Wenn "alte Windecker" in froher
Runde zusammensitzen und Kindheitserinnerungen austauschen, kommt
das Gespräch fast immer auf das Schrodt'sche Karussell. Es drehte
sich seit Anfang des 20. Jahrhunderts bei den Jahrmärkten und vielen
Jubiläumsfesten auf dem Marktplatz zwischen dem Wachthäuschen
vor der bereits im 15. Jahrhundert urkundlich erwähnten Stadtschänke
"Zum roten Löwen" und der Verkehrsinsel, an deren Stelle bis 1910
der Marktbrunnen vor sich hinplätscherte.
Die von 1909 bis 1915 herausgegebene "Windecker Zeitung" schrieb in
ihrem Bericht über den Herbstmarkt 1909: "Unsere liebe Jugend vergnügte
sich auf dem Karoussel und sah man auch Angehörige unserer älteren
Generation, die diesem Vergnügen in Erinnerung an ihre Kinderjahre
huldigten." Stadtinspektor Wilhelm Reul vermerkte in seinem von 1950 bis
1959 geführten Tagebuch: "Der am 14. und 15. Mai 1951 stattgefundene
Pfingstmarkt war in diesem Jahr von dem Karussellbetrieb Konrad Schwarz-vormals
Heinrich Schrodt Wwe.-und dessen Schießhalle besucht. Der Karussellbetrieb
Schwarz/Schrodt besuchte bereits zum 50. Mal einen Windecker Markt."
Im "Parterre" des 1864 erbauten Karussells konnte die männliche
Jugend ihre "Reitkünste" auf einem der zwanzig Holzpferde unter Beweis
stellen, während die jungen oder auch reiferen Damen in den Kutschen
Platz nahmen. Besonderer Beliebtheit bei den "Halbstarken" erfreuten
sich die im Obergeschoß sich ständig drehenden Gondeln. Die
Orchestrionklänge waren weithin zu vernehmen und sie werden vielen
Jahrmarktbesuchern noch heute im Ohr klingen. Das doppelstöckige Karussell
hatte Heinrich Schrodt im Jahr 1900 für 3450 Mark erworben. Als er
1932 starb, wurde es von seinem Schwiegersohn Konrad Schwarz weiter
betrieben. Das Schrodt'sche Karussell mit seinen bunten Farben und stets
auf Hochglanz polierten Messingstangen umgab mit dem 1520 erbauten Rathaus
und den alten Fachwerkhäusern des Marktplatzes eine passende Kulisse. |
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Als der Festplatz vor das Heldenberger
Tor verlegt wurde und moderne Attraktionen wie Autoscooter die Jugend anzog,
war Nostalgie nicht mehr gefragt.Den vorliegenden Berichten zufolge wurde
das Karussell 1978 verkauft und von da an verlor sich jede Spur.
Gerda Krüger aus Niedergründau, Enkelin von Heinrich Schrodt
und Helmi Michelmann, Tochter von Konrad Schwarz, nahmen dann die Suche
nach dem verschollenen Karussell auf. Daran beteiligte sich auch Rudi Carell
in seiner Sendung "Laß dich überraschen" und der Showmaster
stellte sogar in Amerika Nachforschungen an. Als man die Hoffnung
aufgegeben hatte, gab dann ein in Mockstadt aufgetauchtes Foto den entscheidenden
Hinweis darauf, daß die Rarität aus der guten alten Zeit noch
existierte.
Aufgespürt wurde das "Schmuckstück" schließlich im holländischen
Erlebnispark Duinrell bei Wassenaar in der Nähe von Den Haag.
Der Besitzer der Anlage, Graf van Zuylen, hat um das aufpolierte doppelstöckige
Karussell einen großen Glaspavillon bauen lassen, in dem die Pferde
nun ihr verdientes "Gnadenbrot" erhalten.
Der 1984 verstorbene Windecker Fotograf Helmut Roßbach, vor dessen
Haustür sich das Karussell drehte, drückte 1960 auf den Auslöser
und das im Archiv des Geschichtsvereins Windecken 2000 aufbewahrte, farbenprächtige
Bild vermittelt noch etwas von der Jahrmarktatmosphäre früherer
Tage im alten Grafenstädtchen Windecken.
Wer in Jugenderinnerungen schwelgen möchte, sollte dem Schrodt'schen
Karussell bei Wassenaar einen Besuch abstatten. Der Erlebnispark an der
Nordseeküste ist leicht über die A 12 zu erreichen. Im Internet
gibt es unter http://www.duinrell.nl
ausführliche Informationen. 26.12.2000 |