich gerne entsprochen. Nachdem ich mich schon lange eingehend mit der Geschichte unseres St„dtchens befaát habe und mancherlei daraus ver”ffentlicht habe, ist es mir eine Freude und Genugtuung, gewissermaáen als Abschluá meiner T„tigkeit auf diesem Gebiete aus besonderem Anlaá das zusammenzustellen, was mir als bemerkenswert und bedeutungsvoll aus der Vergangenheit erschien und geeignet sein drfte, in sie einzufhren, zugleich aber auch zu zeigen, wie auch die engere Heimat an dem Erleben und der Geschichte des ganzen deutschen Volkes teil hat. M”ge das Gebotene, das bei der Flle des vorhandenen Materials keinen Anspruch auf Vollst„ndigkeit erhebt, freundlich und nachsichtig von allen Lesern aufgenommen werden ! Die Abbildungen m”gen den Text untersttzen; ich freue mich, auch solche bringen zu k”nnen, die, wie die Zeichnungen des Frankfurter Senators Dr. Usener (1776 - 1867) im Stadtgeschichtlichen Museum zu Frankfurt, noch nicht ver”ffentlicht und bekannt wurden. Herzlichster Dank sei auch von mir allen denen gesagt, die ihr Interesse an dem Erscheinen des Bchleins durch die Tat bekundeten. Windecken, im Mai 1938. Dr. theol. Carl Hená, Metropolitan und Kreispfarrer i. R. --------------------- [Links: leer] [Rechts: Seite 7] Aus Windeckens Vergangenheit I. Windecken von der Mitte des 9. bis Ende des 13. Jahrhunderts Verleihung der Stadtrechte an Windecken In einer um das Jahr 850 anzusetzenden urkundlichen Aufzeichnung wird Windecken zum ersten Male erw„hnt. Danach hat ein gewisser Udalrich, wohl ein verm”gender Edler, seine Gter in "Tezelenheim", Ostheim und Butenestat dem hl. Bonifatius, das ist dem Kloster Fulda, bergeben. Ungef„hr 150 Jahre sp„ter erscheint in einem Zinsregister des Klosters Seligenstadt der Name "Decilenheim". Tezelenheim ist der ursprngliche Name von Windecken, der sp„ter durch den heutigen verdr„ngt wurde. In unserem landschaftlich zusammenh„ngenden Gebiet gibt es eine verh„ltnism„áig groáe Anzahl von Ortsnamen, die auf "heim" endigen; sie sind gemein-germanisch, und ihre Anwendung geschah vorwiegend in der Zeit der V”lkerwanderung; sie finden sich weit und breit den Wanderungen der Sueben entsprechend von dem oberen Lauf des Rheins und seiner Seitent„ler bis zu seiner Mndung, ja bis zur Donau und nach B”hmen - im Mittelalter noch "B”heim" genannt - hinein. Die Ortsbezeichnung "Dezelenheim" leitet sich wohl von dem Personennamen Tezelin her. Aus den „lteren Urkunden erfahren wir, daá Erwin von Cransberg, Burggraf zu Friedberg, unter anderen Gtern und Einknften auch solche zu "Decelnheim" an das Kloster Schlchtern gegeben habe; Abt Dietrich von Schlchtern berl„át 1226 (?) dem Ritter Eberwin von Werheim und seiner Frau auf Lebenszeit gegen Zins Gter zu "Decelnheim"; 1234 berl„át Richwin und Wiegand von Guntershausen dem Kloster Haina auf Gter in "Decelnheim" und 1251 verkauft das Kloster Meerholz den Antonitern zu Roádorf seine Gter zu Roádorf und "Detzelheim". Im Jahre 1277 berl„át Gernand von M”rle dem Kloster Arnsburg seine Gter zu Wickstadt gegen andere Gter, darunter "ind Wunnecken" einige; hier tritt uns zum ersten Male urkundlich bezeugt die Ortsbezeichnung "Wunnecken" entgegen, aus der sp„ter "Windecken" wurde; die muá wohl schon [Links: Seite 8] einige Zeit neben der alten "Tezelenheim" gebr„uchlich gewesen sein und findet sich dann auch in der Urkunde betr. Verleihung der Stadtgerechtsame vom 5. August 1288. Nach einer am 18.Mai 1016 zu M”rfelden ausgestellten Urkunde schenkte Kaiser Heinrich II. der Bamberger Kirche sein Eigengut Ostheim in der Wetterau, in der Grafschaft Ottos gelegen, mit allen Zubeh”rungen, die genannt werden m”gen, W„ldern, Weiden, Wiesen, Feldern, Gew„ssern, Weinbergen, den H”rigen beiderlei Geschlechts, Mhlen usw. Damals wird auch Windecken aus dem Besitz des Kaisers in den des Bischofs zu Bamberg bergegangen sein. Die Nichterw„hnung Windeckens (Tezelnheims) in der Schenkungskurkunde erkl„rt sich wohl daraus, daá Ostheim damals das bedeutendere war und Windecken mit ihm verbunden. Das Filial Windecken folgte Ostheim nach. 1239 bekennt Heinrich von Hanau, daá ihm der Bischof von Bamberg seinen Besitz zu Stierstadt zu Lehen aufgetragen habe und dafr die bisch”flichen Einknfte in Ostheim und Windecken vier Jahre lang genieáen solle. Im Jahre 1260 bezeugen Reinhard und Adelheid von Hanau, daá ihnen Bischof Berthold von Bamberg die Gter des Stifts zu Ostheim und Tezelnheim wiederl”slich verpf„ndet habe, ausgenommen das Kirchenlehen zu Ostheim. Zwei Jahre sp„ter, am 12. Dezember 1262, belehnte Bischof Berthold von Bamberg den Herren Reinhard von Hanau mit allen Stiftsgtern zu Ostheim und Windecken. Als Lehen vom Stift Bamberg gilt demnach Windecken Stadt und Burg samt Zubeh”r, d. h. dem Dinghof, dem Kirchplatz, der Gerechtigkeit aller Alt„re und Gotteslehen. Der Lehnsbrief von 1401 nennt als Bamberger Lehen: "Die Burg und Stadt Wonneckin, das Dorf zu Ostheim mit allen ihren Zubeh”rungen". Die Lehensverh„ltnisse Bamberg-Windecken war man sich auch sp„ter noch bewuát: Als die Herrschaft Hanau 1502 in Windecken ein Landgericht begrndete, trug sie Bedenken, ob man gut tue, als Sitz eines solchen einen von Bamberg lehensrhrigen Ort zu w„hlen, und als die Linie der Grafen Hanau-Mnzenberg ausgestorben war, wollte man offenbar von Bamberg aus weitergehende Lehnrechte an Windecken geltend machen, denn im Presbyterialprotokoll vom 2. Februar 1642 wird vermerkt, es seien von Bamberg Ploraten angeschlagen (Geschrei erhoben), die die staatlichen und kirchlichen Verh„ltnisse betreffen m”chten; man hielt fr n”tig, die Sache durch Abgeordnete aus Hanau zu urgieren, darauf bei Zeiten zu gedenken, damit die Kirch im Esse (gegenw„rtigen Zustand) bleiben m”ge. [Rechts: Seite 9] In kirchlicher und politischer Beziehung waren Ostheim und Windecken lange miteinander verbunden, und von unvordenklichen Zeiten her bis in die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts bildeten sie in bezug auf den Wald und einzelne Nutzungen eine Marktgenossenschaft. [Foto] Majest„tssiegel von 1288 Foto Marburg Am 5. August 1288 bewilligte K”nig Rudolf von Habsburg auf Bitten Ulrichs von Hanau dem Orte Windecken die Freiheiten Frankfurts und einen Wochenmarkt. Damit trat Windecken in den Kreis mittelalterlicher St„dte, die sich von anderen Orten schon „uáerlich durch eine Ringmauer unterschieden. Die zu Basel ausgestellte Urkunde hat folgenden Wortlaut: [Schrift: Times o.„. statt Fraktur] "Rudolfus dei gracia Romanorum rex sember augustus. Universis sacri imperii Romani fidelibus presentes litteras inspecturis, graciam suam et omne bonum. Dignum iudicat nostra serenitas, ut quos maiora nobis fidelitatis ac devocionis commendat obsequia, ampliora merenatur beneficencie et gracie munera reportare. Hinc est, quod nos attendentes merita nobilis viri Ulrici de Hanouwe fidelis nostri dilecti suisque precibus benignum prebentes assensum oppidum suum [Links: Seite 10] Wunecke libertamus atque eidem oppido auctoriatate nostra regia eadem libertatis iura concedimus, quibus civitas nostra Frankenvort gaudet et hactenus est gavisa. Insuper nos collocato pre oculis reipiblice bono statu in dicto oppido Wunecke septimanale forum singulis feriis quintis duximus edicendum, volentes et presenti edicto mandantes, quod omnes et singuli, qui ad dictum forum pro empcionis et vendicionis commercio exercendo confluxerint, cum personis et rebus veniendo, morando et revertendo nostra et imperii protectionecongaudeant et forensium privilegio libertatum. In cuius rei testimonium praesens scriptum exinde conscribi et maiestratis nostre sigillo iussimus communiri, Datum Basilee, nonas Augusti, indictione prima, anno domini MCCLXXX octavo, regni vero nostri anno quinto decimo." [Fraktur an] Ins Deutsche bertragen lautet die Urkunde: "Rudolf, von Gottes Gnaden R”mischer K”nig, allzeit Mehrer (des Reichs), entbietet allen Getreuen des heiligen R”mischen Reiches, die diesen vorliegenden Brief einsehen, seine Gnade und alles Gute. Wir halten es gnstig geneigt fr geziemend, daá diejenigen fernere Gaben des Wohlwollens und der Gnade zu erlangen verdienen, die sich Uns durch gr”áere Gehorsamsleistungen der Treue und Ergebenheit empfehlen. Daher bercksichtigen Wir die Verdienste des edlen Herrn Ulrich von Hanau, Unseres getreuen und geliebten, und begaben auf seine Bitten unter Gew„hrung Unserer wohlwollenden Zustimmung seine Stadt Wunecke mit Freiheiten, verliehen auch dieser Stadt kraft Unserer k”niglichen Autorit„t dieselben Freiheitsrechte, deren sich Unsere Brgerschaft Frankfurt erfreut und bisher zu erfreuen hatte. Nachdem uns weiter der gute Stand des Gemeinwesens in der besagten Stadt Wunnecke vor Augen gestellt ist, haben Wir dafr gehalten, daá ein Wochenmarkt je an den fnften Wochentagen angeordnet werde, in dem Wir wollen und durch diese Verordnung befehlen, daá alle und jede, die zu dem besagten Markte zur Ausbung des Handels in Kauf und Verkauf zusammenkommen, fr ihre Person und ihre Sachen beim Kommen, Verweilen und der Rckkehr sich Unseres und des Reiches Schutzes und des Privilegiums der Marktfreiheiten erfreuen. Zur Best„tigung dessen haben Wir diese Urkunde aufsetzen und mit Unserem Majest„tssiegel versehen lassen. Gegeben zu Basel, an den Nonen des Augusts, in der ersten Indication im Jahre des Herrn 1288, dem 15. Jahre unseres K”nigtums. [Rechts: Seite 11] II. Die Bedeutung der Verleihung der Stadtgerechtigkeit Bekanntlich fhrt man die deutschen St„dtegrndungen auf K”nig Heinrich I. zurck, der zum Schutz gegen die das Land berflutenden und ausraubenden Horden der Ungarn St„dte anlegte und jeden zehnten Mann in sie zu ziehen zwang. Hierbei darf man freilich nicht bersehen, daá es auch schon vor ihm, namentlich im Sden und Westen Deutschlands (genannt seien nur Augsburg, Mainz und K”ln), St„dte gab fr die die einstigen R”merst„dte den Rahmen hergegeben hatten. Freilich hatte sich in ihnen, soweit sie nicht untergegangen waren, die r”mische Munizipalverfassung nicht erhalten, sondern sie waren, der l„ndlichen Gemeinde- und Gerichtsverfassung der Deutschen unterwerfen, rechtlich nicht als einfache Dorfgemeinden, wenn sie auch im wirtschaftlichen und tats„chlichen Sinne immer St„dte geblieben waren. So unterscheiden sich in der fr„nkischen Zeit die St„dte von den D”rfern lediglich durch die Art ihrer Anlage und des Zusammenwohnens ihrer Bewohner, nicht aber durch eine verschiedene kommunale Verfassung. Die mittelalterlichen germanischen Ansiedelungen nach St„dteart haben sich im Anschluá an k”nigliche Pfalzen, bisch”fliche Residenzen oder, besonders unter Heinrich I., dem sog. St„dtegrnder, an Burgen, d. h. befestigte Pl„tze, entwickelt. Planm„áige St„dtegrndungen, wobei die neuen Ansiedelungen mit besonderen st„dtischen Vorrrechten und selbstst„ndigen Verfassungen nach dem Muster bereits bestehender "bewidmet" wurden, treffen wir erst seit dem 12. Jahrhunderrt, besonders in Norddeutschland, an (sog. St„dte mit wilder Wurzel). Die Entwicklung einer Ansiedlung zur Stadt ging in der Regel nur allm„hlich vor sich. W„hrend so das deutsche St„dtewesen, das auáer Zusammenhang mit der r”mischen Stadtverfasssung erwuchs, im 10. Jahrhundert seinen Anhang nimmt, finden wir bereitss im folgenden Jahrhundert eine Reihe deutscher St„dte, deutscher Brgerschaften; der Ausdruck "Brger" (burgenses) kommt urkundlich vor, und st„dtische Privilegien werden erteilt. Von jetzt an bis zum Anfang des 13. Jarhunderts gewinnt das deutsche St„dtewesen immer bestimmteres Formen; es bildet sich ein fester Begriff der Stadtverfassung aus. Man kann die St„ste bestimmen als befestigte, des vollen Marktrechtes teilhaftige, [Links: Seite 12] zusammenh„ngende Ansiedlungen mit eigener Gerichtsbarkeit. Hierzu kam sp„ter noch das Moment der korporativen Selbstverwaltung. Von Bedeutung ist zun„chst die Marktgerechtigkeit. In der Stadt besteht ein Markt, wenn auch die Gemeinde nicht immer selbst Herrin des Marktes ist. Als Symbol der Marktgerechtigkeit wird ein Kreuz, das sog. Marktkreuz, dauernd aufgestellt, das in den zu Marktflecken sich entwickelnden D”rfern nur w„hrend des Marktes selbst errichtet wurde. Mit dem Markt h„ngt weidter die Gerichtsbarkeit zusammen. Fr etwa entstehende Streitigkeiten muáte die M”glichkeit sofortiger Erledigung gegeben sein. Es war deshalb fr die St„dte „uáerst wichtig, eigene Gerichte zu haben. Fr das Stadtgebiet war darum ein besonderer Stadtgerichtsbezirk vorhanden. Die "Stadt" ist endlich in bezuig auf die ”ffentlichen, die milit„rischen und finanziellen Leistungen und Pflichten vor dem platten Lande bevorzugt; sie genieát teilweise oder auch ganze Zollfreiheit an den Zollst„tten des Landesherren, in dessen Territorium sie liegt; sie ist von der landesherrlichen "Bede" (der „ltesten deutschen Steuer) befreit oder zahlt wenigstens (wie es meiástens der Fall ist) nur einen festen Satz. Es gibt Orte, die wohl einen Markt haben, aber nicht befestigt sind, und die eben darum nicht als Stadt angesehen werden. Es gibt Landesgemeinden, die Bedefreiheit genieáen, jedoch immer Landgemeinden bleiben, weil sie nicht auch die anderen Eigenschaften erwerben. Erst die Vereinigung jener Kriterien schafft die Stadt. Die Wichtigkeit jener Momente fr die Entstehung der deutschen St„dte veranschaulichen uns einige technische Ausdrcke. Vor allem unser Wort "Brger" ist nichts anderes als die Bezeichnung der Bewohner der befestigten Ortschaft, die in der „lteren Zeit "Burg" genannt wurde. Der Zusammenhang zwischen Markt und Stadt findet ferner einen pr„gnanten Beleg in dem Wort "Marktrecht", das h„ufig im Sinn von Stadtrecht vorkommt. Wenn endlich in den Urkunden von der "st„dtischen Freiheit" die Rede ist, so wird dabei oft ganz speziell an die Bedefreiheit gedacht. Wie man sieht, sind es Vorrechte, die die Stadtgemeinde vor der Landgemeinde, den Brger vor dem Landmann auszeichnen. Die Priveligierung ist berhaupt das Kennzeichen der mittelalterlichen Stadt (vgl. v. Below, Das „ltere deutsche St„dtewesen und Brgertum). Was veranlaáte nun einen Grund- oder Lehensherren, sich um die Erhebung einer Landgemeinde zur Stadt zu bemhen ? Aus dem [Rechts: Seite 13] Vorstehenden geht doch hervor, daá die Macht des Territorialherrn ber eine nach l„ndlicher Verfassung lebende Gemeinde gr”áer sein muáste als ber eine mit Stadtrecht begabte, die ohnedies, einmal in den Besitz gewisser Vorrechte gelangt, das Bestreben zeigen muáte, ihre Privilegien zu erweitern und auf Vergr”áerung ihrer Selbstst„ndigkeit zu dringen. Wenn damals fast jeder Landesherr danach strebte, St„dte in seinem Territorium zu hgaben, wenn er dafr sorgte, daá einzelne Gemeinden und D”rfer durch Privilegien Stadtrechte erhielten, so muá er doch seinen Vorteil darin gesucht und gefunden haben. Und in der Tat war es auch so. Die dem Landesherren zustehenden Z”lle warfen gr”áere Ertr„ge ab, wenn fremde Kaufleute zu den M„rkten seiner St„dte zogen. Wenn auch auf den in erster Linie dem Austausch mit der umwohnenden Landbev”lkerung dienenden Wochenm„rkten eine Art Freihandel gestattet war, so war dieser doch nicht unbeschr„nkt, denn hier blieb immer der einheimische Produzent vor dem ausw„rtigen bevorzugt, und der allgemeine Wohlstand muáte dadurch gef”rdert werde. So bildeten sich wohlhabende Brgerschaften, die in der Lage waren, den Landesherren in seinen Geldverlegenheiten zu untersttzen. So finden wir denn in jener Zeit bei fast allen Dynasten das Bestreben, entweder St„dte von wilter Wurzel ins Leben zu rufen oder bereits bestehenden Kommunen das Stadtrecht zu verschaffen. Auch die kleinsten Herren wollten wenigstens ein St„dtchen haben, und teilweise machte sich ein wahres St„dtegrndungsfieber geltend. So verschaffte Ulrich I. von Hanau 1288 dem Ort Wunnecken die Freiheiten Frankfurts und einen Wochenmarkt; 1303 wird Hanau zur Stadt erhoben, und 1368 gew„hrte K”nig Karl IV. bei seiner Anwesenheit in Frankfurt dem Herrn Ulrich III. von Hanau fr seine D”rfer Bruchk”bel, Mark”bel, Dorfelden und Schafheim die Rechte und Freiheiten von Windecken und Hanau und gestattete ihm, sie zu St„dten zu machen und mit Mauern und Gr„ben, Trmen und Toren und auf jegliche andere ihm gut dnkende Weise zu befestigen. Von den Stadtrechten wurde hier jedoch kein Gebrauch gemacht, wenn auch Mark”bel z.B. mit einer Mauer, Bruchk”bel mit einem noch in der neueren Zeit vorhandenen nassen Graben umgeben wurde. So ist manche Stadtgrndung miáglckt. Der Ort, der mit einer Befestigung und Marktgerechtigkeit ausgestattet wurde, ist trotzdem manchmal tats„chlich nichts als eine Landgemeinde geblieben: zur Ausgestaltung eines Dorfes [Links: Seite 14] oder einer Ansiedelung zur Stadt geh”rt eben mehr Als eine Urkunde und guter Wille. Ohne Zweifel hat man sich bei den ersten germanischen Stadtgrndungen an ein bereits vorhandenes Muster angeschlossen, und dies werden die aus den R”merst„dten erwachsenen „ltesten deutschen St„dte gewesen ssein; fr die sp„tere Zeit haben wir fr diese Gepflogenheit viele urkundliche Belege. Die der zu bewidmenden Ortschaft erteilte Stadtrechtsurkunde ist entweder nach der einer anderen Kommune gearbeitet oder sie spricht S„tze aus, die bereits in einer „lteren Stadt in Geldung waren. Die „ltesten Bestandteile der St„dterechte waren die ursprnglich erteilten Privilegien. Die Fortbildung des Rechts erfolgte durch die Urteile und Weistmer (Rechtsbelehrungen) des Stadtgerichts und des fr verschiedene St„dte gleichen Rechts gemeinschaftlichen oberen Gerichtshofs (Oberhofs), die dann gesammelt und wie Gesetze bei sp„teren „hnlichen F„llen zugrunde gelegt wurden. Die so aus Privilegien, Statuten, Urteilen und Weistmern sich zusammensetzenden Stadtrechte kamen durch die Bewidmung anderer St„dte vielfach zu einer auáerordentlichen Verbreitung. So entstanden groáe, durch die Gmeinsamkeit des Stadtrechts verbundene St„dtegruppen oder St„dtefamilien. Indem also K”nig Rudolf an Windecken die Freiheiten Frankfurts verlieh, wurde das letztere in bezug auf das Recht die Mutterstadt des ersteren. Am 18. August 1351 erneuerte K”nig Karl IV. auf Bitten Ulrichs von Hanau die Verleihung Frankfurterischen Rechts an die St„dte Hanau, Babenhausen und Windecken und verlieh ihnen und ihren Brgern, den Erben und allen ihren Nachkommen ewiglich aus besonderen k”niglichen Gnaden, daá sie frbaá sitzen sollen und allen den Rechten, Freiheiten und guten Gewohnheiten, darin die Brger von Frankfurt bisher gesessen haben und noch inne sitzen, und daá sie derselben in allen ihren Sachen genieáen und gebrauchen, und best„tigte ihnen auch dieselben Rechte, Freiheit und gute Gewohnheit und gab ihnen diese von neuem. Niemand sollte sie darin hindern oder irren noch in irgendeiner Weise kr„nken. [Rechts: Seite 15] III. Die Burg und Burgmannen zu Windecken; Ritter von Windecken; Stadtmauer und Befestigung; Verteidigung Zu den Merkmalen der mittelalterlichen Stadt geh”rt ihre Befestigung. W„hrend in der Stadtrechtsurkunde fr Idstein vom 3.Mai 1287 dem Grafen Adolf von Nassau gestattet wurde, in dem Flecken eine Befestigung zu errichten, und 1368 dem Herrn Ulrich III. von Hanau das Recht gegeben wurde, vier D”rfer auf jede ihm gut dnkende Weise zu befestigen, findet sich fr Windecken 1288 und Hanau 1301 keine derartige Bestimmung, weil an diesen beiden Orten schon Burgen vorhanden waren. Als Windecken 1260 in den Besitz der Herren von Hanau kam, fanden sie sicher auf der H”he des Schloábergs schon eine „ltere Anlage vor, die den šbergang ber die Nidder und den die obere mit der unteren Wetterau verbindenden uralten V”lkerweg beherrschte. Sie erkannten die gnstige Lage des Ortes und erbauten dort eine Burg, deren Entstehungszeit bald nach 1260 angesetzt werden kann. Hier residierten die Herren von Hanau bis zum Jahre 1436 st„ndig, um dann ihren Wohnsitz nach Hanau zu verlegen. Doch nahmen sie noch ”fters auf l„ngere Zeit hier Aufenthalt. Hier wurde 1417 Philipp der Žltere, der Stifter der Linie Hanau-Lichtenberg, 1449 Philipp der Jngere, der Stifter der Linie Hanau-Mnzenberg, und 1597 Charlotte Luise, die „lteste Tochter des Grafen Philipp Ludwig II., des Erbauers der Neustadt Hanau, geboren und am 4. September in Gegenwart h”her Frstlichkeiten, darunter der Kurfrstin von der Pfalz, in der Kirche getauft. Nach dem Tode des Grafen Philipp Ludwig II. diente die Burg seiner Witwe Catharina Belgia, der Tochter des niederl„ndischen Freiheitshelden Grafen Wilhelm von Nassau-Oranien, als Witwensitz. Im Jahre 1605 war der Graf mit der Kanzlei und dem Konsistorium der Pest in Hanau wegen hierher gezogen, und der Stiftungsbrief des Hanauer Gymnasiums von 1607 ist von Windecken datiert. 1542 wurde bedacht, ob man mit dem Bau, d. h. der Schloáerweiterung und Befestigung, sterbender L„uf und Sorge halben, solle in Ruhe stehen oder ob mit dem Bau solle fortgefahren werden. Nach dem im Staatsarchiv zu Marburg befindlichen Pl„nen von 1627 wurden Neubauten auf dem Schloá vorgenommen, an denen noch [Links: Seite 16] 1629 gearbeitet wurde, denn im Mai dieses Jahres wurde ein junger Mann von Niederzell bei Schlchtern, der mit anderen "allhier aufm Schloá am neuen Bau gearbeitet" hatte und ertrunken war, begraben. Die auf beherrschender H”he gelegene Burg muáte einen stattlichen Anblick geboten haben, denn der berhmte Frankfurter Kupferstecher Merian nennt sie "ein fein Schloá, lustig anzusehen". Bald schon sank sie in Trmmer: Am 15. Mai 1635 plnderten und zerst”rten Kroaten das Schloá, das, soweit noch erhalten, am 27. November 1646 beim šberfall der Stadt durch das schwedische Regiment Schmidberger vollends der Vernichtung anheimfiel; auf dem Stadtplan von 1727 wird nur der "Grund des zerfallenen Schkoágeb„u" angegeben. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts wurde das jetzige Amtsgerichtsgeb„ude auf den aus dem Mittelalter stammenden Grundmauern aufgefhrt. Von der „lteren Anlage ist wesentlich nur erhalten das innere Burgtor, der Eingang zum Amtsgericht, das ber dem Portal das alte Hanauer Wappen mit dem halben Schwan zeigt und aus dem 14. Jahrhundert stammt. Die ursprngliche Anlage ist noch deutlich mit der Vorburg und ihren einst starken Befestigungen zu erkennen. Ist aber auch das Alte dahingesunken und k”nnen wir nur mhsam uns das einst Glanzvolle vergegenw„rtigen, eins ist uns geblieben, die wunderbar sch”ne Sicht vom alten Schloá hinaus in die Ferne nach den H”hen des Taunus und ber die gesegneten Fluren der Heimat, und wir genieáen mit Entzcken denselben Blick in die Weite, an dem sich die vergangenen Geschlechter erfreuten und der uns die Bezeichnung der Burg als "Wonnecken" erkl„rlich macht. Ihr Name wurde auf die unter ihrem Schutze liegende Ansiedelung bertragen und verdr„ngte die alte Bezeichnung, die seit Erteilung der Stadtrechte 1288 nicht mehr urkundlich erscheint. Im 16. Jahrhundert tritt die Bezeichnung Windecken auf und setzt sich allm„hlich durch. Eine Reihe von Mitgliedern angesehener Adels- und Ritterfamilien finden wir allein bis zum Ende des 14. Jahrhunderts als Burgmannen, die auf Grund ihnen gewordener Lehen oder zugewiesener Einknfte der Herrschaft Hanau zur Verteidigung der Burg verpflichtet waren: Gotzhold von Ilbenstadt 1262; Eberhard von Heldenbergen 1266; Hermann Halber 1307; Heinrich von Langt 1338; Eppechin Fende 1352; Hartmud von Bches 1352; Heinrich und Werner von Karben 1353; Winrich und Bingele von Langenau 1354; Ulrich von Cronberg 1358; Helfrich von Dorfelden 1364; Galle von Sonnenberg 1366; Gottfried von Stockheim [Rechts: Tafel II Burg Windecken im 16. Jahrhundert] [Links: Tafel III Inneres Burgtor] [Rechts: Seite 17] 1371; Wilderich und Gottfried von Waldersdorf 1372; Hermann von Hochweisel 1374; Ditmar von Girmes 1375; Heinrich Motz von Buchen 1354; Endrys Schenk von Binsfurt 1359; Meingoz von Ddelsheim 1377; Henne von Erbstadt 1381; Wigand von Erfurtshausen 1381; Walther von Lundorf 1381; Johann von Linden 1384; Johann und Cuno von Reiffenberg 1376; Johann von Dernbach 1379; Henn von Hatzstein 1399. Auáer diesen Genannten treffen wir im Mittelalter in Windecken eingesessene Ritter, die Herren von Detzelnheim oder Ritter von Windecken genannt; ferner die Ritterfamilien Furhulze und Hudeler. Werner von Dezzelnheim, auch Ritter zu Bergen, kommt von 1245 bis 1274 vor; Diderich von Detzelheim 1247; Marquard von Detzelheim 1255; Petrus von Detzelheim 1247 bis 1277. Die Furhulze, Ritter von Windecken, zuerst 1313 erw„hnt, kommen noch am Ende des 14. Jahrhunderts vor; denn 1389 sagt Heinz Furhulze als Helfer Ulrichs von Hanau der Stadt Frankfurt Fehde an; 1348 wird Konrad Hudeler, ein Edelknecht von Wynnecke, genannt; diese Familie scheint 1398 im Mannesstamm ausgestorben zu sein, denn am 22. Juli 1398 belehnt Ulrich von Hanau Volbrecht Forstmeister von Gelnhausen mit dem Lehen, die Johann Hudeler sel. in Wonnecken und sonst besaá und die Johanns Witwe Hille ihr Leben innehaben sollte. Bei der bekannten ”ffentlichen Unsicherheit in jener Zeit konne eine Ortschaft, die durch ihren Markt dem Handel und dem Gewerbe eine Sttze geben wollte, des Schutzes der Befestigung nicht entbehren. Als den ursprnglichen Kern von Windecken haben wir den eng begrenzten Raum anzusehen, der von der Kirchgasse (jetzt Friedberger Straáe), der Hospitalgasse (vgl. Taf. VIII) und der Fahrgasse oder Hauptstraáe umschlossen wird und mindestens bis ins 13. Jahrhundert das alte Tetzelnheim darstellt. Sp„tere Ansiedelungen finden wir um den Schloáberg und am Marktplatz. Die Stadt Windecken zeigt den echten Typus einer aus einem Straáendorf entstehenden Stadtanlage. Die Stadtmauer wird wohl gleich am Ende des 13. Jahrhunderts und Anfang des 14. Jahrhunderts erbaut worden sein; in St„rke von 1,75 Meter und einer H”he von teilweise 10 bis 12 Mehter ist sie noch stckweise erhalten und l„át auch an einer Stelle den einst gedeckten Wehrgang erkennen. Sie umschloá ursprnglich viele unbebaute Grundstcke und bot Raum zu weiteren Ansiedelungen. Der Raum, den die Stadtmauer umschloá, hat ohne die Schloáanlage etwa 125 Ruten L„nge und 50 Ruten Breite (die Rute 12 1/2 Hanauer Werkschuh = 376,6 cm) und dieser Raum reichte ber 500 Jahre, von ungef„hr 1300 an, fr die Bewohnerzahl von Windecken aus, denn erst von etwa 1830 an oder kurz vorher dehnte sich die Stadt ber die Mauern hinaus aus. Der von der Ringmauer umschlossene Raum sollte offensichtlich die M”glichkeit zu weiteren Ansiedelungen bieten. Eine Stadterweiterung scheint nicht Stadtgefunden zu haben, es máte denn der westliche Teil nach dem Kilianst„dter Tore zu vom "Neuen Brunnen" an bis zur Mauer eine Erweiterung, vielleicht aus dem 16. Jahrhundert, sein, wofr die Regelm„áigkeit der Anlage, die gerade verlaufenden Gassen von der Sd- nach der Nordmauer, die scharfe Ausbiegung der Stadtmauer, die in einem Bogen nach Sden zieht, an der Nidderseite u.a. mehr zu sprechen scheinen. Im Sden, Sdwesten und Nordwesten finden wir den Stadtzwinger, auch Schieágraben genannt, weil die Stadtschtzen frher hier ihre Schieábungen abhielten. Schon bald nach Erteilung der Stadtrechte drfte sich hier eine Schtzengesellschaft gebildet haben, aber erst 1454 erfahren wir davon, als Graf Phillipp der Žltere den Schtzen zu Hanau, Babenhausen und Windecken eine Ordnung gab. Das Judenviertel, denn ein solches ist die Judengasse, in einem Winkel an der ”stlichen Stadtmauer gelegen, f„llt durch die Regelm„áigkeit der Anlage seiner kleinen Grundstcke und Gassen auf und scheint um die Zeit der Errichtung der Mauer zugewiesen zu sein. An Trmen seien genannt der "Hexenturm" und der "Judenturm", der im 18. und 19. Jahrhundert als Gef„ngnis diente. Den Eingang in die Stadt vermittelten drei Tore, das Kilianst„dter, das Ostheimer und das Heldenberger Tor. Das letztere sicherte zugleich den šbergang ber die uralte Nidderbrcke, an deren Stelle die 1580 von dem Hanauer aus Herborn stammenden Rstwart Sebastian Weigel erbaute neuere trat. Sebastian Weigel war von der Herrschaft 1562 zum Schultheiáen angenommen und ist am 28. Oktober 1584 an dem Schlag j„hlings auf dem Rahtaus gestorben. Sein Name wird durch einen beim Abbruch der alten Brcke aufgefundenen, an der neuen 1933 erbauten angebrachten Stein der Nachwelt erhalten. "Die Verteidigung der Stadt lag in den H„nden der Brger. Nach dem Grundsatz der allgemeinen Wehrpflicht muáte jeder Brger der Schtzengesellschaft beitreten und im Falle der Not den Wachdienst versehen, w„hrend er fr die Herrschaft nur einen Tag - mit 'der Sonne aus' und 'der Sonne wieder ein' - Heerespflicht zu leisten, d. h. auáerhalb der Stadt an einem Kriegszug teilzunehmen brauchte. [Rechts: Seite 19] Die umwohnenden Landsassen, die Dorfbewohner, hatten Heerfolge der Herrschaft so lange zu leisten, wie diese es befahl, und hierin lag der groáe Unterschied zwischen Stadt und Land, Brger und Bauer, den St„dtern und den 'armen Leuten', wie man die h”rigen Landbewohner nannte (Zimmermann, Hanau Stadt und Land; Seite LVIff.). Im Jahre 1587 wurde ein Verzeichnis der bewehrten Mannschaft zu Windecken aufgenommen; es werden genannnt 60 Bchsenschtzen mit ihren Sturmhten samt Seitenwehren; 25 Bchsenschtzen so Harnsisch mit derselben Zugeh”hr gaben sollen; 12, so Federspieáe und auch Harnisch haben sollen; 27 andere Brger, so nit zur Bchsen gesatzt, sollen ihre Spies und Sturmhte haben; zusammen 124 Mann; ber die Sch”ffen wird bemerkt: sollen ihre Rstung zue n”then und welche verm”glich zu gebrauchen haben. E r l „ u t e r u n g e n z u m S t a d t p l a n v o n 1727 (Abbildung siehe Seite 20) [Kleinschift, Satz und Umbruch wie hier angegeben] Nr. 1: Ostheimer Tor, abgebrochen 1835. - Nr. 2: Kilianst„dter Tor. - Nr. 3: Heldenberger Tor; beide 1827 (?) abgebrochen. - Nr. 4: Wachthaus am "Goldenen L”wen". - Nr. 5: Brcke am Rathauss ber die Katzbach. - Nr. 6 : Synagoge. - Nr. 7: Kochbrunnen. - Nr. 8: Marktbrunnen. - Nr. 9: Kleiner Brunnen. - Nr. 10: Neuer Brunnen. - Nr. 11: Schafstall. - Nr. 12: Desgleichen. - Nr. 13: Fruchthaus. - Nr. 14: Brunnen bei der Linde. - Nr. 15: Platz des zweiten Gieáhausess der Bachschen Glockengieáerei; bestand bis 1888; dass andere kleinere Gieáhaus war im Garten des Bachschen Besitztums, im sog. Pflcksburger Hof. - Die alte Linde im Schloáhof ist 1904 umgestrzt. Die Lutherische Kirche, erbaut 1720, wurde 1834 abgebrochen. Der Amtshof zeigt die Jahreszahl 1586 ber dem Torbogen sowie die Initialen PLA nebst einem Wappenschild, das ein Lamm zeigt, woher das Haus sp„ter "das L„mmchen" genannt wurde. Sein Erbauer, Paul Ludwig aus Assenheim, war damals Hanauischer Keller und fhrte in seinem Wappensiegel ein Lamm. Der Pflcksburger Hof war 1703 von dem Hochmller Stoffel an den Hanauischen Oberstallmeister Wilhelm Kalen von Pflcksburg verkauf und ging um die Mitte des 18. Jahrhunderts in den Besitz der Glocken- gieáerfamilie Bach ber. Der Stadtzwinger wird auch "Schieágraben" genannt, weil hier die Stadtschtzen ihre Schieábungen abhielten. Die frher offenen Hallen unter den H„usern des Marktes sind nicht mehr vohanden. Unter den 1727 vorhandenen 211 bebauten Geb„uden mssen etwa 100 Grundstcke ohne Wohngeb„ude gewesen sein. [Links: Seite 20, Quer: Plan der Stadt Windecken um 1727] [Rechts: Seite 21] IV. Stadtverfassung und Verwaltung Stadtgericht und Landgericht zu Windecken šber die „lteste Stadtverfassung zu Windecken kann nur wenig gesagt werden; gegenber dem Dorf hatte die Stadt als K”rperschaft gr”áere Unabh„ngigkeit in Gemeindeangelegenheiten und gr”áeren Reichtum der Gemeindeeinrichtungen, besonders der Gemeindeorgane. Doch waren auch diese in der „lteren Zeit noch ziemlich einfach. An der Spitze der Stadtverwaltung stand der vom Landesherren ernannte Schultheiá, der wichtigste Exekutionsbeamte der Herrschaft. Manchmal wurden ihm noch besondere Dienstobliegenheiten anvertraut. 1562 "ist Bastian Wiegel von Herborn zu einem Schultheiáen gent Windecken angenommen, inhalt seiner Bestallung auch die Rstkammer, Harnisch und Wehr zu Hanau zu versehen". Dem Schultheiá zur Seite standen die Sch”ffen, die Brgermeister und der Stadtschreiber. Die Herrschaft redete bei der Wahl der Sch”ffen mit. Ihr Amt war lebensl„nglich. War einer aus ihrer Mitte gestorben, so suchten die brigen und der Schultheiá etliche Personen, so sie tchtig zur selben Ehr und Amt achteten, aus und schlugen diese der Herrschaft zur Auswahl und Best„tigung vor. Aus den Sch”ffen wurden die Brgermeister, der „ltere und jngere, gew„hlt, deren Amt je nur ein oder zwei Jahre dauerte. Die Brgermeister hatten die Rechnungen zu fhren, die Bede- und Satzungslisten anzufertigen und darauf zu achten, daá diese Listen und die Zinsregister sich stets in guter Ordnung befanden, sowie berhaupt fr richtige Einnahme und Ausgabe zu sorgen. Den Stadt- und Gerichtsschreiber ernannte die Herrschaft. Der Jahressold des Stadtschreibers war 1538 10 Gulden; um 1600 dagegen 17 Gulden, auáerdem eine Reihe kleinerer Bezge, die ungef„hr gerade soviel ausmachten, und besondere Nutzungen. Schultheiá, Sch”ffen, worunter zwei Brgermeister, und Stadtschreiber bildeten das Stadtgericht und den Rat der Stadt. Des st„dtischen Dieners, des Stadtknechts, sei noch kurz gedacht. Er hatte sein Amt treulich zu versehen, es sei zu Tag oder Nacht, bei Auflauf oder Feuersbrunst, daá die Glocken gel„utet und dei Tore zugehalten wrden, un derzeit solches anzuzeigen. Er sollte die Gefangenen, sonderlich so um Leib oder Leben gefangen sitzen, zum besten verwahren, die Tren wohl zuzuschlieáen und niemand zu ihnen lassen. Er hatte das Rathaus selbst zu verwahren und auch die W„chter gute Acht zu haben, daá sie ihre Wacht halten, auch sollte er dabei sein, wenn die Tore auf- oder zugeschlossen wrden; auáerdem hatte er auf das ordentliche Verhalten der Einwohner zu achten. Der st„dtische Haushalt erforderte in der „lteren Zeit wenig; es waren zu entlohnen der Stadtschreiber, der Stadtknecht, die Pf”rtner an den drei Toren, Feldschtzen und Nachtw„chter, die auáer geringen Bezgen noch Kleidung geliefert bekamen. [Bild] Windecker Siegel von 1377 Foto: Marburg Zur Bestreitung des Haushalts war die Stadt auf sog. Ungeld angewiesen. Damit die Stadt sich an Leuten und anderen Sachen wohl bessern und desto besser davon in redlichem Bau, Besserung und Wesen gehaltenund mit der Wacht und sonst anderen Sachen versorgt und ausgerichtet werde, und auch die Brger desto besser bei Nahrnung und Wesen bleiben m”chten, gestattete Graf Reinhard 1445 den Brgermeistern, Sch”ffen und der ganzen Gemeinde und ihren Nachkommen auf Widerruf, von jedem Achtel Korn oder Weizen, das in Windecken gemahlen, gebacken, gekauft oder verkauft wrde, neun alte Heller zu erheben, und von Sommerfrchten je die H„lfte, [Rechts: Seite 23] mit Ausnahme der nach Windecken gefhrten und daselbst gemahlenen Frucht. Auáerdem sollen die Ackerleute nach Gr”áe der bewirtschafteten Fl„che Landes an die Stadt Steuern zahlen; Priester und in Windecken wohnende Edelleute sollten vom Dienst und Bede von ihren Gotteslehen und Gtern frei sein. Eine Erg„nzung erfuhr diese Bestimmung in einer Urkunde des Grafen Philipp von 1453, wonach jeder geschworene Brger zu Windecken alle seine Frchte, die er auáerhalb Windeckens in einem Umkreis von zwei Meilen kaufe oder einnehme, nach Windeceken zu fhren hatte, um sie daselbst und nirgendwo anders auszuschtten, auf daá der Stadt ihr Ungeld davon gefalle und werde; kann ein Brger seine Frucht nicht nach Windecken fhren, der m”ge sie verkaufen, doch daá der Stadt ihr Ungeld davon werde. Auáderdem wurde noch ber den Verkauf von Wein durch Brger und Wirte und das hierfr zu zahlende Ungeld Bestimmung getroffen. Zur Unterhaltung der Wege erhob die Stadt ein Wegegeld. Alss das Kloster Ilbenstadt sich 1537 darber beschwerte, wurde ihm von Hanau der Bescheid, die Brger zu Windecken h„tten ein Weggeld, das jedermann zur Erhaltung der Wege geben msse, es sei dann jemand davon befreit; wenn das Kloster diese Freiheit h„tte und anzeige, wolle man sich der Gebhr vernehmen lassen, wo nicht, k”nne man seiner Bitte nicht stattgeben. Wie in Abschnitt II ausgefhrt, h„ngt mit der Marktgerechtigkeit die Gerichtsbarkeit zusammen. Die mittelalterliche Stadt bildete einen Gerichtsbezirk, im Gegensatz zur modernen Stadt, die nur Gemeinde ist. Nicht alle Bewohner der Stadt waren dem Stadtgericht unterworfen, sondern nur die Brger, zu denen wohl die Kaufleute und die freien Handwerker geh”rten, nicht aber die Geistlichen, die meist den Ministerialen (Dienstbaren) entnommenen Beamten des Stadtherren und die in der Stadt wohnenden H”rigen. Beim Stadtgericht waren nur am Orte selbst angesessene Personen die Urteilsfinder, die nach dem alten Herkommen und wenig Statuten ihren Spruch f„llten, und die Angeh”rigen der Stadtgemeinde hatten an dem Stadtgericht ihren ausschlieálichen Gerichtsstand und brauchten der Ladung an eine andere Dingst„tte nicht zu folgen. Gegen die Urteile des Stadtgerichtes konnte beim Grafen (Landgericht) appelliert werden, und zwar innerhalb Monatsfrist. Schultheiá und und Sch”ffen bildeten das Stadtgericht, dem auch die Grenzbegehung der Gemarkung oblag. Nach den Gerichtssitzungen fanden in der Regel Schmausereien statt, wobei genau vorgeschrieben war, wieviel auf die Tafel zu kommen hatte. [Links: Seite 24] Im Jahre 1502 wurde durch Graf Reinhard ein Landgericht zu Windecken eingerichtet, das dessen Ordnung folgendes mitgeteilt wird: Der Schultheiá zu Windecken soll als Richter den Stab in der Hand haben und das Gericht hegen von des gn„digen Herrn wegen, wie sichs gebhrt und zu Hanau am Landgericht gehalten wird. In der Sommerzeit sollen die Sch”ffen vormittags von 8 Uhr, im Winter von 9 Uhr an sitzen. Alle vier Wochen soll ein Landgericht gehalten werden. Der Schultheiá zu Windecken soll mitsamt den 10 Landsch”ffen und ihrem Schreiber aan allen Gerichtstagen einen Imbiá im Wirtshaus haben; die Kosten werden aus den Butzen bezahlt, und wenn die am Gericht t„tigen Personen wieder heimgehen, sollen sie einen ziemlichen Trunk, n„mlich ein Viertel Wein haben und ohne weitere Zehrung damit abscheiden. Die erkannten Buáen sollen durch die Rechenmeister mit dem Keller und dem Schreiber verzeichnet werden; zwei Drittel sollen dem gn„digen Herren und ein Drittel dem Landgericht zustehen. Von jedem gef„llten Urteil gebhrt dem Landgericht ein Vierteil Weins. Alle Jahre sollen zwei Landsch”ffen zur Aufhebung und Verrechnung der Gerichtsf„lle verordnet werden. Das Landgericht bte das peinliche Gericht aus; seine Sch”ffen wurden aus allen oder wenigstens den meisten Orten des Gerichtsbezirks gew„hlt. Der Keller, Amtskeller, war der Rentmeister, dem die Aufsicht ber das Staatseigentum und die Verwaltung der herrschaftlichen Einknfte bertragen war. Von "preinlichen F„llen", in denen es sich um Leib und Leben handelte, seien folgende erw„hnt: 1582 stirbt im Gef„ngnis ein Weib von Nauheim, das in der Tortur b”se Taten bekannt hatte, also der Zauberei angeklagt war; 1593 ist Anderssen Margreth im Gef„ngnis aufm Schloá (Hexenturm ?) (vgl. Taf. VI), darin sie getriebener und gestandener Zauberei wegen ber 3 Wochen gelegen, am Morgen tot gefunden worden, ist auf der Herrn R„t Befehl nach 2 Tagen durch den Nachrichter hinaus bis zur Wart gefhrt und von ihm begraben worden, denn auch ohne das sie daselbst hin, nach kurzen Tagen, auf ergangene Erkenntnis hat sollen gefhrt werden und ihren verdienten Lohn empfangen. Unter der Warte ist sicher der Platz beim Wartbaum zu verstehen. Die letzte Hexenverbrennung zu Windecken fand am 16. Mai 1682 statt. 1593 wird Heinrich Meyh von Gelnhausen zu K”bel gek”pft, obwohl er wegen eines Diebstahls von 270 Gulden gehenkt werden sollte; 1615 wird Ludwig Scheffer von Eichen wegen Diebstahls gek”pft. Im Jahre 1681 wurde ein neuer Galgen errichtet. [Rechts: Tafel IV Rathaus in Windecken] [Links: Tafel Va + Vb Das Schloátor in Windecken, Das Ostheimer Tor] [Rechts: Tafel VIa + VIb Aussicht bei Windecken, Das Hexentrmchen] [Links: Tafel VIIa + VIIb Das Schloátor, Im Schloá Windecken] [Rechts: Seite 25] [absatz] Im Jahre 1603 sah sich Graf Philipp Ludwig II. veranlaát, bei der Reformation der Gerichte des Amtes Windecken eine Taxe in Kriminalsachen festzusetzen, weil mit Zehrungen und anderen unn”tigen Unkosten seltsam gehaust worden. Als 1617 sich Brgermeister und Rat zu Windecken beschwerten, daá der Keller alle Stadt- und Landgerichtsbuáen von 10 Gulden und mehr allein fr die Herrschaft einn„hme und verrechne, was wider das alte Herkommen sei, verfgte die Gr„fin Catharina Belgia am 2. Mai 1617, daá es noch zur Zeit bei dem alten Herkommen verbleiben solle, damit die Gerichte um so viel mehr bei ihren Wesen erhalten werden m”chten. Das Land- und Stadtgericht Windecken war 1642 zusammengesetzt aus Oberschultheiá, Schultheiá, R„ten und Sch”ffen. Vom Jahre 1681 besteht eine Akte betr. Aufrichtung des Hochgerichts und dessen Kosten. Die Verhandlungen des Stadt- und Landgerichts fanden auf dem Windecker Rathaus statt, das um die Mitte des 15. Jahrhunderts als herrschaftliches Geb„ude, vielleicht an Stelle eines „lteren, errichtet sein wird, frher im Unterstock offene Hallen besaá und sich namentlich durch seine sch”nen Erker auszeichnet. - Mit der steigenden landesherrlichen Gewalt und dem Vordringen neuer Rechtsformen verloren Stadt- und Landgericht allm„hlich ihre Bedeutung und Geltung. [Tafel VIIc: Blick vom Schloáberg auf den Kirchturm] [Links: Seite 26] V. Kirchen und Kapellen in Windcken; Friedh”fe In kirchlicher Beziehung waren Ostheim und Windecken bis zum Ausgang des 15. Jahrhunderts eng verbunden: Der Pfarrer zu Ostheim war zugleich Pfarrer von Windecken, diev Kirche wird Kapelle und die Geistlichen an ihr werden Kapl„ne genannt. Urkundlich tritt uns die Kapelle in Windecken, als "neue Kapelle" bezeichnet, zum ersten Male in Jahre 1282 entgegen. Sie steht da, wo ein uralter, sicher vorgschichtlicher Verkehrsweg aus der n”rdlichen Wetterau nach em šbergang ber die Nidder sich teilte. Der Weg fhrte durch die Kirchgasse (Friedberger Straáe), ber den jetzigen Marktplatz an dem Sdhang des Schloábergs nach Ostheim und weiter; der andere n”rdlich von der Kirche, an ihr vorber, in der Richtung der Spitalgasse (vgl.Taf.VIII), um weiterhin die Straáe nach Kilianst„dten oder den in grauer Vorzeit schon benutzten "Bcherweg" (Weg nach Mittelbuchen) zu gewinnen. Da man in alten Zeiten an solchen bedeutsamen Punkten gerne Heiligtmer entstehen lieá, so hindert uns nichts, auch fr diese Stelle ein solches anzunehmen. Aus diesem Heiligtum sicher einfacher Art oder an seiner Stelle wird dann die Kapelle entstanden sein, die von der 1282 zuerst erw„hnten neuen Kapelle abgel”st wurde. šber deren Erbauungszeit k”nnen Angaben nicht gemacht werden; vielleicht fhrte sie, schon frher entstanden, die Bezeichnung "neue Kapelle" noch eine Zeitlang weiter. Ungef„hr 200 Jahre blieb sie in ihrer Gestalt, bis am Ende des 15. Jahrhunderts aus ihr hervorging oder an ihre Stelle ein Umbau oder Neubau trat: eine auch fr heutige Verh„ltnisse noch sehr ger„umige, mit hochaufragendem, bis zur H„lfte der Gesamth”he von 46 Meter in schwerem Mauerwerk aufgefhrtem Turme versehene Kirche sp„tgotischer Bauart. Die Steingew„nder der Tren, das Maáwerk der Fenster, das mit einer Ausnahme (auf der Vorderseite des Chors, Arbeit von 1865) sich nicht wiederholt, und manche andere Einzelheiten weisen uns auf das Ende des 15.Jahrhunderts als Erbauungszeit hin, auch ohne die Jahreszahl 1495, die wir ber dem Triumphbogen der Kirche auf der dem Chore zugewandten Seite finden. Der Torso eines aus dem 13.Jahrhundert stammenden Kruzifixus, der lange auf dem Kirchboden unbeachtet lag und 1895 in einer kleinen [Rechts: Seite 27] Nische neben dem Kanzelfuá angebracht ist, redet allein von den Tagen der l„ngst verschwundenen "neuen" Kapelle. Der dem Pfarrhaus gegenber liegende Eingang zur Kirche stammt aus dem Jahre 1596, und dieber der Tre zum sdlichen Seitenschiff eingehauene Jahreszahl 1700 gibt wohl nur die Anfertigungszeit der Tre selbst an. In der Kirche befanden sich verschiedene, Heiligen gewidmete, Alt„re. Ritter Applo von Eichen stattete 1325 den Altar des hl. Georg und der hl. Katharina in der Kapelle zu Windecken mit Einknften aus; 1358 ratifiziert Erzbischof Gerlach von Mainz die Stiftung, Aufrichtung und Begabung des Altars der hl. Maria (unserer lieben Frauen) durch Ritter Johann von Ostheim, und 1363 stattete dieser seinen Altar mit weiteren Einknften aus. Auáer diesen Alt„ren werden 1459 genannt die der hl. Dreifaltigkeit (Trinitatis) und der schon 1363 erw„hnte des hl. Cyriacus, womit die Pfarrgef„lle verbunden waren; sp„ter die des hl. Kreuzes (Sanctae Crucis (1522) und des hl. Andreas. Die Einknfte dieser Alt„re werden noch lange nach Einfhrung der Reformation in den Windecker Pr„senzrechnungen aufgefhrt. Die Alt„re scheinen im wesentlichen fast bis zum Ende des 16.Jahrhunderts bestanden zu haben; am 6. August 1596 schreibt Keller Paul Ludwig nach Hanau, es sei bei der jetzigen Kirchenreformierung manches an innerer Einrichtung der Kirche mit groáen Kosten ge„ndert worden; aus dem vor dem Chor abgebrochenen Gegitter und aus den zwei Tafeln, "so uf dem hohen Altar gestanden und daran die Passion gemahlet", k”nnten 20 Gulden gel”st werden; die Nonnen zu Engeltal wollten sie kaufen. Aus jener Zeit der Kirchenreformierung besitzt die Kirche noch einen in edlem Renaissancestil in Silber ausgefhrten feuervergoldeten Abendmahlskelch, der 1595 von Meister Jakob dem Goldschmied zu Hanau angefertigt wurde und 15 Gulden 15 Schilling 2 Heller kostete. Nachdem am 28. Oktober 1488 Bischof Heinrich zu Bamberg bewilligt hatte, daá Graf Philipp zu Hanau das Schloss und die Stadt Wonnecken, die vom Bistum Bamberg zu Lehen rhrten, mit den Pfarrechten von der Pfarrkirche zu Ostheim, worber auch die Gerechtigkeit der Pr„sentation zum bemeldeten Stifte geh”re, scheiden und absondern und auf dem Altar des hl. Cyriacus der Kirche zu Wonnecken tragen, ferieren und aufrichten m”ge, erhob sie Erzbischof Bertold von Mainz zu einer selbstst„ndigen Pfarrkirche. In der Urkunde vom 5. Dezember 1489 heiát es: "Kraft unserer Befugnis als Ordinarius (zust„ndiger Bischof) scheiden wir die Tochterkirche in [Links: Seite 28] Windecken von der Mutterkirche in Ostheim, l”sen und sondern sie ab und erheben, bestimmen und machen sie nach der uns zustehenden bisch”flichen Befugnis zu einer Pfarrkirche, indem wir besagter Kirche verleihen und zugestehen im gesamten und einzelnen die Sacramentalrechte, Gewohnheiten und anderen Gerechtsame und Auszeichnungen, womit sie die Pfarrkirchen sonst begabt und begnadet sind, sowie die Aufbewahrung der geweihten Hostie und des heiligen Tauf”ls nebst dem kirchlichen Begr„bnis, wie auch alle anderen und einzelnen Vorrechte einer Pfarrkirche, die denselben herk”mmlich zugestanden und verliehen werden." Im Dreiáigj„hrigen Kriege hat die Kirche viele Besch„digungen erlitten; 1634 und 1635 werden Kinder in Hanau getauft, offenbar, weil man die Kirche wegen erlittener Sch„den nicht benutzen konnte; 1638 wird die Kirchbaureparierung als zum „uáersten notwendigbezeichnet; und in den folgenden Jahren erfahren wir viel von derSorge des Presbyteriums um Erhaltung der Kirche, deren innerstes Teil von den Schmutzmassen gereinigt werden soll; das Dach muá wiederhergestellt, der zerfallene Bogen in der Hauptkirche repariert, die Kanzel erneuert werden; Ende November 1646 litt die Kirche wieder sehr, so daá das Presbyterium von dem abermaligen Ruin der Kirche und dem zerfallenen Kirchenwerk reden muáte. 1651 wird gesagt, daá bei dem allgemeinen hochsch„dlichen Kriegswesen und den M„rschen der kaiserlichen und schwedischen V”lker auch die Kirche in Grund und so ruiniert und verwstet worden sei, daá die verarmte und ausgemergelte Brgerschaft solche zu reparieren unverm”gend sei; man wandte sich deshalb nach Holland und sammelte dort ansehnliche Betr„ge fr die Wiederherstellung, die erst nach und nach erfolgen konnte. Der Turm, der mit den Glocken im Dreiáigj„hrigen Krieg gelitten hatte, wurde 1706 mit einem 23 Meter hohen neuen Turmhelm versehen, der einer der sch”nsten der ganzen Gegend ist und heute noch die Aufmerksamkeit eines jeden auf sich zieht. Das verwendete Material, lauter sch”nes Eichenholz, und die kunstfertige Arbeit stellen dem Windecker Zimmermeister Johann Georg Baron ein gl„nzendes Zeugnis aus. 1833 wurde der Turm repariert, am 6. Juli 1862 riá ein gewaltiger Orkan das Kreuz nebst Hahn vom Turme herunter und richtete groáe Verheerungen an, deren Wiedergutmachung 2497 Gulden (=4170 Reichsmark) Kosten verursachte. In neuerer Zeit wurden Turmhelm und das ganze Kirchendach neu beschiefert; 1823, 1865 und 1895 wurde die Kirche im Innern neu [Rechts: Seite 29] hergestellt; im letzteren Jahre der Chor der Kirche neu eingerichtetund eine neue Orgel angeschafft. Von den vier Glocken auf dem Turm im Gesamtgewicht von 1840 Kilo sei hier die „lteste, 404 Kilo schwer, 1631 gegossene erw„hnt, die, ursprnglich fr eine katholische Kirche bestimmt, sich durch besonders reichen Bildschmuck und Inschriften in lateinischer und franz”sischer Sprache auszeichnet; sie wurde 1660, nachden sie vorher in Worms gewesen, von dem Frankfurter Kaufh„ndler Daniel Dorville fr 195 Reichstaler 75 Kreuzer gekauft und wurde am 3. Juni 1660 zum ersten Male in Windecken gel„utet. Auf dem Schloáberg bestand noch eine Kapelle, als Kapelle vor der Burg (im Burgbezirk) genannt; hier wurden 1417 Philipp der Žltere und 1449 Philipp der Jngere, die auf der Burg geboren waren, getauft. Unter den Einknften des Altars des hl. Andreas werden 1569 fnf Gulden genannt, die die Metzler "von der Schloá-Capelle" gaben. An diese erinnert noch der im 18.Jahrhundert gekannte Name der "Capelleng„rten", die an der Stelle des Gartens und der Kegelbahn der Wirtschaft zum goldenen L”wen und etwas weiter nach Osten lagen. Wann die Kapelle in Abgang kam, ist unbekannt. Ferner befand sich noch auf dem Friedhof eine Kapelle, 1587 als Begr„bniskirche, 1623 als Kapelle auf dem Begr„bniskirchhof, 1641 als Totenkirche genannt. In ihr wurden auch Leichenpredigten gehalten und Personen vornehmer Herkunft beigesetzt, wie am 21. September 1623 das jngste T”chterlein des Junkers Philipp Heinrich von Bellersheim. Die Totenkirche muá 1634 groáe Besch„digungen erlitten haben, denn 1641 wird gesagt, daá sie ziemlichermaáen in Abbau geraten; man war dafr, den Bau oder das Geh”lz niederzulegen. Wann dies geschah, ist unbekannt. Fr die infolge des Hanauer Hauptrezesses von 1670 sich bildende lutherische Gemeinde und die zu ihr eingepfarrten Lutheraner der Umgegend wurde am 9. November 1719 in Gegenwart der gr„flichen Herrschaft und frstlicher Personen der grundstein zu einer Kirche gelegt und diese selbst am 5. November 1722 in gleicher Weise unter groáen Feierlichkeiten eingeweiht. Infolge der Kirchenvereinigung von 1818 wurde dann die Kirche nach dem Zusammenschluá der reformierten und lutherischen Gemeinde als berflssig angesehen und 1834 abgebrochen. Der Friedhof lag ursprnglich um die Kirche und wurde sp„ter vor die Stadt gelegt. 1918 wurde der alte Friedhof geschlossen und der neue, an der Straáe nach Roádorf gelegene, in Gebrauch genommen. [Seite 30 Links] VI. Die Einfhrung der Reformation in Windecken Verh„ltnism„áig sp„t, erst vom Jahre 1540 an, ist die Reformation in Windecken eingefhrt worden. Die letzten bekannten katholischen Pfarrherren von Windecken waren Paulus Scheffer, dem die Herrschaft am 25. November 1536 die Pfarrei aufkndigte, und Konrad Kulman, Pastor zu Wachenbuchen, von dem der Schultheiá Peter Buches Ende November 1539 anzeigte, daá er nicht l„nger Pfarrverweser bei ihnen bleiben wolle, weil es jetztund zu Wachenbuchen an der Pestilenz sterben wolle; der Schultheiá bekam die Weisung, wenn er weiter nach Wachenbuchen wandern wolle, so soll er ihn heraus und nicht mehr gen Windecken hinein lassen. Ende Januar 1540 reichte das Stadtgericht "von eyner gantz gemein wegen" bei der vormundschaftlichen Regierung zu Hanau eine Vorstellung ein, in der es um die Anstellung eines evangelischen Pfarrers bat: "Dieweil uns armen Untersassen an einem Pfarrherren und Seelsorger mehr, denn an zeitlicher und verg„nglicher Habe gelegen, so werden wir merklich verursacht, Eure Gnaden als Hanauischen Vormndern solche unsere anliegende Beschwernis in kurzem Vergriff anzuzeigen, ungezweifelter Hoffnung, Eurer Gnade werde uns mit einem Pfarrherrn zu Heil und zur Erhaltung der Seelen Heil aufs f”rderlichste, so das durch Euer Gnaden beschehen kann, verstehen, weil uns in solchen f„hrlichen und geschwinden Gezeiten zur Erhaltung gemeiner Polizei (=brgerlicher Ordnung) und christlicher Ordnung eines gelehrten Pfarrherren, welcher das Evangelium lauter und klar predigt, h”chlich von N”ten ist; wann wir einen Pfarrherrn heut und den anderen morgen haben, so gereicht das zum verderblichen Schaden der Pfarrgter, so nicht erbauet, und also von Jahr zu Jahr durch mutwillige Verlassengheit verwstet und ausgesogen werden, so dann Windecken allewege den Trost und Zuversicht hat, es sollte dergleichen wie Hanau mist christlicher Ordnung und gemeiner Polizei im gleichen Bekenntnis durch Euer Gnaden gehalten und geordnet werden; hierum ist unsere untert„nige Bitte, Euer Gnaden wolle diesen obangezeigten unsern Gebreften, so der Seelen und gemeiner Jugends, so im Wort des Herren sollen erzogen werden, in Gnaden beherzigen, und uns mit einem gelehrten frommen [Rechts: Seite 31] Prediger versehen, und was wir ihm, um seiner treuen Lehre und Dienste zu tun schuldig sind, wollen wir uns gegen ihn williglich erzeigen." Nach dem Kanzleivermerk auf der Rckseite der Eingabe verhandelte die Herrschaft mit dem Pfarrherrn in Schlchtern, "der sich erboten, die Pfarrei aller Gestalt anzunehmen und zu versehen mit Predigten und Sakramenten wie der Pfarrherr zu Hanau, aber Messe zu tun, sei wider sein Conscienz (Gewissen), und daá man die Priester zu Windecken die Messe und andere Žmter halten lasse, wie zu Hanau, und daá er nichts mit ihnen zu schaffen haben m”chte", worauf ihm die Pfarrei mit ihren Einkommen zugesagt wurde. Der neue Pfarrherr war Johann Widmann, ber den Abt Petrus Lotichius von Schlchtern sp„ter schrieb: "In diesem ersten Jahr (1534) kommt zu mir gen Schlchtern eine unbekannte religi”se Person, Johannes Salicetus, aus dem Land zu Bayern gebrtig, war ziemlich gelehrt; diesen nahm ich auf in unser Kloster, weil er aus unseres Ordens Sancti Benedicti war, bestellte ihn ein Jahr als Kapellan zu dienen, dann setzte ich ihn zum Pfarrherrn gen Schlchtern, und von diesem an wurden meine Sachen ein wenig besser. Wie er ist das sechste Jahr bei mir gewesen, nahm er ein Weib zu Schlchtern, das war in der Zeit ungew”hnlich, darum muáte er weichen und kam nach Windecken, ward Pfarrherr daselbst und ist endlich da gestorben." Leider wissen wir von Widmanns Amtsfhrung und Erfolgen so gut wie nichts. Fr seine Bedeutung spricht indessen das Urteil dess Abtes Petrus Litichius, dem er auch mit Rat und Tat bei der Durchfhrung der Reformation in Schlchtern beigestanden haben soll, und die Freundschaft des bekannten evangelischen Liederdichters Erasmus Alberus, der sich frher fr ihn um eine Pfarrstelle in der Grafschaft Katzenellenbogen beworben und in einem sseiner Briefe Bezug auf seine Verheiratung genommen hat. Nach Widmanns Amtsantritt ging in Windecken noch eine Zeitlang evangelischer und katholischer Gottesdienst nebeneinander her; wann letzterer ganz aufh”rte, kann nicht angegeben werden. Die Einrichtung der Kirche im Inneren mit ihren alten Alt„ren scheint im wesentlichen bis zum Ende des 16. Jahrhunderts fortbestanden zu haben. An die aus dem katholischen in den evangelischen Gottesdienst bernommene und da bis 1584/85 gebr„uchliche Liturgie erinnern noch die auf Seite 2 bis 17 des „ltesten, 1577 beginnenden, Kirchenbuches [Links: Seite 32] aufgezeichneten Antiphonen in lateinischer Sprache mit Noten nach dem Mainzer Ritual. Einmal tritt uns Widmanns Name bedeutungsvoll entgegen, n„mlich bei der Antwort der Hanauischen Prediger auf das sog. Augsburger Interim. Als Kaiser Karl V. nach der fr die Evangelischen unglcklich verlaufenen Schlacht bei Mhlberg 1547 von diesen, wie berall im Reich, so auch im Hanauischen, die Anerkennung des Papstes, der Siebenzahl der Sakramente, die Verpflichtung zum Fasten, die Anrufung der Heiligen usw. verlangte, wurde dieses Ansinnen auch von einem groáen Teil der Hanauischen Prediger zurckgewiesen; unter den Unterzeichnern des Protestes finden wir an zweiter Stelle, hinter Philipp Neunheller, dem Hanauer Reformator, unseren Johann Widmann, w„hrend seine Kollegen, der Erzpriester und Altarist Hartmann Rod und die beiden anderen Altaristen Johann Schreiber (+ 1552) und Konrad Eschbach, die auch zugleich Pfaffer zu Eichen und Bleichenbach waren, das Interim annahmen. Damit verschwindet der Reformator Windeckens fr uns aus der Geschichte; aber das Letzte, was wir von ihm h”ren, ist ein entschiedenes Eintreten fr das, was er als wahr erkannt und seiner Gemeinde verkndigt hatte; und wenn wir auch nur wenig von ihm wissen, das drfen wir von ihm annehmen, daá seine Gemeinde in ihm erhalten, was sie gewnscht und begehrt, einen gelehrten Pfarrherrn, der das Evangelium lauter und klar predigte. Von seiner Hand ist noch ein Schreiben vom 18. Februar 1540 vorhanden; es befindet sich im Marburger Staatsarchiv. Der Reformator Windeckens hat es wenige Tage nach dem Antritt seines neuen Amtes verfaát. Sein Nachfolger und Fortsetzer seines Werkes war der aus Friedberg stammende Magister Johann Rab (Corvinus), der am 17. September 1594 in einem Alter von 73 Jahren starb, nachdem er der Kirche zu Windecken 42 Jahre 7 Monate am Wort gedient hatte. Bei der Kirchenvisitation des Jahres 1562 gab er an, zu Mainz ordiniert zu sein; als er nach Windecken gekommen, sei er zu einem Diakonus angenommen, aber nachdem der Pfarrherr gestorben, sei er nun sieben Jahre allein und versehe beide Žmter. Johann Widmann wird demnach 1555 gestorben sein. Aus der Zeit des Pfarrers Corvinus ist noch zu bemerken, daá am 24. und 25. April 1571 eine Synode s„mtlicher Hanauischen Geistlichen in Windecken abgehalten wurde und daá am 21. Juli 1562 und am 13. Mai 1577 besondere Kirchenvisitationen hier stattfanden. [Rechts: Tafel VIII Blick in die Spitalgasse] [Links: Tafel IXa + IXb Blick auf Windecken, Die Gutegasse] [Rechts: Seite 33] VII. Die Schule in Windecken Soweit sie „lteren Datums und nicht etwa erst in der neueren Zeit gegrndet worden sind, gehen unsere heutigen Landschulstellen an Pfarrorten ausnahmslos auf kirchlichen Ursprung zurck. Die Anf„nge der Windecker Schule lassen sich ber mehr als 500 Jahre zurckverfolgen. Ob man daraus, daá 1391 der "alde scholmeister, mit namen Hartman Menchin, brgermeister zu Wonnecken" erw„hnt wird, auf das Bestehen einer "Schule" in der damaligen Zeit schlieáen kann, bleibe dahingestellt, abgesehen davon, daá man hierunter in frheren Zeiten etwas ganz anderes verstand als sp„ter oder gar in der neueren Zeit. Dagegen kann fr den Anfang des 15. Jahrhunderts das Bestehen einer "Schule" in Windecken urkundlich belegt werde, denn 1466 beruft sich der Frhmesser Hartmann zu Windecken auf seine Erinnerung von "mee dann vor funffzig jaren als er ein schuler" gewesen sei. "Schler" im damaligen Sinne waren die Chorknaben, die im Gottesdienst, namentlich bei Seelenmessen, mitzuwirken und zu singen hatten. Der "Schulmeister" war der niedere Kleriker, der die "Schler", die Chorknaben, im Gottesdienst singen lieá, aber nicht der Schulmeister, wie man diesse Bezeichnung sp„ter auffaáte oder heute noch vielfach versteht. Daá der "Schulmeister" im 15. und 16. Jahrhundert etwas ganz anderes ist als sp„ter, geht auch aus einer Urkunde der Gr„fin Katharina von Hanau von 1459 hervor, in der sie 2 Achtel Korn j„hrlich "eynem schulmeynster da selbst (in Windecken) der in zeiten eyne schulmeynster da ist unde midde finget und leset" vermachte. Der Schulmeister hatte mit den Schlern sogar bis zum Jahre 1584/85 die von alten Zeiten her in der Windecker Kirche bei der Liturgie gesungenen lateinischen Antiphonen, Introitus und Responsorien einzuben und zu singen; damals kamen sie ab, da eine pestilenzische Seuche den gr”áten Teil der Schler dahinraffte. Die ersten Lehrer, die uns im Hanauischen und sonst begegnen, sind im Hauptamt und von Haus aus kirchliche Beamte, Gl”ckner (Kster). Sie geh”rten in der katholischen Zeit zum niederen Klerus und erhielten auch die niederen Weihen. Durch die Reformation erfuhr ihr Amt insofern eine Erweiterung, als sie zum kirchlichen [Links: Seite 34] Unterricht der Jugend im Katechismus und evangelischen Kirchenlied herangezogen wurden. Sie muáten lesen und schreiben k”nnen und diese Fertigkeit der Jugend beibringen, und zwar zun„chst im Interesse des Unterrichts in der Lehre der Kirche. Der Schreib- und Leseunterricht galt als kirchlicher Unterricht und das hierfr gezahlte Schulgeld als kirchliches Akzidens. Fr arme Kinder wurde es vielfach aus der Kirchenkasse dem Kster-Lehrer ersetzt; am 15. Juni 1595 berichtet z.B. der Keller Paul Ludwig, daá noch krzlich den Schulmeistern aus der Pr„senz eine gute Addition (Zulage), daá n„mlich eines jeden Brgers Kund frei und ohne Beschwerung eines Lohns zur Schule gehen k”nnen, geworden sei. In dem „ltesten Kirchenbuch finden wir zwei Bezeichnungen fr Lehrer: Schulmeister oder Ludiomoderator und Unterschulmeister oder Hypodidascalus. In der frheren Zeit waren dies durchweg studierte Leute, Kandidaten der Theologie, die eine Schulstelle so lange versahen, bis sie eine Pfarrstelle bekamen, denn die geistliche Oberbeh”rde befolgte den Grundsatz "keinen derselben zum Dienste der Kirche zu promovieren, er sei denn im Schuldienst zuvor etwas zeitig und mrbe geworden". Sie fanden haupts„chlich in Hanau, Schlchtern, Steinau, Bergen und Windecken Verwendung als Lehrer, und mancher hatte in langer Zeit gengend Gelegenheit, zeitig und mrbe zu werden. Es standen ihnen als Kandidaten der Theologie auch gewisse geistliche Verrichtungen zu; so wird im Windecker Totenregister 1637 vermerkt: "Bei den verstorbenen Kindern und ledigen Personen, so noch nicht 'ad S. coenam' (hl. Abendmahl) gegangen, muá der Schulmeister dieses Ortes die Vermahnung oder Leichenpredigten altem Brauch nach verrichten". Die Unterrichtsgegenst„nde in der „ltesten Zeit waren Lesen, Schreiben, Religion, Gesang und wohl auch Rechnen. Am 14. April 1645 wird im Presbyterium gesagt, daá wegen des Schulmeisters allerhand Klagen vorgefallen, daá ziemlicher Unfleiá und Vers„umnis bei ihm in Anweisung der Kinder, sonderlich zum Gesang, Schreiben und Lesen, auch sonst groáe Unordnung bei der Schuldisziplin gesprt werde, in dem die Kinder w„hrend der Predigt zur Kirche aus- und einlaufen; er solle solchem knftig besser als bisher abwarten. Im Jahre 1659 wird vermerkt, daá der Schulmeister am Sonntag bei beiden Predigten die Schulknaben in guter Ordnung, wie es hiervor gebr„uchlich gewesen, aus der Schule in die Kirche und wieder zurckzufhren habe; in der Kirche hatte er die Aufsicht ber die Kinder zu [Rechts: Seite 35] fhren und nach Schluá des Gottesdienstes in der Schule aus der gehaltenen Predigt zu examinieren; auáerdem solle er t„glich die Schriften der Kinder korrigieren und beim Zchtigen keinen Stock nehmen, sondern "die Sch„rfe der Ruten gebrauchen". Aus vielen Eintr„gen geht hervor, daá das Presbyterium sich redlich der Schule annahm und es bitter empfand, wenn "die liebe Jugend kmmerlich verabs„umt" wurde. Die Aufsicht auf die Schule wurde von den Pfarrern und jeweils bestimmten Mitgliedern des Kirchenvorstandes ausgebt. Klagen ber schlechten Schulbesuch sind namentlich in der zweiten H„lfte des 18. Jahrhunderts h„ufig; die Sommerschulen vor allem litten darunter. Am 2. November 1768 klagt Pfarrer Hartmann, daá die Eltern die Kinder nicht fleiáiger in die Schule schickten und zu guten Sitten erz”gen; er sei in der letzten Zeit mehrfach in der Schule gewesen und habe eine gr”áere Anzahl der Jugend anzutreffen vergeblich gehofft; daher msse der Schulmeister immer wieder von vone anfangen; es sei kein Wunder, daá die Kinder mehr ver- als erlernten, weil sie das ganze Jahr demnach kaum vier Monate in die Schule gingen. Die Leistungen der Schler befriedigten daher selten; 1785 wird z. B. gesagt, daá "die Buben sehr schlecht und die M„dchen wenig oder gar nicht schreiben". Vermahnungen zu Zucht und Ordnung sind h„ufig. Auch ber die harte Schulzucht finden wir Klagen: 1769 zeigen etliche Žlteste an, daá der Schulmeister Wolff die Kinder "so hart wider die K”pfe schmisse"; es wurde ihm dies verwiesen und er ermahnt, vor allem J„hzorn und allzo groáer Hitze sich zu hten, damit er keine Verbitterung anrichte. Ja, einmal beschwert sich ein Vater, daá der Lehrer seinem Knaben das Ohr eingerissen habe; er gab sich aber zufrieden, als der Lehrer den Chirurgen vergtete, der das Ohr wieder angen„ht hatte. Am 3. Dezember 1766 brachte der 1765 nach Windecken gekommene Pfarrer Hartmann vor - bezeichnend fr den Schulbetrieb -, daá er unl„ngst in den Schulen gewesen sei und in der Knabenschule ein K”rbchen voll Apfelschalen auf dem Tisch stehend angetroffen habe; als er nun fragte, was dasselbe nun bedeute und wie es dahin k„me, gab ihm der Kantor zur Antwort, sonst w„re die ganze Stube voll Schalen. Als er nun weiter fragte, ob man denn in der Schule „áe, antwortete der Lehrer, das w„re schon von langen Zeiten her schon gebr„uchlich. Der Pfarrer replizierte aber, was von langen Zeiten her [Links: Seite 36] unrecht gewesen, das sei keinen Augenblick recht. Man k„me in die Schule, um zu lernen, und nicht zu essen. Die Beheizung der Schulr„ume geschah durch sog. Schulscheite, die die Kinder mitzubringen hatten, ber deren Kleinheit und geringe Zahl die Lehrer ”fters klagten. Neben der Knabenschule begegnen wir schon 1622 einer Schule fr M„dchen in Windecken, die von dem Gl”ckner oder seiner Frau versehen wurde. Sie befand sich in der Gl”cknerwohnung in der N„he der Kirche neben dem alten Friedhof. 1652 hielt der Gl”ckner bei dem Presbyterium um die Maigdleinsschul an; es wurde ihm willfahrt und die Schule sonderlich seinem Weib vertraut, dabei fleiáiger Anweisung mit Lesen, Schreiben, Beten (Religion) mit erinnert worden. Am 28. Juni 1657 wurde Barbara Apelliana von dem Presbyterium zu einer Maigdleinsschulmeisterin angenommen. 1661 bewarb sich Joh. Heinrich Lucanus aus Neukirchen in Hessen um die M„dchenschule und das Gl”ckneramt; da aber die "Annehmung zu solchen Diensten disputierlich gemacht" wurde, berief sich das Presbyterium darauf, daá es allezeit "eine uralte Gewohnheit bei dieser Kirche allhier gewesen, die geringsten Diener, als Maigdleinsschulmeister und Gl”ckner anzunehmen" und daá dies nie disputierlich von anderen Seiten gemacht worden sei. Mit Gutheiáung des Konsistoriums wurde dann Lucanus im Beisein etlicher Kirchen„ltesten zu einem "ordinari Meigdleins Schul Meister und Gl”ckner declariert". Vergleichsweise sei bemerkt, daá 1598 die Brger zu Hanau um Errichtung einer M„dchenschule anhielten und daá eine solche in Schlchtern erst 1671 erw„hnt wird. In õ 9 des sog. Hanauer Hauptrezesses von 1670 war bestimmt, daá die Lutheraner in der Grafschaft Kirchen und Schulen lediglich auf eigene Kosten auffhren und die hierzu zu bestellenden Personen aus eigenen Mitteln dotieren und unterhalten sollten. 1694 wurde eine lutherische Schule erbaut. Es bestanden vom Ende des 17. Jahrhunderts an zwei Schulen mit drei Schulstellen, zwei reformierten, und zwar je einer fr Knaben und M„dchen, und eine lutherische. Infolge der Kirchenvereinigung von 1818 wurden die beiden Schulen 1822 vereinigt; 1843 wurde eine dritte Lehrerstelle neu geschaffen und fundiert. Das frher lutherische Schulhaus wurde 1832 verkauft. Die frher reformierten Schulh„user wurden von der Windecker Pr„senz unterhalten. Die Dienstwohnung des ersten reformierten Lehrers (Knabenlehrers) war das Haus des Inhabers des Altars [Rechts: Seite 37] Sanctae Trinitatis (der hl. Dreifaltigkeit); der letzte katholische Kleriker, der in ihm gewohnt hatte, war nach der Pr„senzrechnung von 1574 Hartmann Rod, Erzpriester, der 1548 sich den Forderungen des Interims gefgt hatte. Die Dienstwohnung des Gl”ckners und M„dchenlehrers fefand sich mit Schulr„umen hinter der Kirche und ist 1878 abgebrannt. Durch Vertrag vom 17. M„rz 1842 hat die Stadt Windecken fr immer die Verbindlichkeit bernommen, "die fr das dasige Schulwesen erforderlichen Ausgaben, namentlich aller Kosten fr die Erbauung und Unterhaltung der in Windecken n”tigen Schulh„user" zu bestreiten; sie bekam von der Pr„senz Windecken erstens ein Wohnhaus, worin der Knabenlehrer wohnte, neben der Kirche und der Stadtmauer, und ein Wohnhaus hinter der Kirche, worin der M„dchen-Schullehrer wohnte; auáerdem eine Abfindung von 3150 Gulden oder 1799 Taler 29 Silbergroschen 11 Pfennig; weiter von der Kirchenkasse zu Windecken den Verkaufserl”s des vormals lutherischen Schulhauses mit 965 Gulden oder 551 Taler 18 Silbergroschen 9 Pfennig, zusammen in bar nach heutigem Geld 6844 RM. 87 Rpf., sowie von der zweiten Pfarrei einen Platz zur Aufrichtung des Schulgeb„udes. Das neue Schulhaus erhielt drei groáe R„ume fr den Unterricht und die Dienstwohnung fr den Kantor und Knabenlehrer, in dessen bisherige Wohnung der Gl”ckner und M„dchenlehrer (der zweite Lehrer) zog, um darinnen bis zum Jahre 1884 zu bleiben; damals wurde das Haus, das wohl „lteste in der Stadt, an den Sattlermeister Karl Pfeiffer verkauft. Im neuen Schulhaus hatte der Inhaber der I. Stelle, Rektor Karl Joffroy, bis zum 1. Mai 1911 seine Dienstwohnung, die in diesem Jahre fr die Herstellung eines weiteren Schulsaales umgebaut wurde. [Links: Seite 38] VIII. Alte Stiftungen zu Windecken (Pr„senz; Almosenkasse; Hospital) a) Die Pr„senz zu Windecken Im Kreis Hanau bestehen noch zwei im Mittelalter entstandene Pr„senzkassen, die zu Hanau und Windecken. Diese, schlechthin "Pr„senzen" genannt, sind nach Ausweis der noch zum Teil erhaltenen Urkunden vor der Reformation aus einzelnen Stiftungen und Verm„chtnissen entstanden, werden unter Aufsicht des Landeskirchenamtes zu Kassel von besonderen, von diesem ernannten Rechnungsfhrern, den Pr„senzverwaltern, oder einfach nur Pr„senzer genannt, verwaltet und haben die Rechte einer juristischen Person sowie den Character als milde Stiftungen. Wie diese Kassen zu dem Namen "Pr„senz" kommen, erhellt aus Folgendem: Jeder Inhaber einer geistlichen Stelle ist verpflichtet, sie pers”nlich zu verwalten, soweit nicht etwa eine Stellvertretung oder Abwesenheit des Geistlichen gesetzlich zugelassen wird. Man nennt dies die Residenzpflicht. Die pers”nliche Anwesenheit oder "Pr„senz" wurde namentlich von allen denen gefordert, denen die Pflicht oblag, an den gemeinsamen kanonischen Stunden im Chor der Kirche, Seelenmessen und dergleichen teilzunehmen. Nach der Vorschrift des Konzils von Vienne 1311 ist dies der Fall haupts„chlich in den Kathedral-, Regular- und Kollegiatskirchen. Diejenigen, die dieser Verordnung nicht nachlebten, sollten, abgesehen von anderen Strafen, die "Pr„senzien" und Konsolationen verlieren. Pr„senzien oder Pr„senzgelder sind demnach solche Bezge, die durch die pers”nliche Gegenwart verdient und t„glich, w”chentlich oder sonst an einem festbestimmten Tage an die anwesenden Kleriker verteilt wurden. Sie werden deshalb im Unterschied von der Pr„bende, der Pfrnde einer geistlichen Stelle definiert als "distributiones cotidianae, quae illis solis dantur, qui personaliter et praesentialiter intersunt" - d. h. "t„gliche Verteilungen (oder Verteilungen an bestimmten Tagen), die denen allein gereicht werden, die pers”nlich und gegenw„rtig zugegen (n„mlich bei Seelenmessen u. „.) sind". Dementsprechend fhren auch die „ltesten erhaltenen Windecker Pr„senzrechnungen von 1519ff. den Titel "Registrum distributionis communis presentie parrochialis eclesie opidi Winnecken", d. h. "Register der Verteilung der gemeinen Pr„senz der Pfarrkirche der Stadt Windecken". Von der Erfllung der [Rechts: Seite 39] Residenzpflicht, namntlich der Teilnahme an dem regelm„áigen Gottesdienst zu bestimmten Zeiten, den Seelenmessen u. dgl., hing somit frden einzelnen Kleriker das Recht auf Bezug der Distributionen oder Pr„senzgelder ab. Es ist selbstverst„ndlich, daá nicht alle Stiftungsurkunden mehr vorhanden sind. 1469 wird erw„hnt, daá alte Urkunden verbrannt seien. Im Jahre 1668 wurde in der Pr„senzkirche zu Windecken elf Urkunden aufgefunden, und zwar aus folgenden Jahren: 1358; 1390; 1413; 1425; 1459; 1469; 1489 (zwei); 1490; 1500 und 1517; diese wurden an das reformierte Konsistorium zu Hanau eingeliefert und geben mit anderen noch erhaltenen einen Anhalt fr die Bestimmung des Alters der Windecker Pr„senz, das mit mindestens 500 Jahren angenommen werden darf. Es kann keinen Zweifel unterliegen, daá die Verwaltung der in der Pr„senz zusammengeflossenen und zusammengeschlossenen Einzelstiftungen von Haus aus und rechtlich der Gesamtheit der Geistlichen an der Windecker Kirche zustand; hieran „ndert auch nichts das landesherrliche Aufsichtsrecht, das hier nicht gr”áer war als den anderen Kirchen der Herrschaft Hanau gegenber. Am 5. September 1539 wird gesagt: "Man soll gen Wynnecken schicken, daselbst visitieren, wie die Priesterschaft Haus h„lt und Pr„senz-Rechnung h”ren, auch einsehen, daá Briefe ber die Corpora der Altarien besinders verwahrlich gehalten und gemeinen Schlssel dazu verordnen." Bei der Kirchenvisitation von 1562 wird die Pr„senz gar nicht erw„hnt, und nur in der von 1577 wird unter dem Titel: "Vom Einkommen der Kirche" gesagt: "Haben sie ihren eigenen Pr„senzmeister, davon sie (die Pfarrer) ihre Unterhaltung bekommen." Daá die Windecker Pfarrer an der Verwaltung der Pr„senz teilnahmen, geht z. B. auch aus dem Protokoll ber die Abh”rung der Pr„senzrechnung von 1591 hervor, das am 11. Januar 1593 vom Stadtschultheiáen und den beiden Windecker Pfarrern Johannes Rab, Vater und Sohn, unterzeichnet ist. Auch bei einem Grundstcksverkauf der Pr„senz wirken die beiden Pfarrer 1593 mit. Einen Kirchenvorstand gab es damals noch nicht. Nach seiner Einrichtung nahm er mindestens einen Mitwirkungsrecht fr sich in Anspruch, wie es z. B. aus verschiedenen Eintr„gen im Presbyterialprotokoll von 1640 und 1643 hervorgeht, und 1641 klagt das Presbyterium, daá seine Autorit„t so ar eng eingezogen werde gegen das alte Herkommen und die Praxis der Kirche. Gegenber dem heutigen Zustand ist zu bemerken, daá eine eigene [Links: Seite 40] selbstst„ndige Pr„senzverwaltung zu Windecken bestanden haben muá und bestanden hat, lange ehe ein Konsistorium in Hanau eingerichtet wurde, und daá man auch in Hanau 1563 den Vertretern der Kirche der Pr„senz gegenber ein bestimmtes Recht wieder einr„umte; das, was die Windecker Protokolle von 1593 und sp„ter sagen, erscheint da als als selbstverst„ndlich. Die Einknfte der Pr„senz bestanden in Zehnten, Pachtgeldern, Erl”s von verkauften Frchten und Interessen von Kapitalien. Der frher groáe Grundbesitz der Pr„senz erfuhr durch Verkauf und Abl”sung der Erbleihen starke Verminderung; jetzt besitzt sie noch Land in Windecken, Bruchk”bel, Mittelbuchen (das sog. Rckinger Lehen) und Ostheim. Ihr Kapitalbestand hat, wie der aller derartiger Stiftungen, durch die Inflation der Nachkriegszeit auáerordentlich gelitten. Im õ 9 des Hanauer Hauptrezesses von 1670 war die Pr„senz als eine den Reformierten allein zustehende Stiftung mit allen Gerechtsamen und Befugnissen anerkannt. Als rechtlich begrndete Leistungen der Pr„senz sind zu nennen Besoldungszahlungen an bestimmte Stellen sowie die Unterhaltung der Pfarrh„user zu Windecken I, Ostheim und Eichen. b) Die Almosenkasse zu Windecken šber den Zeitpunkt, wann die Windecker Almosenkasse ihren Anfang genommen, kann nichts Bestimmtes gesagt werden. In dem Protokoll der Kirchenvisitation von 1562 wird sie nicht erw„hnt, dagegen wird bei der von 1577 unter dem Titel: Von Einkommen der Kirche gesagt: "Almosen haben sie einen Stock, darin die t„glichen Gottespfennige gefallen, werden unter die Hausarmen ausgeteilt." Das Almosengeben fr die Armen war nach reformatorischer Anschauung gottesdienstliche Pflicht (vgl. Erkl„rung des Heidelberger Katechismus zum 4. Gebot, Frage 103: Gott will, daá ich zu der Gemeinde Gottes fleiáig komme,... den Herrn ”ffentlich anzurufen und das christliche Almosen zu geben). Man sah es als selbstverst„ndliche Aufgabe der Kirchengemeinde an, die Armen durch Almosen zu untersttzen. In einem Schreiben der Pr„fektur (Amt) Rodheim vom Juni 1747 wird gesagt: "Selbst die noch aller Orten blichen Klingelbeutelarmengelder haben diesen Oblationibus (Opfern) ihre Einfhrung zu danken, ut monstrat Wildvogel, de oblationibus quae finut in Ecclesia per sacculum sonatem Cap. I õ 11; Cap. II õ 1" (wie Wildvogel ber die Kirchenopfer nachweist, die in der Kirche durch den Kligenbeutel geschehen). Der Metropolitan Ullrich zu Windecken schreibt 1886 an die Regierung zu Kassel, daá nach der in der Gemeinde noch vorhandenen Tradition die Almosen aus Pfennigen der Parochianen gesammelt worden seien. Die Richtigkeit dieser šberlieferung wird zudem bewiesen durch laufende Eintr„ge in den „lteren Presbyterialprotokollen. Der kirchliche Ursprung der Almosenkasse kann nicht wohl angefochten werden. Auch aus der Pr„senz wurde in der „lteren Zeit nach Ausweis z. B. der Rechnungen von 1569, 1570, 1572, 1573, 1576, 1598 Beitr„ge "in die Almus geben"; man verwandte damals auch Einknfte "vacierender Beneficien", d. i. erledigter geistlicher Pfrnden, z. B, des Altars St. Trinitatis, fr Zwecke der Almosen. Als das "Umtragen des Gottesseckels" einmal eingestellt war, beschloss das Presbyterium am 5. M„rz 1643, es solle knftig der Almosenseckel dem Schulmeister allhier wie vor Alters br„uchlich, umjzutragen wiederum anbefohlen sein. Als das Konsistorium 1661 wollte, daá solche Almosengelder knftig zum Aufbau eines neues Pfarrhauses sollten mitverwendet werden, wehrte sich das Presbyterium dagegen, weil es wieder ihre privilegierte Stadtgerechtigkeit laufe. Die Almosen sollen den Armen verbleiben. šber die Verwaltung der Almosenkasse erfahren wir mancherlei aus den Protokollen des Presbyteriums von 1638 an. 1641 wird der gewesene Almosenrechner erinnert, im knftigen Presbyterium seine Rechnung gebhrend einzuliefern; der neue Almosenpfleger soll die Legate von 1634 bis 1639 wie auch die knftigen einfordern; die Hauptalmosenrechnung soll im knftigen Presbyterium gestellt werden. Stiftungen an die Almosenk)asse zu machen war damals blich; so vermachte z. B. Hans G”rg Bender, ein Schneider zu Frankfurt, 1641 alles, was er von seinem Altvater dahier geerbt und nach Abstrattung der Schulden brig bleiben m”chte, dem Windecker Almosen freiwillig; nach Beschluá sollte solches vom Prebyterio ins knftig den Almosen zum besten in Acht genommen werden. Rechnungsfhrer und Almosenpfleger wurden von dem Kirchenvorstand bestellt. Im Hanauer Hauptrezeá von 1670 war die Almosenkasse wie auch das Spital als eine Stiftung fr Angeh”rige der Reformierten Konfession anerkannt. Im šbrigen ist zu vergleichen, was am Schluá der Abhandlung ber das Hospital zu Windecken ausgefhrt ist. [Links: Seite 42] c) Das Hospital zu Windecken Das Hospital zu Windecken kann auf ein Alter von mindestens 500 Jahren zurckblicken. Daá es kirchlichen Ursprungs ist, kann nicht bezweifelt werden. Auch die Regierung zu Kassel redet in ihrer Verfgung vom 23. November 1886 (J.U. I. Nr. 11685) von dem ursprnglichen kirchlichen Character des Hospitals und stellt fest, daá die Vorstandsmitglieder, solange das Konsistorium die Aufsicht ber das Hospital zu fhren hatte, von dieser Beh”rde ernannt wurden. Vielleicht ist es auf Anregung und mit Hilfe der Herrschaft Hanau eingerichtet worden, die auch sonst ihm ihr Interesse zuwandte. So vermachte z. B. Graf Philipp von Hanau in seinem Testament vom 4. Mai 1500 dem Spital 40 Gulden, umd am 17. September 1649 bedanken sich Brgermeister und Spitalmeister dafr, daá Catharina Belgia, die Witwe des 1612 verstorbenen Grafen Philipp Ludwig II., dem Spital 300 Gulden geschenkt habe. W„hrend sonst der Stadt nach einer Urkunde des Grafen Reinhard von Hnau von 1445 das Recht zustand, von jedem Achtel Korn oder Weizen, das in Windecken gemahlen, gebacken oder gekauft wurde, neun alte Heller als Ungeld zu erheben, bestimmte Graf Phillip von Hanau in einer Urkunde von 1453: "Auch wollen Wir, daá Unser Spital zu Wonnecken von den Frchten, die ihme im Jahr gefallen und werden, was man der (=davon) zu backen oder zu dem Vieh darinnen bedarf, solches vorgemelten Ungelds fryhe syn sal" (=frei sein soll). Geb„ude fr die Insassen des Hospitals und das darinnen gehaltene Vieh mssen danach damals schon vorhanden gewesen sein, und zwar befanden sie sich auf frher gr”áerem Raum an derselben Stelle wie sp„ter und bis in die Neuzeit. Die Spitalgasse (vgl. Taf. VIII) hat nach ihm ihren Namen. Bei der Kirchenvisitation von 1562 wird gesagt: "Im hospital werden recht armen erhalten, und ist die ufsehung durch erbare menner bestelt"; bei der Kirchenvisitation von 1577 wird im Zusammenhang mit den anderen kirchlichen Einrichtungen vermerkt: "Spital, soll ein Aufsehens derhalben gehalten werden, damit derselb ehrlich und wohl gehalten werde." Damals sagte man "der" Spital und nicht "das" Spital. Nach der Einrichtung des Presbyteriums wurden aus diesen die Aufsichtspersonen ber das Spital gew„hlt anstatt der "ehrbaren" M„nner, die frher von den Parochianen dazu bestellt waren. Aus den Protokollen des Presbyteriums von 1638 an erfahren wir manches ber die Verwaltung des Spitals. Dieses stand unter [Rechts: Seite 43] der Obhut eines Spitalmeisters, der fr seine Bemhungen 4 Malter Korn und etwas an Geld erhielt. Als 1644 die Frage er”rtert wurde, ob er von dem Magistratu politico (Vorstand der politischen Gemeinde) oder von dem Presbyterium allein anzunehmen sein, erkl„rte Niclas Geyer, er wisse doch, daá zwei Hofspitalmeister, sein Vater und Johann Textor, von dem Presbyterium angenommen worden seien. 1657 wurde von Hanau dem Pfarrer Hermann die Inspektion und Aufsicht auf das Spital aufgetragen und befohlen, zwei deputierte Personen, wie im Hanauer Spital br„uchlich, im Presbyterium zu erw„hlen und sie dem Hospitalmeister "um mehrerer und besserer Aufsicht und Nutzens wegen" beizufgen. Von der T„tigkeit des Presbyteriums fr das Spital erfahren wir, um nur kurz dies anzufhren, daá es 1638 eine Geldspende der verwitweten Gr„fin Catharina Belgia entgegennimmt, daá es infolge einer Besichtigung und "in Anhebung augenscheinlichen Ruins" dem Hospitalmeister befiehlt, die Hospitalb„ue wieder in gesunde Dachung zu bringen, die in Grund verwstet waren; daá es Leute in dasselbe aufnimmt; und weil, wie 1641 bemerkt wird, es dafr sorgt, daá die Hypothekenbriefe wieder erneuert werden; vor allem, daá es die j„hrliche Rechnung abnahm und guthieá. Das jetzt so genannte Spital ist ein Bau an Stelle des alten, der an die Stadt fr1800 Mark verkauft wurde und nun als Armenwohnung dient; aus der angelegten Summe sollte mit Zinsen ein Kapital erwachsen, das zu einem Neubau ausreiche. Die Inflation der Nachkriegszeit hat diese Absicht zu verwirklichen fr lange unm”glich gemacht. Das hessischer Organisationsedikt vom 29. Juni 1821 wollte und konnte den Zweck und die herk”mmliche Bestummung der Almosenkasse und des Hospitals nicht „ndern, sondern traf nur neue Anordnungen ber ihre Aufsicht und Verwaltung. Fr beide nun unter der Verwaltung der sog. Hospital- und Almosenkommission stehende Stiftungen besteht ein neues Statut vom 12. M„rt 1888; danach sind diese dazu bestimmt, "bedrftigen einheimischen Personen evangelisher Confession, welche das 18. Lebensjahr berschritten haben und nicht in einem offenbar unsittlichen Lebenswandel ergeben sind, sich auch im Besitze der brgerlichen Ehrenrechte befinden, Gelduntersttzungen in Form von Praebenden zu gew„hren". In dem Statut der Almosenkasse fehlt die Beschr„nkung auf das 18. Lebensjahr. [Links: Seite 44] IX. Windecken im Dreiáigj„hrigen Krieg 1618-1648 In der ersten Zeit des Dreiáigj„hrigen Krieges war Windecken besser daran als die umliegenden offenen D”rfer. Diese waren jeder Unbill der Feinde, jeder streifenden Partei ohne anderes preisgegeben, w„hrend Windecken verm”ge seiner Mauern und des Schutzes bietenden Schlosses der Grafen von Hanau seinen Einwohnern eine gewisse Sicherheit bot. Wir Finden deshalb auch zu verschiedenen Zeiten des Krieges Einwohner von Roádorf, Kilianst„dten, Ostheim, Dorfelden usw. als Flchtlinge in unseren Kirchenbchern eingetragen, die in dem einigermaáen gesicherten Windecken Zuflucht suchten. Die erste Notiz ber Einwirkungen des Krieges auf die Umgebung von Windecken finden wir im Verzeichnis der Gestorbenen vom Jahre 1622. Damals wurden "die Stadtpforten wegen des bayerischen und spanischen Kriegsvolkes, so nach erhaltener Victory bei H”chst am Main in dieser Gegend mit Plnderung schrecklich gehauset", zugehalten. In der Schlacht von H”chst am 20. Juni 1622 war Herzog Christian von Braunschweig von dem kaiserlichen Feldherrn Tilly geschlagen, dessen Truppen sich nun in der ganzen Geend verbreiteten und berall schrecklich hausten. Im folgenden Jahre lag das so.g Mortainische Regiment l„ngere Zeit hier als Einquartierung; am 10. Dezember 1626 wurde Windecken von einem Kaiserlichen Regiment erstrmet, mehrere Brger dabei verwundet und einer "beim Einfall der Cronenbergischen Reuterey an der Ostheimer Pforten von einem Soldaten durch den Kopf geschossen und also erschossen". Die Unsicherheit in jenen Jahren muá sehr groá gewesen sein, und 1628 wird im Kirchenbuch vermerkt, daá "die Stedter Pforten wegen dero streufenden Reuter zugehalten" wurde. Den gr”áten Schrecken erlebte das St„dtlein im Jahre 1634, als nach der Niederlage der Evangelischen bei N”rdlingen am 6. September die sp„rlichen schwedischen Heerestrmmer bis Frankfurt und weiter zurck wichen und ihnen die beutelsternden Scharen der siegreichen Spanier und Italiener, Kroaten und Ungarn nachfolgten. Einen rechten Einblick in die Greuel und Leiden jenes Krieges gestattet ein Eintrag auf der letzten Seite des „ltesten Kirchenbuchs, wo es, aus dem Lateinischen ins Deutsche bersetzt, heiát: "ALs nach der Niederlage, die bei N”rd- [Rechts: Seite 45] lingen die Kauserlichen den Unsrigen beigebracht, die Neapolitanischen Truppen die Wetterau verwsteten, wurden viele von unseren Brgern, die in die H„nde der Tyrannen fielen, teils durch Schsse niedergestreckt, teils mit Schwertern erschlagen, teils durch Untertauchen im Wasser ertr„nkt; viele sind an Krankheiten, die sie sich infolge der ausgestandenen Schrecken zugezogen, elend umgekommen. Unter ihnen befand sich, wehe, der hochachtbare und sehr gelehrte Herr Inspektor Georg Fabricius, ein ehrwrdiger Greis von fast 80 Jahren; nachdem er vorher vonden Croaten in seinem Pfarrhaus auf das j„mmerlichste geschlagen worden war, wurde er als Gefangener weggefhrt und ist in dem Dorfe Wehrheim, am Tisch sitzend, tot aufgefunden worden; von da wurde er von den Rodheimern abgeholt und ist in der Kirche zu Rodheim beigesetzt worde." Am Rande des Eintrags steht als Datum der 23. September 1634. Georg Fabricius war ein Theologe von groáer Bedeutung und Geltung, Mitglied auch des Hanauer Konsistoriums, der 1612 dem Grafen Philipp Ludwig II. die Ged„chnisrede in Hanau hielt und 1619 an der groáen Gesamtsynode der reformierten Kirchen in Dortrecht (Holland) teilgenommen hatte. Daá 1634 groáer Schaden an Geb„uden und Eigentum der Einwohner geschah, l„át sich leicht denken; ohne Zerst”rung und Brandstiftung ist es damals sicher nicht abgegangen. Der Anfang des Jahres 1635 brachte wieder viel Not, und zwar von den Freunden, den verbndeten Schweden und Franzosen, die wie in Feindesland hausten und viele Ortschaften ganz oder teilweise ein„scherten. In einem Verzeichnis vom 6. Februar 1635 wird gesagt: "Zu Windecken ist (so lang das Weimarische Volk allda gelegen) zu 9 unterschiedlichen Malen Feuer aufgegangen, aber allemal wieder ged„mpft und durch Gottes Gnad die Stadt erhalten worden bis auf eine groáe Scheuer aufm Schloá, so ganz einge„schert." Binnen zwei Monaten hatte die Grafschaft die mehr oder minder grndliche Zerst”rung von 37 blhenden Ortschaften zu beklagen. Wenn verbndete Truppen, die fr das Land k„mpften, so verfhren, was muáte erst da vom Feinde erwarten ! Man hatte bald Gelegenheit, ihn kennenzulernen. In der Nacht auf den 14. Mai 1635 hatten Hanauer Soldaten unter dem Grafen Jakob Johann von Hanau das kaiserliche Regiment Sparr in Staden berfallen, einen groáen Teil von ihm niedergemacht und zogen nun mit vielen Gefangenen und reicher Beute wieder heim. Auf dem Heimweg wurden sie von zwei Kroatenregimentern [Rechts: Seite 46] aufs heftigste angegriffen, wehrten sich aber so gut, daá sie bei geringem Verlust sich weder Beute noch Gefangene abnehmen lieáen. Voller Wut ber ihren Miáerfolg und den khnen Handstreich der Hanauer drangen nun die Kroaten in Windecken ein, wo sie namentlich das Schloá plnderten und zerst”rten. Viel mehr hatten die n„chsten D”rfer, Eichen, Ostheim und Bruchk”bel, zu leiden; sie wurden angezndet und niedergebrannt. Wenn einmal im Presbyterialprotokoll gesagt wird, daá schwedische Reiterei geplndert und Vieh geraubt habe, so werden es die Kaiserlichen nicht besser gemacht haben: sie lieáen nicht liegen als glhendes Eisen und Mhlsteine. So trugen Freund und Feind dazu bei, die Not st„ndig zu steigern. Der Krieg traf nicht nur den wehrhaften Mann; durch Vernichtung der Daseinsbedingungen Wehrloser wurde er in steter Steigerung zur furchtbaren Geiáel der davon Betroffenen. Man vergegenw„rtige sich: Mehrmals war das flache Land ausgeraubt und geplndert worden; die D”rfer lagen gr”átenteils in Schutt und Asche. Die Frucht auf dem Felde wurde vom Feind vernichtet, war sie wirklich geborgen, in angezndeten Scheuern mit Absicht dem Verderben preisgegeben. Ihr Preis stieg 1638 in Frankfurt auf das Neunfache, 1637 auf das Sechsfache, und selbst im fruchtbaren Jahre 1638 war er noch viermal so hoch als sonst. In den Jahren 1635 und 1636 starben eine Menge Leute in Windecken am Hunger, und zu seinen Opfern traten die von der furchtbaren Pest Dahingerafften, die, durch gr”áte Entbehrungen in ihrer Gesundheit geschw„cht, wenig oder keine Widerstandskraft mehr besaáen. Man bedenkeweiter: Damals wurde Hanau belagert: was die Bauern sich zogen, das holten die kaiserlichen Soldaten, bei denen selbst groáer Mangel herrschte; wie sollte da nicht auf dem Lande bitterste Not herrschen ? Einen Lichtblick in der schrecklichen Zeit bot das Erscheinen des Landgrafen Wilhelm V. von Hessen in Windecken, der am 13. Juni 1636 die Stadt Hanau befreite und entsetzte; aber der Krieg sollte noch 12 Jahre weitergehen, wovon man noch mancherlei zu spren bekam. Am 9. Oktober 1642 klagt Pfarrer Heimius "wegen des armen Schleppens seines Weibs und 4 kleinen Kindern zur Zeit der Flucht wegen der Soldaten"; am 14. April 1645 ist die Rede vom "Ausfliehen der marschierenden V”lker", vor denen man sich retten wollte; bayrische Soldaten plnderten in der Kirche, in der sie freilich nur das abgenutzte und durchl”cherte Tauftuch auf dem Kirchentisch des Mit- [Rechts: Seite 47] nehmens hielten. Am 4. November 1646 wird vermerkt, daá beiderseits Kriegsarmeen diesen Orten sich genahet und in specie die kaiserlichen und kurbayrischen V”lker allhier in diesem St„dtlein l„nger als ein Vierteljahr loschiert" h„tten. Als sie abzogen, lieáen sie in Windecken eine Besatzung liegen. Am 27. November wurde diese von dem schwedischen Regiment Schmidberger berfallen, wobei die Stadt und Kirche wieder sehr litten. Die Stadt wurde vollst„ndig ausgeplndert, das Vieh geraubt; was die Sieger nicht mitnehmen konnten, das gaben sie dem Verderben preis. In der Sitzung vom 2. Dezember 1646 redet das Presbyterium von dem "abermaligen Ruin" der Kirche. In jenem Jahr berichtet ein Werk von Windecken: "Liegt jetzunter fast auf die H„lfte in der Aschen und ist in eine elende Wstenei und Ein”de geraten." Welche Geldkosten damals den Leuten durch Einquartierung entstanden, geht z. B. daraus hervor, daá der Unterhalt nur einer Kompagnie Reiter dem Amt Bchertal eine Ausgabe von 61 000 Talern verursachte, was einem heutigen Geldwert von mindestens 750 000 Reichsmark entspricht. Als der Friede 1648 endlich geschlossen war, muáte die g„nzlich verarmte Grafschaft nach heutigem Wert mindestens eine halbe Million Reichsmark aufbringen. Die Verwstung an Eigentum, Haus und Hof, die Verminderung der Bev”lkerung und die Verrohung der Sitten in jener entsetzlichen Zeit des Dreiáigj„hrigen Kreiges kann in ihrem ganzen Umfang nicht geschildert werden. Hier ist nur einiges angefhrt, von dem man auf das Ganze schlieáen kann. Wie wir etwas Allt„gliches nicht besinders aufschreiben und uns merken, so hat man bei der langen Dauer des Krieges schlieálich auch nicht mehr der Drangsale und Bedrckungen besonders gedacht; sie waren etwas Allt„gliches geworden. Der Krieg mit seinen Schrecken, mit Mord, Brand und Raub war fast das Normale geworden, wir wir den Frieden fr das Normale und Natrliche ansehen. [Links: Seite 48] X. Ein Beitrag zur Windecker Familienkunde Im "Hanauischen Magazin", Monatsbl„tter fr Heimatkunde, 1931, Nr. 4/5, Seite 26-37, ist unter dem Titel "Familiengeschichtliches aus dem Windecker Kirchenbchern", ein Aufsatz von stud. med. Erika Hená, Windecken, erschienen, dem zum Teilk w”rtlich einiges entnommen wird. - Die Windecker Kirchenbcher z„hlen zu den „ltesten der Grafschaft; die der frher reformierten Gemeinde beginnen am 13. Mai 1577, die der frher lutherischen Gemeinde am 8. September 1684. Sieht man sich die Kirchenbcher an, "so bemerkt man ein Kommen und Gehen, einen Aufstieg und Niedergang der Geschlechter, undes hat besonderen Reiz, zu sehen, wie selbst in Gliedern sp„ter zugewanderter Familien und solche begegnen, die kraft ihrer Abstammung das Blut derer in sich tragen, die vor Jahrhunderten hier ans„ssig waren und deren Name l„ngst verklungen ist. Von den im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts und bis zum Dreiáigj„hrigen Krieg als in Windecken ans„ssig bezeugten Familien sind an Tr„gern ihrer Namen nur noch verhanden die Degen, Heil, Hochstadt, Lind, Merz, Schmalz und Traudt; andere, wie die frher sehr angesehenen und zahlreichen, schon fr das Ende des 15. Jahrhunderts nachweisbaren Menger, sind erst in neuerer Zeit hier verschwunden, und der ebenfalls alte Name Lind wird in absehbarer Zeit hier nicht mehr bestehen. L„ngst geh”ren die Bayer, Halbey, Spielmann (genannt Neuendorf), Scheffer, Mohr, Happ, Hagen, Scholl, Lufft, Vetter, Bartmann, Cleá, Pfungstadt, Hbsch, Juncker, Baumann, Kauá, Schenck, Bender, Wingeland, Fauerbach, Dein, Bickes, Erb, Kaur, Metzler, Schr”der, Obernheim, Bdener, Kelsch, Flick, Feig der Vergangenheit an, und wer weiá noch etwas von den Reich, Glsch, Meuerer, Fritz, Barthel, Hefferer, Fleischer, Pfeiff, Strack, Sutor, Kupferschmidt, L”her, Henckel, Fiedeler, Finkel, Ebert, Windecker, Nicolai, Hirtfelder, Frieá, Diel, Rod, Kaiser, Feth, Reidel, Scherer, Karl, Nipp, Wiesemer und wie sie sonst noch hieáen ? Von der Mannigfaltigkeit der Familiennamen in dem damals noch so sehr wesentlich kleineren Windecken macht man sich einen Begriff, wenn man erf„hrt, daá allein nach dem Verzeichnis der wehrf„higen M„nner von 1587 und den Eintr„gen in den [Rechts: Tafel Xa + Xb "Blick vom Schloá in das Tal", "Blick durch das Osttor der Burg in die Schloágasse"] [Links: Tafel XI: Alte Fachwerkh„user in Windecken] [Rechts: Seite 49] Kirchenbchern nur von 1577 bis 1587 sich ungef„hr 140 verschiedene Familiennamen feststellen lassen, w„hrend heute 242 gez„hlt werden, von denen zwei Drittel erst seit ungef„hr 50 Jahren, und zwar haupts„chlich in der letzten Zeit, bekannt wurden. Nicht einmal die Erinnerung an die alten klanvollen Namen ist geblieben." Im hohen Grade verheerend, ja fast vernichtend wirkten auf den Bestand der alten Windecker Einwohnerschaft Krieg und Pest. Die Pestjahre 1584, 1585, 1607, 1625, 1626, 1627, 1630 rafften viele dahin; im September 1634 fallen viele Einwohner dem Wten der Feinde zum Opfer, und im Anfang des Taufregisters von 1637 schreibt Pfarrer Hermann von der Menge derer, die in den letzten Jahren durch Hunger und Pest dahingerafft wurden. Was konnte da noch brig sein ? Und der groáe verderbliche Krieg w„hrte noch 11 Jahre ! "Einen ungef„hren Begriff von dem Untergang so mancher Sippe durch Hunger, Pest und Krieg in jener Zeit erh„lt man, wenn man erf„hrt, daá von den bis Ende des 16. Jahrhunderts nachweisbaren mindestens 160 Familiennamen sich nur noch 21 im Trauungsregister von 1636 bis 1670 finden, das sind 13 Prozent der alten. Die anderen waren verschwunden. Nur langsam ersetzte sich der gewaltige Menschenverlust, den Windecken namentlich im Dreiáigj„hrigen Kriege erlitten hatte. Neue Namen tauchten auf, hinter denen die alten fast vollst„ndig zurcktreten und verschwinden. Bei manchen neuen Einwohnern ist die Herkunft angegeben; bei gar vielen l„át uns das Kirchenbuch im Stich, namentlich bei solchen, die als verheiratet ans„ssig wurden. Viele Zugezogene schlossen sich an die sich bildende lutherische Gemeinde an, deren Kirchenbcher 1684 beginnen. Verschwunden sind wieder, um nur einige Familien aus dem reformierten Buch zu nennen, die Schtz aus Oppenheim, Seifried aus Heldenbergen, V”th (Feth) aus Metler, Knckel und Heyer aus Steinfurth, Dauth aus Eichen, Ruppel aus Usenborn, Bickes aus Sobernheim und Zell in der Pfalz, Beck aus Temm‚ls (Luxemburg), Tribout aus der Gegend von Metz, Spanheimer aus Schotten, Roth aus Hirschau (Oberpfalz), Hoffmann aus Culm (Schweiz) und Norhausen, Schlinglauf aus Mittelbuchen, S„ftel aus Stangelsz„hl in Bayern, Hahn aus Emmerod, Bassermann von Gronau, Groá aus Ostheim, Biermann aus Niedenstein (Hessen), Volmar aus Attel (Paderborn), Dietz aus Eichen, Voltz aus Hanau, Sinner aus Wolferborn, Wiprath aus Metz, Schartenholz aus Westuffeln, Faul aus Steinau bei Ziegenhain, Ermatinger aus Schaffhausen, Franck aus [Links: Seite 50] Offenbach, Baron aus Hanau, Wigandt aus Londershausen (Hessen), Gebb aus Alstorf (Lothringen), Becher aus Wachenbuchen, Staudter aus Neustadt an der Hardt, Hbenthal aus Bruchk”bel, Bach aus Hungen, Emmel aus Roádorf, Hirstein aus Edigheim (Pfalz), Hackspiel aus dem Allg„u, Schadt und Grunder aus Langenselbold, Blum aus Elm, Unger und Siebert aus Ostheim, Hild aus Offenbach, Prinz aus Roádorf. Aus dem lutherischen Kirchenbuch seien an ebenfalls wieder verschwundenen Familiennamen genannt: Sturm aus Assenheim, Wittich aus Heldenbergen, Burckhardt aus Pfettersheim (Pfalz), S„mann aus Oberflorstadt, Oberacker aus Staden, Gallenbeck aus Ortenberg, Grimmelbein aus Gontzenheim, Groáhans aus Eichen, Steinmetz aus Heldenbergen, Pullmann aus Nieder-Roábach, Leipold aus Offenbach, Ritz aus Niederstoll." Als Stammv„ter noch hier bestehender Familien seien nach dem Trauungsregister und dem Taufregister der reformierten Gemeinde von 1620 bis 1830 mit dem Jahr der ersten Erw„hnung genannt: Peter Schmidt, Bierbrauer, 1621; Valentin Quillmann, 1622; Henrich Beer (B„r), 1640; Wigand Reul, von Heldenbergen, 1642; Valentin Jost, von Oberdorfelden, 1643; Caspar Spielmann, 1644; Heinrich Fuá, 1651; Nicolas Weider, aus Diedorf, 1653; Kaspar Reul, 1653; Hans Schler, 1654; Hans Peter Frantz, 1662; Isaak Bauschard (Bauscher), aus R”delheim, 1678; Johannes Diegel, aus Rdigheim, 1682; Johann Nathanael Vollmann, aus Mark”bel, 1686; Johann Jakob Vogel, aus Bruchk”bel, 1702; Christoph Wagner, 1704; Franz Lapp, Chirurg, aus Heidelberg, 1704; Johann Henrich Schweinsberg, aus Geismar, 1736; Johann Georg Lotz, aus Niederzell, 1737; Johann Peter Emmerich, aus Preungesheim, 1747; Weitzel Lotz, aus Niederzell, 1747; Johann Michael Strempel, 1763; Andreas F”rter, von Ostheim, 1769; Johann Adam Demuth, aus Roádorf, 1767; Johann Dietrich R”diger, 1782; Johann Andreas Hinkel, aus Vilbel, 1768; Heinrich Waas, aus Ostheim, 1799; Johann Michael Kropp, aus Kilianst„dten, 1805; Hieronimus Schales, aus Hochstadt, 1816.- Nach den Registern der Lutherischen Gemeinde von 1684 bis 1830 sind als Stammv„ter hier noch blhender Familien zu nennen: Hans Muth, 1684; Hans Henrich Walther, 1687; Johann Kasimir Schneider, 1706; Sigfried F„rber, aus Bdesheim, 1711; Johann Henrich F„rber, aus Kleinkarben, 1716; Johann Henrich Westphal, aus Langenbergheim, 1717; Johannes Gebhard, von Rdigshain, [Rechts: Seite 51] 1735; Johann Henrich Pfeiffer aus Hirtzenhain, 1743; Johann Konrad Stein, aus "Freyn Sehn", 1745; Johann Ludwig Dahl, aus Offenbach, 1774; Johannes Spielmann, aus Lindheim, 1776; Johann Henrich Vollbrecht, aus Dauernheim, 1797; Konrad Stephan, aus Dauernheim, 1798; Johann Heinrich Klosterbecker, aus Schlitz, 1804; Johannes Clauá, aus Niederflorstadt, 1806; Johannes Bretthauer, aus H”chst, 1809; Johannes Hack, aus Eckardroth, 1812; Johann Balhasar Schuch, aus Dortelweil, 1826. Es bedarf wohl keines besonderen Hinweises darauf, daá in den letzten 300 Jahren eine groáe Anzahl wieder vollst„ndig verschwundener Familiennamen hier auftreten; aus der Reihe der hier nicht mehr, aber ausw„rts noch fortbestehenden Sippen seien folgende genannt: 1. Bartmann. Der letzte Tr„ger dieses schon in der ersten H„lfte des 16. Jahrhunderts vorkommenden Namens starb hier mit Johann Peter B. am 7. 1. 1814; die Familie ist noch in Frankfurt am Main vertreten. 2. Baumann. Mit Johann Christoph B. starb am 15. 10. 1810 die seit 400 Jahren nachweisbare Familie hier aus; sie besteht noch weiter in den Nachkommen des 1654 hier geborenen Konrad B., der sich 1769 nach Erbstadt verheiratete. Von da verbreiteten sich seine Nachkommen nach Ostheim, Eichen, Rdigheim, Mittelbuchen, Bruchk”bel und weiter. Am 17. 10. 1917 starb zu Windecken der Pfarrer Metropolitan Gustav Jakob Baumann, der, 1851 zu Mittelbuchen geboren, vom 1. 5. 1895 in Windecken Pfarrer war, ihne zu wissen und zu erfahren, daá dies die Urheimat seiner Familie sei. 3. Dietz. Als letzter Namenstr„ger starb daher Heinrich Philipp D. am 4. 8. 1929; die Familie ist noch vertreten in Schlangenbad-Schwambach und in Richmond N.-A. 4. Menger. Mit dem Hochmller Heinrich Wilhelm Achatius M. starb hier am 2. 5. 1886 die Familie aus, die aber noch in Frankfurt am Main weiterbesteht. 5. Spielmann. Mit dem 1828 geborenen Michael Sp. starb der letzte hiesige Tr„ger dieses Namens als Nachkomme des 1644 zuerst genannten Caspar Sp. am 7. 2. 1890; die Familie ist durch m„nnliche Glieder noch vertreten in Frankfurt am Main, Niederweimar bei Marburg und anderen Orten. Manche Sippen, wie die Reul, Schmidt, Weider und Westphal, sind gegenw„rtig hier stark vetreten; andere, wie die Pfeiffer, Lind und die Nachkommen des aus Lindheim stammenden Johannes Spielmann (1749-1813), werden beim Mangel m„nnlicher Nachkommen in absehbarer Zeit hier zu den verschwundenen geh”ren. [Rechts: Seite 52] XI. Die Pest in Windecken Bader, Chirurgen, Žrzte; Apotheke Unter den furchtbaren Seuchen frherer Zeit ist an erster Stelle die Pest zu nennen, von deren Wten uns die Kirchenbcher viel erz„hlen. Im Gegensatz zu Influenza und Cholera, bei denen ein pl”tzliches schnelles Ansteigen der Erkrankungszahl zu verzeichnen ist, breitete sich die Pestepedemie nur langsam aus. Die šbertragung erfolgte besinders in der khleren Jahreszeit aus verseuchten H„usern, wo sich die Leute in engen Quartieren unter vielfach ungnstigen sanit„ren Verh„ltnissen dicht zusammendr„ngten. Die Epidemien waren „uáerst m”rderisch; von den Erkrankten starben wohl zwei Drittel, so daá D”rfer und St„dte ver”deten und ganze Familien rasch erloschen. W„hrend 1582 und 1583 sich die Pest nur wenig bemerkbar gemacht hatte, starben 1584 im ganzen 70 Personen, davon im Oktober allein 30; in diesem Monat starben aus der Familie des Georg Dein 8 Personen, im November aus der des Velten Reidel 5. Im Jahre 1585 starben 50 Leute; im Herbst war die Sterblichkeit gr”áer. In den n„chsten Jahren machte die Krankheit sich weniger bemerkbar, um dann wieder anzusteigen. šber die Art der Verbreitung der Krankheit und Beerdigung der an der Pest Verstorbenen erfahren wir 1599/1600 folgendes: Am 12. 12. 1599 stirbt der Balbierers Valentin Vogel Tochter, am 28. 12. seine Frau. "Und weil ein starker Verdacht gewesen, als sollte sie an der Pestilenz gestorben sein, hat der Magistrat nicht gestatten wollen, daá sie am Tage mit gew”hnlichen Solemnit„ten begraben wrde; ist derowegen den 2. Tag hernach den Abend um 6 Uhr von ihm, Valentin Vogel selbst, zum Begr„bnis ausgefhrt und also bei n„chtlicher Weile begraben worden." Anfang 1600 starben des Vogel Lehrjung und sein Sohn. Der Keller Paul Ludwig macht Ende April 1600 dem Vogel den Vorwurf der Leichtfertigkeit, Als des gewesenen Stadtschreibers Hausfrau gestorben, habe dieser dem Vogel die Kleider gegeben; dessen Tochter von 12 Jahren habe sich darber entsetzt und sei gestorben; bald darauf habe seine Frau sich gelegt und sei auch gestorben. Pestf„lle kommen in der Folgezeit mehr vereinzelt vor; 1607 war ein ausgesprochenes Pestjahr, in dem mehrenteils an der Pest [Rechts: Seite 53] 120 Personen starben, abgesehen von denen, die dem Pfarrer nicht bekannt wurden; vom 1. 9. bis 31. 12. allein 79 Personen, zum gr”áten Teil Opfer der Pest. In den folgenden Jahren erlosch die Pest nicht ganz; ein groáer Teil der 53 Todesf„lle von 1625 kommt auf ihre Rechnung in den Monaten August bis Dezember. 1627 und 1630 tritt die Pest wieder stark auf; von den 123 Todesf„llen des letzten Jahres entf„llt der weitaus gr”áte Teil auf die unheimliche Krankheit. Bercksichtigt man noch die ungenannte Zahl derer, die in den n„chsten Jahren nach 1634 an der Pest starben, so kann man sich einen Begriff von dem furchtbaren Wten jener Seuche und dem Dahinschwinden der Bev”lkerung in jener Zeit machen. In welcher Weise einzelne Familien dahingerafft wurden, dafr nur folgendes: Im August 1607 sterben des Schnatzhansen Frau, sein S”hnlein, er selbst und seiner brigen Kinder etliche; bald darauf der welsche Schnrmacher Samson, seine Frau und vier Kinder; Anfang September werden die Witwe und drei Kinder des Melchior Bender zugleich begraben, alle Opfer der Pest. Diese wurden in der Regel bei n„chstlicher Weile beerdigt, vielfach von ihren n„chsten Angeh”rigen. Manche Erkrankte brachte man in das Pestilenzh„uschen, wo sie bald starben. Um die „rztliche Hilfe war es in jener Zeit schlecht bestellt; Bader und Barbiere halfen, soweit sie vermochten. 1594 wird zwar der Windecker Johannes Cleá als Magister und Arzt genannt, der aber bald verzog, Nach Hanau wurde erst 1606 ein Arzt berufen. Manchmal war man froh, wenn ein "medicus circumforaneus" auftauchte, ein Arzt der im Umherziehen sich anbot und dessen Hife man in Anspruch nehmen konnte. Selbst gr”áere Operationen scheinen im Notfall von wenig dazu geschickten H„nden ausgefhrt zu sein. Im November 1601 wird ein Waldf”rster begraben, dem zuvor ein Ast im Wald den Schenkel entzweigeschlagen und j„mmerlich zerschmettert hatte, also daá man ihm am dritten Tag hernach denselben gat hat abschneiden mssen, darauf er doch so bald unterm Schnitt verschnieden; war ein sehr schrecklich und erb„rmlich Spectacul, wie es das Kirchenbuch meldet. Mit der „rztlichen Betreuung der Einwohnerschaft scheint es von der Mitte des 17. Jahrhunderts an besser geworden zu sein. Im Juni 1655 wird zum ersten Male genannt der Barbier Nicolaus Gebb (G”bb, Gepp) aus Alstorf in Lothringen (gest. 1695), der wohl seines Glaubens wegen aus der Gegend von Saargemnd, woder Name heute noch vorkommt, nach Windecken bersiedelte; er war [Links: Seite 54] zugleicht Wundarzt. In der fortlaufenden Ahnenreihe von Nicolaus Gebb bis zu dem Sohne Heinz des bekannten Frankfurter Augenarztes Prof. Dr. med. H. Gepp sind es 9 Generationen; darunter mit einer Unterbrechung achtmal Heilkundige; in der Familie berhaupt bis jetzt 15 Angeh”rige des Heilberufs, ein besonderes Beispiel der Berufsvererbung in einer Familie durch die Jahrhunderte. Als Chirurgen treten uns seit Anfang des 18. Jahrhunderts entgegen Cornelius Auth„us, geb. zu Frankfurt 1665, gestorben zu Windecken 16. 2. 1730; sein Sohn Mauritius Valerius Auth„us, geb. zu H”lste (Waldeck) 5. 2. 1700, gestorben zu Windecken 10. 7. 1758, hatte sich 1732 mit Johanna Elisabetha Hochstadt verheiratet. Weiter werden genannt Amtschirurg Johann Christian Sch”nbach, gestorben 2. 10. 1793 im Alter von 60 Jahren; Daniel Christian Friedrich Diestlieb, gestorben 14. 8. 1791 im Alter von 33 Jahren; Amtschirurg Johann Ernst Wolf, gestorben 29. 8. 1826 im Alter von fast 40 Jahren. Erst von dieser Zeit am begegnen uns praktische Žrzte, Doktoren der Medizin, zu kurhessischen Zeiten beauftragt mit der Verrichtung eines Amtsphysikus. Nachdem die lutherische Kirche abgebrochen war, wurde auf einem Teil des zu ihr geh”rigen Gel„ndes die Apotheke errichtet, w„hrend der brige Teil deselben zur Anlage der sog. Neugasse verwendet wurde. [Rechts: Seite 55] XII. Wirtschaftliches. - Mhlen und Gasth„user; Handel und Gewerbe in Windecken; Einwohnerzahl Es ist leicht zu verstehen, daá die Verleihung der Stadtrechte und die damit verbundene Einrichtung der Wochenm„rkte sich gnstig fr das wirtschaftliche Leben Windeckens auswirkten, wenn auch keine bestimmten Angaben darber in der „lteren Zeit gemacht werden k”nnen. Zu den „ltesten wirtschaftlichen Unternehmungen z„hlen die Niddermhle und die Hochmhle, frher die Mhle zum hohen Rad genannt. Beide k”nnen auf ein Alter von mindestens 500 Jahren zurckblicken; die Mhle vor der Heldenberger Pforte, n„chst bei der Stadtmauer, ist schon 1413 urkundlich bezeugt und heute noch im Betrieb, w„hrend die Hochmhle schon ungef„hr 40 Jahre als Mhle aufgegeben ist. 1645 war sie in Besitz des Dietrich Bassermann, des Stammvaters der bekannten Gelehrten und Knsterlfamilie Bassermann. Nach einer Urkunde von 1453 mssen mindestens zwei Gastwirtschaften zu Windecken gewesen sein, die auch auf Beherbergung eingerichtet waren. 1578 wird der Wirt "Zum Mohren" erw„hnt, sp„ter der "Weiáe L”we", in dem wir heute wohl den "Goldenen L”wen" zu sehen haben, eines der „ltesten und in seiner Anlage bedeutensten H„user von Windecken. Viel Verkehr brachte es, wenn "Gerichte oder Markttag und das Landvolk zu Wonnecken" waren, wie 1453 gesagt wird. Die regelm„áig stattfindenden M„rkte begnstigten das Aufkommen eines zahlreichen Handwerkerstandes. In dem Kirchenbuch finden wir bis in den Dreiáigj„hrigen Krieg als Gewerbetreibende genannt: Schumacher, Schneider, B„cker, Bender (Kfer), Bierbrauer, Taschenmacher, S„ckler, Schreiner, Schmiede, Hosenstricker, Zimmerleute, F„rber, Schnrmacher, Metzger, Fenstermacher, Messerschmiede, Mller, Leineweber, Sattler, Rot- und Weiágerber, Rotgieáer, Kannengieáer, Steindecker, Dachdecker, Seiler, Maurer, Schwarzf„rber, Buchbinder, Wagner, Teppichkr„mer, Barbiere, Bader, Weiábinder und Schlosser. Alle diese Handwerker mssen auch fr den Bedarf der Umgegegend gearbeitet haben und trugen so zur Hebung des Wohlstandes ihrer Gemeinde bei. Der Dreiáigj„hrige Krieg bereitete der Flle dieser Berufszweige ein Ende. [Links: Seite 56] Ein Gewerbe verschaffte Windecken besonderen Ruf, die Glockengieáerei seit der Mitte des 18. Jahrhunderts. Der erste Windecker Glockengieáer war Johann Peter Bach, 1722 zu Hungen als Sohn des Spritzenmachers Johann Georg B. geboren; gestorben 1780; verheiratet mit Anna Katharina Spielmann von Windecken, geb. 1722, gestorben 1807. Es scheint 1748 nach Windecken gekommen zu sein, wo er den Glockenguá und die Anfertigung von Spritzen betrieb. Nach einem Vertrag von 1756 goá er fr das St.-Peter-Stift zu Mainz ein gr”áeres Gel„ute - die schwerste Glocke wog 60 Zentner - fr den Preis von 9205 Gulden 20 Kreuzer = 15 800 RM.; das Pfund wurde ihm mit 32 Kreuzer = 91 Rpf. vergtet. Die Gr”áe des Gel„utes darf als Beweis seiner Leistungsf„higkeit angesehen werden. Das Gel„ute galt als das sch”nste in Mainz. Da er als Stck- und Glockengieáer bezeichnet wird, scheint er auch Geschtze gegossen zu haben. Ein Sohn von ihm, war seit 1811 Repetent fr Kriegswissenschaft an der Artillerie- und Genieschule in Kassel und starb 1827 als Major zu Ziegenhain. Die Familie B. weist eine Anzahl tchtiger Pers”nlichkeiten auf. Philipp Heinrich Bach, geb. 26. 5. 1829, starb als letzter Glockengieáer des Hanauer Landes am 6. 12. 1906 in Fechenheim bei seinem Sohne, Konrektor Heinrich Bach. - Von besonderen Gewerben seien genannt die bis vor ungef„hr 100 Jahren betriebene Bierbrauerei, Ziegeleien und F„rberei. Die Einwohnerschaft ist wesentlich auf die Landwirtschaft angewiesen; an den frher stark betriebenen Weinbau erinnert nur noch die Flurbezeichnung "Wingert", und der Tabakanbau ist auch seit ungef„hr 100 Jahren abgekommen. Die Einwohnerzahl Windeckens kann am Ende des 16. Jahrhundert auf ungef„hr 800, h”chstens 900 veranschlagt werden. Von dem Dahinschwinden der Bev”lkerung durch Hunger, Krieg und Pest war schon die Rede. Es dauerte vom Ende des Dreiáigj„hrigen Krieges an ber 100 Jahre, bis sich das St„dtlein, namentlich durch starken Zuzug von auáen, einigermaáen erholt hatte; erst 1754 finden wir in 111 Geb„uden 872 Einwohner, von denen 89 Juden waren. 1834 z„hlte man 1306 evangelische, 2 katholische und 116 jdische, zusammen 1424 Einwohner. Bis zum Jahre 1875 trat keine Vermehrung der Einwohnerzahl ein; erst von da an ist ein leichtes Ansteigen zu verzeichnen. Es wurden an Einwohnern gez„hlt 1875:1433; 1880:1522; 1885:1481; 1890:1574; 1895:1600; 1900:1624; 1909:1715; 1914:1742; 1919:1702; die gegenw„rtige Einwohnerzahl ist 2027. [Rechts: Tafel XIV "Das Wartb„umchen bei Windecken"] [Links: Tafel XVa+b: "Fachwerk„user am Lehnhof" "Blick auf das Schloá (Amtsgericht)"] [Rechts: Tafel XIIa+b: "Altes Haus mit Torbogen (Amtshaus; "Das L„mmchen"); "Altes Fachwerkhaus" [Links: (Quer) Tafel XIII: "Ansicht von Windecken um das Jahr 1800 Von links nach rechts: reformierte Kirche; lutherische Kirche; Kilianst„dter Tor [Rechts: Seite 57] XIII. Aus der Zeit von 1800 bis zur Gegenwart Am 15. Mai 1803 hatte Landgraf Wilhelm IX. von Hessen den Titel eines Kurfrsten angenommen, zu einer Zeit, als diese Wrde beim Hinsiechen des alten deutschen Reiches bedeutungslos geworden war; bald sollte da neue Kurfrstentum fremder Gewalt erliegen: Mit seinem Untergang am 1. November 1806 kam das Frstentum Hanau unter franz”sische Verwaltung und bildete von 1810 an ein Departement des Groáherzugtums Frankfurt. Es war eine Zeit gr”áter Bedrckung und Ausbeutung auch der Gemeinden. Ihr Ende fand die Fremdherrschaft durch die Schlacht bei Hanau und die Freiheitskriege. Nach der Schlacht hatte Windecken unter Plnderung eingedrungener Kosaken zu leiden und namentlich durch das auftretende Nervenfieber, in Wirklichkeit Lazarettfieber, das in den n„chsten Monaten eine gr”áere Anzahl von Einwohnern dahinraffte. An den Freiheitskriegen nahmen 48 K„mpfer teil, und zwar 20 aus der reformierten und 28 aus der lutherischen Gemeinde, deren Namen auf besonderen Tafeln in der Kirche verzeichnet sind. Infolge der Kirchenvereinigung von 1818 traten die beiden evangelischen Gemeinden zu einer zusammen, die dann ihre Gottesdienste in der frher reformierten Kirche feierten; die nicht mehr gebrauchte lutherische wurde 1834 abgebrochen. Die hessische Gemeindeverordnung 1834 bedeutete einen starken Schritt zur freieren Selbstverwaltung und verwischte den Unterschied zwischen Stadt und Land fast v”llig, was indessen bei dem d”rflichen Charakter der meisten kleinen hessischen St„dte nicht so sehr ins Gewicht fiel. Der Ortsvorsteher erhielt den Titel Brgermeister, der bisher die Bezeichnung fr den Rechnungsfhrer war. Dem Brgermeister trat zur Seite der Stadtrat. 1847 war ein Hungerjahr, „nnlich dem von 1817; froh war, wer von einem Gange nach Hanau nur einen Laib Brot nach Hause brachte; der am 2. 12. 1847 verstorbene Niddermller Johann Leonhard Christoph Str”bel hat damals durch Speisung Armer viel Gutes getan. Im Herbst gab es eine derart reiche Obsternte, daá der Zentner Žpfel fr 24 Kreuzer = 69 Pfennig verkauft wurde. Das Jahr 1848 brachte auch nach Windecken mancherlei Unruhen, und um "den [Links: Seite 58] gegenw„rtigen Reformbewegungen, wie sie Hanau's hochherzige Bewohner jetzt entwickeln, sich anzuschlieáen", erkl„rte sich der Stadtrat bereit, eine der Einwohnerzahl angemessene Zahl waffenf„higer Mannschaft zu stellen. Es kam aber nicht dazu. Abgesehen hiervon konnte sich Windecken weiterhin unter der hessischen Regierung einer verh„ltnism„áig ruhigen Entwicklung erfreuen, bis es 1866 mit dem ganzen Kurhessen dem preuáischen Staate einverleibt wurde. Nach dem siegreichen Feldzug von 1870/71 gegen Frankreich, an dem 43 Krieger aus Windecken teilnahmen, von denen zwei blieben, besserten sich die wirtschaftlichen Verh„ltnisse merkbar, wozu weiterhin die Er”ffnung der Bahnstrecke Hanau-Friedberg am 15. Oktober 1881 beitrug; an das allgemeine Bahnnetz ist Windecken ferner durch die Strecke Frankfurt-Stockheim angeschlossen. An dem Weltkrieg 1914/18 nahmen aus Windecken 393 K„mpfer teil, von denen 67 ihr Leben fr das Vaterland lieáen. Es leuchtet ein, daá das wenige, was hier aus der Zeit seit Anfang des letzten Jahrhunderts gesagt werden konnte, uns keinen Einblick gestattet in das, was doch wichtig ist und nicht unbercksichtigt bleiben darf, das Leben der Einwohner in jener Zeit. Es war ein Jahrhundert der Mhen, der Sorgen und der schweren Arbeit. Wer von der jetzigen Generation weiá noch etwas davon, wie schwer gerungen einst der Ahn' auf mhevoller Lebensbahn ? Die Zeit nach den Freiheitskriegen von 1813/1815 war infolge der vorhergegangenen Unruhen und Kriegswirren, der Ausbeutung und Unterdrckung durch fremde Gewaltherrscher eine Zeit der Armut und Not, von der man sich gew”hnlich keine rechte Vorstellung zu machen weiá und zu deren šberwindung alle Kr„fte eingesetzt werden muáten. Da galt es, sich zu bescheiden und zu arbeiten; saure Wochen ohne Feste. Der Konfirmand war froh, wenn er am Tage der Einsegnung einen Weck bekam; Fleisch kam wenig, nur am Sonntag etwas vom Selbstgeschlachteten, auf den Tisch; und bis die Eisenbahn Erleichterung brachte, gingen die braven Bauhandwerker am Montag sehr frh zu Fuá nach Frankfurt, wo sie die Woche ber sich aufhielten, um erst am Samstagabend wieder heimzukehren. "Als ich heiratete, hatte ich nichts als einen Stuhl; ich kaufte vorher noch in Ostheim einen fr meine Frau", erz„hlt ein Arbeiter, der es durch Fleiá und Sparsamkeit zu einem H„uschen und Grundverm„gen brachte, vorher aber nichts als zwei H„nde und guten Willen hatte. [Rechts: Seite 59] Ehestandsdarlehen gab es damals nicht. Ein 1825 geborener Schreinermeister erz„hlte, daá er als junger Geselle fr t„gliche Arbeit vom Morgen bis Abend bei freier Kost und Wohnung einen Wochenlohn von 24 Kreuzern = 69 Pfennig erhalten habe. Die Hoffnung, in der Fremde ein besseres Auskommen zu finden, veranlaáte manchen zur Auswanderung; 1854 und 1855 zogen allein 35 Personen nach Amerika, was auch in der Folgezeit noch das Ziel so mancher blieb. H”rte man die Schilderung „lterer Leute aus ihrer Jugendzeit, so konnte man Bewunderung denen nicht versagen, die unter ungnstigen Bedingungen in der Heima den Kampf des Lebens in der Hoffnung auf Besserung der Verh„ltnisse aufnahmen und sich durchsetzten; ihr Vertrauen wurde nicht get„uscht. Eine Aufw„rtsbewegung war nicht zu verkennen, die sich bis zum Weltkrieg in der Lebenshaltung, im Hausbau und Hausrat offenbarte. Dann kam der Rckschlag infolge des unglcklichen Ausgangs des Weltkrieges, der ein im Felde unbesiegtes Volk, das ber vier Jahre einer Welt von Feinden gegenber standgehalten, bei ersch”pfter Kraft zur Niederlegung der Waffen zwang. Es schien, als ob Deutschlands Schicksal fr immer besiegelt sei, und es sollte auch so nach der Absicht der Feinde sein. Nur mit tiefster Trauer kann die deutsche Seele an das denken, was nun folgte. Zerrissenheit im Innern, Ohnmacht nach auáen, stets wachsende Verarmung und Not auf allen Gebieten, unter volksfremdem Einfluá Abkehr von allem, was einst der V„ter Stolz, Halt und Kraft war, kennzeichnen diesen traurigsten Abschnitt in der Geschichte unseres geplagten Volkes. Wer wollte, wer konnte dem stets abw„rts rollenden Rad in die Speichen greifen und seinen alles zermalmenden Lauf aufhalten ? Wer noch deutsch war und fhlte, muáte mit Emanuel Geibel, dem deutschen S„nger aus Hanauer Blut, seufzen, sehenen und sagen: "Ein Mann ist not, ein Nibelungenenkel, daá er die Zeit, den tollgewordnen Renner, mit ehrner Faust beherrsch' und ehrnem Schenkel". Und der Mann kam, der Deutschland wieder lehrte, an sich selbst zu glauben und Heil in eigener Kraft zu suchen, der Fhrer unseres Volkes im Dritten Reich, Adolf Hitler ! Schien es nach dem Weltkrieg, als habe unser Vaterland nur eine Vergangenheit, heute glauben wir an seine Zukunft, und in unseren Tagen begráen wir die Rckkehr der Deutschen der Ostmark in das gr”áere Deutschland, wieder hoffnungsvoll nach einer Zeit des Niedergangs und gr”áten Leides Gedenke, daá du ein Deutscher bist ! [Links: Seite 60] XIV. Das Wartb„umchen bei Windecken Wenn man von Windecken nach Roádorf geht, findet man ungef„hr in der H„lfte des Weges, auf dem zwischen den beiden Orten sich erstreckenden H”henrcken, unmittelbar ”stlich der Kreuzung der Straáe von Windecken nach Hanau mit den von Bergen ber Kilianst„dten nach Mark”bel fhrenden sog. "Hohen Straáe" einen gedrungenen m„chtigen Lindenbaum mit weit ausladenden Žsten, der durch seinen Standort und herrlichen Wuchs eines jeden Aufmerksamkeit in hohem Grade fesselt: den Wartbaum oder, wie er trotz seines ehrwrdigen Alters und seiner kraftvollen Erscheinung gew”hnlich bezeichnet wird, das Wartb„umchen (vgl. Taf. XIV). Ob diese Bezeichnung zurckreicht in die Zeit, in der er noch klein war und den Namen eines Baumes noch nicht verdiente, oder ob sie ein Kosename ist, wer will es fragen? So nennt wohl die Mutter noch oft mit z„rtlichem Kosewort, mit der Verkleinerungsform des Namens den Sohn, der l„ngst zum starken Mann herangewachsen ist und sie um Hauptesl„nge berragt, denn sie liebt ihn und denkt noch gerne an die Zeit zurck, da er ein Kn„blein war; in gleicher Weise denken auch vielleicht die Einwohner der um den Wartbaum zun„chst liegenden Ortschaften, die Windecker, Roádorfer, Kilianst„dter und Ostheimer, bei seiner Benennung als Wartb„umchen an seine Jugendzeit und drcken damit zugleich ihre Zuneigung zu dem Baume aus: sie h„ngen an ihm und haben ihn lieb; sie m”chten ihn nicht um vieles missen, denn er ist ein herrlicher Schmuck und das Wahrzeichen der Heimat. Wie von hoher Warte schaut er auf die gesegneten Fluren, die zu seinen Fáen vom fleiáigen Landmann bestellt werden, und weithin in das Land hinein, das sich ausbreitet, begrenzt von Taunus, Vogelsberg und Spessart. In dem Schatten seiner Žste haben schon viele von beschwerlicher Wanderung ausgeruht, und alle, die seit Jahrhunderten hier weiter nichts als ein stilles Pl„tzchen fr kurze Kraft suchten, haben mehr gefunden als begehrt; sie wurden noch erfeut durch eine herrliche Fernsicht in die ganze Umgegend. Wohl kaum ein Punkt im Norden unseres Kreises ist es so wert aufgesucht zu werden wie gerade die H”he, auf der das Windecker Wartb„umchen steht. [Rechts: Seite 61] Unser Blick schweift aber von dieser Stelle nicht nur ber die reichen gesegneten Gefilde unserer Heimat; er wird von dieser Stelle auch in ihre Vergangenheit gelenkt, denn der Wartbaum erz„hlt uns mancherlei aus der Hanauer Landesgeschichte, ja auch aus der Geschichte unseres deutschen Volkes bis in die neuste Zeit hinein. Sicher hat der Baum seinen Namen von einer der l„ngst eingegangenen Warten, die zur Sicherung der noch aus der r”mischen Zeit herrhrenden von der 'Porta principalis dextra' des Mark”beler Kastells nach Nied ber Bergen fhrenden "Hohen Straáe" angelegt waren und von denen eine noch 1544 als zwischen Kilianst„dten und Bergen befindlich "an der ferrst lohe" erw„hnt wird. Eine lateinische Bezeichnung des Wartb„umchens finden wir in einem alten Windecker Kirchenbuch. Am 31. Januar 1658 wird ein Mann, der infolge der herrschenden groáen K„lte auf der Straáe "prope ad arborem speculatoriam" - in der N„he des Wartbaums - seinen Tod gefunden, begraben. Ins Licht der Geschichte tritt das Wartb„umchen in den Tagen, die der durch eine langwierige, heldenhaft ertragene Belagerung schwer geprften Stadt Hanau Hilfe und Rettung brachten: In der Nacht vom 10. auf den 11. Juni 1636 lieá Landgraf Wilhelm V. von Hessen, nachdem er in Windecken angekommen war, auf der H”he "bei dem Wartb„umchen genannt" ein Geschtz auffhren und den Belagerten durch zwei Kanonenschsse sowie durch ein weithin leuchtendes Fanal seine Ankunft und die N„he seines Heeres melden. Dem die Schweden zur Untersttzung der Hessen herbeifhrenden Feldmarschall Leslie gelang es, aufgehalten durch schlechte Wege, erst am 12. Juni sich mit der Macht des Landgrafen zu vereinigen. Der Angriff auf den Hanau belagernden General Lamboy wurde auf den folgenden Tag festgesetzt, an dem dann auch die Stadt befreit wurde. Nach drei Tagen, am 16. Juni, sah der Wartbaum die siegreich heimkehrenden hessichen Truppen auf dem Weg nach der Heimat. Der Dreiáigj„hrige Krieg ist zu Ende; emsige Arbeit von mehr als 100 Jahren, freilich oft genug gest”rt durch schlimme Zeiten, hat versucht, seine Spuren zu tilgen, verharschende Wunden zu heilen, zerst”rte St„dte und D”rfer wiederherzustellen und das zertretene Land in frhem Umfang unter den Pflug zu nehemen; da tobt von neuem ein langj„hriger verheerender Krieg durch Deutschlands Gaue; der Siebenj„hrige Krieg gibt wieder fremden V”lkern Anlaá, in die [Links: Seite 62] Verh„ltnisse unseres Vaterlandes einzugreifen und ihre Truppen auf seinem Boden sich tummeln zu lassen. Auch davon weiá das Wartb„umchen etwas zu berichten. Der Krig von 1756 bis 1763 sah Hessen, dem 1736 die Grafschaft Hanau- Mnzenberg nach dem Erl”schen ihres Grafenhauses zugefallen war, an der Seite Preuáens. Hanau fiel bald in die Gewalt der Franzosen, in der es bis zum Ende des Krieges blieb. Am 2. Januar 1759 bem„chtigte sich ihr Fhrer, der Prinz von Soubise, der Stadt Frankfurt, die der Herzog Ferdinand von Braunschweig ihnen entreiáen wollte. Am 12. April 1759 hatte er sein Hauptquartier in Windecken, wo einige 60 Gefangene gemacht wurden und seine Armee in drei Heeress„ulen ankam. Als ihr Sammelplatz war fr den 13. April die H”he beim Wartb„umchen zwischen Roádorf und Kilianst„dten bestimmt. Von hier aus griff der Herzog die feste Stellung der Franzosen bei Bergen an, ohne den Sieg an seine Fahnen heften zu k”nnen, und in der Nacht vom 13. auf den 14. April 1759 sah der Wartbaum, wohin sich das deutsche Heer zurckgezogen hatte, auf das Lager derer, die der šbermacht den Sieg zu entreiáen nicht imstande gewesen waren, und die alte Linde ist Zeuge vom Trauern und Klagen eines geschlagenen deutschen Heeres. Aber der Wartbaum weiá uns auch von jubelnder Freude ber die Besiegung und Niederwerfung desselben Feindes zu berichten. Freilich, schwere Zeiten hat er inzwischen gesehen. Das Joch der Fremdherrschaft hat jahrelang auf dem Lande gelastet, und ehe es noch vollends zerbrochen ist, schallt am 30. und 31. Oktober 1813 der Donner der Schlacht von Hanau zu ihm herauf. Napoleon muá trotz seines Erfolges ber die Bayern seine Flucht nach Frankreich fortsetzen; seine Macht hat bei Leipzig die Todeswunde erhalten. Der GEd„chtnistag jener Schlacht wurde 1814 auch am Wartbaum festlich in glanzvoller Weise begangan, wie in ganz Deutschland, so daá Ernst Moritz Arndt damals sagen konnte: "Wie Deutschland im Feuer aufgestanden war und aus Feuer und Flamme die Freiheit rettete, so hat es im Feuer die heiligen Tage begangen, so daá Stolz und Ehre auf das Wiedererrungene es hoch erhoben." Am 18. Oktober 1814 versammelte sich eine unabsehbare Menge, die auf 8-10000 Personen gesch„tzt wurde, auáer von Windecken selbst von Hanau und den benachbarten Orten beim Wartbaum, nachdem berall mit den Glocken zum Abmarsch gerufen war. Jede Gemeinde wurde mit dem Ehrengruá aus drei Kanonen empfangen. [Rechts: Seite 63] Alle waren festlich gekleidet und geschmckt, Lob- und Dankesges„nge schallten zum Himmel empor, und unter dem Klang der Musikinstrumente drang aus Tausenden von Kehlen nur eine Stimme, sprach nur eine Seele, t”nte nur ein Lob dem Allerh”chsten. Hierauf hielt der reformierte, schon 1823 frhverstorbene Pfarrer Karl Wilhelm Zimmermann, von dessen machtvoller Pers”nlichkeit die Windecker noch nach mehr als einem halben Jahrhundert erz„hlten, die begeisterte und begeisternde Festrede, nach deren Beendigung die ganze Menge laut schwur, Gott und dem Vaterland treu zu bleiben bis in den Tod. Nach dieser Feierlichkeit wurde unter schallender Musik der erste und zwei Stunden darauf der zweite Holzstoá angezndet; das Feuer brannte bis 12 Uhr nachts. "Die fr”hliche Menge jauchzte des erhebenden Anblicks, und umher durch die Flammen auf allen Bergen in der Ferne und in der N„he, wie von einem groáen Feuerkranze umgeben zu sein... Sich beglckwnschend, solchen Tag erlebt zu haben, ging man auseinander und verprach sich, kr„ftig zu arbeiten, daá dieser teutsche Tag allj„hrlich in immer gnstigere Aufnahme komme." Eine Wiederholung des Festes von 1814 fand am 18. Oktober 1863 statt; wieder wurden weithin leuchtende Freudenfeuer dort angezndet, und eine groáe Menschenmenge aus nah und fern versammelte sich bei dem historischen Baum, wo Pfarrer Johann Friedrich Joachim Schlicht von Windecken die Festrede hielt. Die hundertj„hrige Gedenkfeier der Leipziger Schlacht fand am 19. Oktober 1913 statt; nach einem Festgottesdienst zog ein wohlgeordneter Zug zum Wartbaum, wo Pfarrer Carl Hená zur Versammlung sprach und nach einem geschichtlichen Rckblick von den Aufgaben und Forderungen der Gegenwart und Zukunft handelte. Musikvortr„ge und Ges„nge umrahmten die Feier. Bengalische Beleuchtung des Wartbaums, Raketen und Feuerwerk gingen dem Abbrennen des 16 Meter hohen Holzturmes voraus. Sp„t am Abend ging ein Fackelzug in die Stadt zurck, von Kanonenschssen begrát; auf dem beleuchteten Marktplatz endete die Feier mit dem Absingen des Liedes: "Deutschland, Deutschland ber alles". Den Kriegs- und Friedensbildern, die am Wartb„umchen vor unserem Auge auftauchten, reihen wir noch eines an, das groáe Kaiserman”ver von 1897, wo zum ersten Male nord- und sddeutsche Truppen, Preuáen, Hessen und Bayern, unter den Augen ihres [Links: Seite 64] obersten Kriegsherrn Proben ihrer Leistungsf„higkeit ablegten. In den beiden ersten Tagen, am 6. und 7. September, sah der Wartbaum eine Menge von hervorragenden Frstlichkeiten, Heerfhrern und fremdherrlichen Offizieren: den Kaiser und die Kaiserin von Deutschland, den K”nig von Sachsen, K”nig und K”nigin von Italien, Groáherzog und Groáherzogin von Hessen, den Prinzregenten Luitpold von Bayern, die Prinzen Loepold und Rupprecht von Bayern, die Kommandierenden Gener„le des 11. preuáischen Armeekorps, Grafen von Helseler und Wittich; den Groáfrsten Nikolaus Nikolajewitsch von Russland; ferner Vertreter der russischen, ”sterreichischen, franz”sischen, englischen, trkischen und sogar japanischen Armee; sie alle haben unter dem Wartbaum gehalten und seine Erinnerungen um eine der geschichtlich wertvollsten bereichert. So kann die alte Linde dort oben auf der H”he uns manches aus der Vergangenheit erz„hlen; das Sch”nste aber, von dem sie weiá, ist des deutschen Volkes Einigkeit und geschlossene Einheit in der Gegenwart. Als Warner und Mahner steht sie einsam auf stolzer H”he, und was sie uns zu sagen hat, m”ge beherzigt werden! Wir scheiden von dem Wartb„umchen mit dem Gruá und dem Wunsch: 'Arbor speculatoria, vivas, crescas, floreas!' Wartb„umchen, du liebes, bleibe und gedeihe bis in die ferne Zukunft! Wir hoffen ihm und uns zum Heil, daá es noch Jahrhunderte des Friedens auf die gesegneten Fluren unserer sch”nen Heimat herniederschauen m”ge !