In den meisten Chroniken werden über die Deutung und den Wandel
des jeweiligen Ortsnamens im Laufe der Zeiten nur wenige Worte verloren.
Zumeist belassen es die Chronisten bei der ersten urkundlichen Erwähnung.
Sicher gibt es Ortsbezeichnungen, die sich leicht ableiten lassen (Beispiel:
Frankfurt) und deren Schreibweise über die Jahrhunderte hinweg bis
in unsere Zeit weitgehend unverändert blieb.
Bei anderen bedarf es intensiver Nachforschungen in den Archiven und
auch reger Phantasie, um sich an einer Deutung zu versuchen. Wenn aber
ein bereits Mitte des 9. Jahrhundert in einer Urkunde erwähnter Ortsname
Ende des 13. Jahrhunderts fast "über Nacht" verschwindet und durch
einen völlig neuen ersetzt wird, der zudem auch noch mit "Geheimnissen"
umgeben ist, verspricht die Nachforschung spannend zu werden.
Das ist bei Windecken der Fall. In einer Mitte des 17. Jahrhunderts
entstandenen "Beschreibung der vornehmsten Orth" (siehe auch Großreport:
Windecken in der Literatur) heißt es über das Nidderstädtchen:
"Windecken/Winnicken/ oder Winnecker/so alles ist eins" und diese Beschreibung
verdeutlicht, daß damals der Ortsname in der Umgangssprache Wandlungen
unterworfen war.
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Diese Schenkungs- urkunde an das Kloster Fulda wurde im Jahre 850 n.Chr niedergeschrieben. In der ersten Spalte unten wird erstmals der Ortsname "Tezelenheim" oder "Tzelenheim" erwähnt.
Repro: Rolf Hohmann
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Um die Anfänge zu erforschen, steht als Hauptquelle bis zum Jahr
1400 das vierbändige "Urkundenbuch zur Geschichte der Herren von Hanau
und der ehemaligen Provinz Hanau" von Heinrich Reimer zur Verfügung.
Etwa bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts wurden die Dokumente ausschließlich
in Latein abgefaßt Die erste bekannte Urkunde in deutscher Sprache
ist 1238 niedergeschrieben worden. Der "Reimer" erwähnt eine deutschsprachige
Urkunde erstmals aus dem Jahre 1260. Während der Regierungszeit des
Kaisers Ludwig IV. mit dem Beinamen "der Bayer" (1314-47), wurde das Deutsche
dem Latein gleichberechtigt. In einer um 850 verfaßten Urkunde wird
ein "Tezelenheim" genannt, Keimzelle des späteren Windecken. Diese
sicher nur einige Höfe zählende Ansiedlung an der Nidderfurt
im Zuge eines vielleicht schon vorgeschichtlichen Wanderweges war bis zur
Mitte des 13. Jahrunderts nur ein "Anhängsel" des wesentlich bedeutenderen
Königsgutes Ostheim.
Bei der genannten Urkunde aus dem "Codex Eberhardi" handelt es sich um
ein Verzeichnis von Besitzungen in den Gauen Wetterau, Maingau und Niddagau,
die dem Kloster Fulda geschenkt wurden. Der uns interessierende Passus
lautet: "Vldarich trad. s. Bon bona sua in Tezelenheim, Ostheim et Butenestat."
Damals schenkte ein gewisser Udalrich dem Kloster Güter in den genannten
Orten, wobei es sich bei "Butenestat" wahrscheinlich um das heutige Butterstadt
handelt. Die einschlägige Literatur bietet keinen Anhaltspunkt dafür,
wovon sich der Ortsname Tezelenheim ableiten lassen könnte. Im Mittelhochdeutschen
existiert nur das Wort "terzmann" mit einem ähnlichen Stamm. Es bedeuet
"Zehent" und hat das lateinische "decima" als Ursprung. Eine Verwandtschaft
mit unserem Tezelenheim ist unwahrscheinlich. Darüber besteht Einvernehmen
unter den Geschichtsforschern, die sich in solchen Fällen mit der
Annahme aus der Affäre ziehen, daß der Ortsname von einem Personennamen
abgeleitet wurde.
Vielleicht hieß also der Stammvater aller Windecker Tezel, der
Phantasie sind hier keine Grenzen gesetzt. Um 1000 wird ein Decilienheim
als Besitz des Klosters Seligenstadt genannt. Im Mai 1016 schenkte Kaiser
Heinrich II. der Bamberger Kirche sein Eigengut Ostheim und damit bekamen
die Bewohner der kleinen Ansiedlung an der Nidderfurt einen neuen Herrn.
Von 1221-26 erscheint der Ort in verschiedenen Urkunden als Decelnheim,
daraus wurde 1234 Dezelnheim, 1239 wieder Decelnheim und 1251 schließlich
Detzelheim.
Vom Dörflein zur Residenzstadt
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Die Stadterhebungs- urkunde des Königs Rudolf von Habsburg vom 5. August 1288 mit dem anhängenden Majestätssiegel.
Repro: Rolf Hohmann
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Im Jahre 1260 beginnt für die bis dahin völlig unbedeutenden
kleine Ansiedlung an der Nidder der wichtigste Zeitabschnitt ihrer Geschichte.
In der ersten deutsch abgefaßten Urkunde des "Reimer" bekennen Reinhard
und Adelheid von Hanau, daß ihnen Bischof Berthold von Bamberg die
Güter des Stiftes zu Ostheim und Telnheim (so die Ortsbezeichnung
im Original) "umb hundert fonftzig marck alter Koloner pfennig" wiederlöslich
verpfändete. Kaum war die Tinte auf diesem Dokument trocken, muß
Reinhard I. von Hanau mit dem Bau einer Burg auf der die Nidderfurt beherrschenden
Anhöhe begonnen haben. Diesen Schluß läßt eine am
23. Juni 1262 ausgestellte Urkunde zu, in der Reinhard den Kauf von Gütern
durch Propst Herrmann von Ilbenstadt bezeugt. Der Augenmerk gilt dabei
der Textpassage "...in Wnekken castellano" und dies ist der erste Hinweis
auf die offensichtlich bereits bewohnte Burg Windecken. Man kann mit einiger
Sicherheit annehmen, daß es "Wunekken" heißen sollte.
Wie bei späterer Erwähnung des Ortsnamens im "Reimer" mit
der sonst im mittelhochdeutschen unbekannten Konsonantenverbindung "Wn"
am Wortanfang, handelt es sich entweder um eine spezielle "Kurzschrift"
des jeweiligen Schreibers oder einfach um einen Ablesefehler.
Im Jahre 1262 wurde Reinhard I. Von Hanau endgültig mit allen bambergischen
Stiftsgütern (außer den Patronatsrechten) zu Ostheim und Tezelnheim
belehnt. In der am 12. November in lateinischer Sprache ausgestellten Urkunde
werden "Ostheim et Decelnheim" genannt. Es ist das letzte Mal, daß
uns der ursprüngliche Name der Ansiedlung entgegentritt. Reinhard
I. nannte seine neuerbaute Burg Wunekken (Wunecke). Er muß diesen
Namen unmittelbar auf die Ansiedlung am Fuße der Nidderanhöhe
übertragen haben, der ab 1266 ausschließlich, wenn auch in vielfacher
Abwandlung, Verwendung findet. So hatte sich also innerhalb weniger Jahre
die Verwandlung des Dörfleins Tezelenheim zum geschäftigen Verwaltungssitz
der Herren von Hanau vollzogen. Solche atemberaubenden "Metamorphosen"
hat es in der Geschichte des Deutschen Reiches sicher nicht allzuviele
gegeben.
Nachdem Reinhard (gest. 1281) sich in Windecken etabliert hatte, muß
der Ort, der bereits 1288 die Stadtrechte erhielt, eine schnelle Blüte
erlebt haben, wie die nun stark anschwellende Zahl der erhalten gebliebenen
Dokumente beweist.
Dadurch bietet sich die Gelegenheit, die Abwandlung des Ortsnamens Wunecke
über einen längeren Zeitraum hinweg genauer zu verfolgen.
Wie ist nun der von Reinhard I. gewählte Name "Wunecke" oder "Wunnekke"
zu deuten? In seinem Werk "Die deutschen Ortsnamen in Bezug auf Grenzen
und Verkehr" versucht Ernst J. Zimmermann folgende Erklärung: "1266
und 1325 Wunecken, zu Althochdeutsch wun wunna: Pascuum Weide." Nun war
zwar Althochdeutsch zur Zeit Reinhards I. längst passé, doch
auch im Mitelhochdeutschen bedeutet "wünne, wunne" soviel wie Wiesenland
oder Weide. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß sich in der
Mitte des 13. Jahrhunderts auf der Nidderanhöhe eine Weide befand,
doch für diese Annahme spricht nur wenig. Es wird nämlich vermutet,
daß die Burg Wunecke auf einer bereits bestehenden, älteren
Befestigungsanlage erbaut wurde, die den nahen Nidderübergang schützte.
Gewißheit könnten nur archäologische Untersuchungen verschaffen.
Man sollte deshalb einer anderen Namensdeutung den Vorzug geben, die
mindestens ebenso glaubhaft erscheint und darüber hinaus auf einer
alten Überlieferung beruht. Der Legende zufolge war Reinhard I. von
diesem schönen Fleckchen Erde so sehr entzückt, daß er
seine neuerworbene Besitzung dem Sinne nach "wonniges Eckchen" nannte und
diese Bezeichnung auf die Burg und den alten Ort Tezelenheim übertrug.
Diese Deutung ist wesentlich romantischer und läßt sich ebenfalls
aus dem Mittelhochdeutschen ableiten. Unsere Altvorderen verwendeten nämlich
zahlreiche Wörter, in denen "wünne, wonne" etwas "Wonniges" oder
"Freudiges" ausdrückten. So war der "wunegarte" ein Lustgarten, "wunnec-heit"
stand für Freude und Wonne, "wunnespiel" für Freudenspiel oder
große Freude. Weiter bedeuteten "wunnec-lich", wünnec, wunnesam"
soviel wie wonniglich. Im dreibändigen, mittelhochdeutschen Handwörterbuch
von Matthias Lexer werden aber auch Texte zitiert, in denen "ougen-wünne"
in der Bedeutung von Augen-und Seelenweide genannt wird. Dies wäre
eine Verbindung zu Ernst-.J. Zimmermanns "wunna=Weide", obwohl er eindeutig
die Viehweide meinte.
Ein herrlich Plätzchen Welt!
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Ein wonniges Eckchen. Blick über das Niddertal auf die Silhouette von Windecken, die vom Schloßberg (links) und dem Turm der Stiftskirche beherrscht wird.
Repro: Rolf Hohmann
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Nun zum zweiten Teil des Ortsnamens Wunecke. Im mitteldeutschen Handwörterbuch
wird unter dem Stichwort "ecke" ausgeführt: "Schneide einer Waffe,
Ecke, Kante, Winkel." Es muß also nicht als "fromme Legende" abgetan
werden, wie dies auf dem ersten Blick erscheinen mag, wenn man Wunecke
als "wonniges Eckchen" oder "lieblichen Winkel" interpretiert und damit
der Überlieferung seine Reverenz erweist. Da die "absolute Wahrheit"
ohnehin nicht mehr zu ergründen ist - sie hätte zudem auch keinerlei
praktischen Nutzen - sollten wir es bei der romantischen Deutung belassen.
Abschließend geben wir noch einem Poeten die Ehre, der vor rund
90 Jahren die Legende um die Entstehung des Ortsnamens Wunecke in Verse
faßte. Anläßlich des 50jährigen Jubiläums des
evangelischen Kirchenchors Windecken wurde auch das von einem gewissen
Gonnermann verfaßte "Hessenfestspiel" aufgeführt. Hier der uns
interessierende Abschnitt dieser längst in Vergessenheit geratenen
Dichtung: "Im schönsten Wiesengrunde, durch den die Nidder fließt,
liegt still ein schmuckes Städtchen vom Feld und Wald gegrüßt.
In grauer Vorzeit Tagen da hieß es Tetzelnheim, und später ward
getragen zum Burgbau Stein um Stein. Als dann der Graf von Hanau im Schlosse
Einzug hält, da ruft er voll Entzücken: "Ein herrlich Plätzchen
Welt ! Fürwahr ein wonnig Eckchen, ich stehe wie gebannt ! Die Burg,
und auch du Örtchen, Wonnecke sei genannt ! Doch aus dem Namen Wonnecke
dann Windecken entstand, dem darauf Rudolf von Habsburg das Stadtrecht
zuerkannt."
Die Bewilligung der Stadtrechte für die Residenz der Herren von
Hanau durch König Rudolf erfolgte im Jahre 1288. Er entsprach damit
einer Bitte Ulrich I (gest. 1305 oder 1306), Sohn des Burgenerbauers Reinhard,
der dem Habsburger treu ergeben war. In der am 5. August zu Basel in lateinischer
Sprache ausgestellten Urkunde heißt es in der Übersetzung: "Daher
berücksichtigen Wir die Verdienste des edlen Ulrich von Hanau, Unsres
getreuen und geliebten, und begaben auf seine Bitten unter Gewährung
Unserer wohlwollenden Zustimmung seine Stadt Wunecke mit Freiheiten, verleihen
auch dieser Stadt kraft Unserer königlichen Autorität dieselben
Freiheitsrechte, der sich Unsere Bürgerschaft Frankfurt erfreut und
bisher zu erfreuen hatte. "
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Erdgeschoß-Grundriß der Burg Windecken um 1627
Repro: Rolf Hohmann
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Ab 1288 erscheint der Name der Residenzstadt der Herren von Hanau -
ein Ort mit sicher nur wenigen hundert Einwohnern - in zahlreichen, auf
der Burg ausgestellten Urkunden. Die ständigen Abwandlungen des Ortsnamens
bis 1400 können deshalb genau verfolgt werden. Festzuhalten beibt
aber generell, daß es im Deutschen Reich jahrhundertelang keine "von
oben" angeordnete Schreibweise von Ortsnamen gegeben hat und jeder Schreiber
eine eigene Version verwendete. Bereits die nächste Erwähnung
der jungen Stadt in Reimers Urkundenbuch nach 1288 scheint Rätsel
aufzugeben.
In einem am 14. April 1295 in lateinischer Schrift abgefaßten
Dokument vermachen Irmgard und Gernand von Mörle dem Kloster Marienborn
Einkünfte in verschiedenen Orten. Genannt wird in Reimers Trankribtion
unter anderem auch ein Weinberg "...sita iuxta Windecken," also bei Windecken
gelegen. Weiter taucht am Schluß der Urkunde ein "Iohanne cappelano
in Windecken" auf.
Da diese Schreibweise des Ortsnamens zu jener Zeit völlig aus dem
Rahmen fiel, wurde vom Bayerischen Hauptstaatsarchiv München eine
Kopie der Originalurkunde angefordert. Darin ist nun deutlich "Wnecke"
und "Wnecken" zu lesen und zwar mit einem hochgesetzten "Kringel" zwischen
den beiden Anfangsbuchstaben. Es muß also "Wonecke" bzw. "Wonecken"
heißen und diese Bezeichnung hält sich mit einigen Abwandlungen
bis Anfang des 16. Jahrhunderts.
Die von Heinrich Reimer aufgeführten Ortsnamen sind bezüglich
ihrer Schreibweise mit einiger Vorsicht zu behandeln. Bei der Vielzahl
der von ihm transkribierten Urkunden blieben Lesefehler nicht aus. Von
1300 bis 1350 wird der Ortsname Windecken im "Reimer" insgesamt 72 Mal
genannt und zwar in nicht weniger als 12 verschiedenen Schreibweisen: "Wuneckin,
Wuneckeyn und Wonnekin (je 1mal), Wonecke und Wonnekken (2), Wunnecke (4),
Woneckin (5), Wunneckin (6), Wonnecken (9), Wunecke (10), Wonneckin (15)
und Wunecken (16).
Während von der ersten Erwähnung im Jahre 1262 an bis etwa
1350 die Namensform Wunecke in Abwandungen vorherrschte, setzt sich in
der zweiten Hälfte Wonnecken in verschiedenen Schreibweisen durch.
Letztmalig wird im Urkundenbuch "Wunecke" im Jahre 1396 genannt. Wie willkürlich
die Schreiber jener Zeit mit dem Ortsnamen umgingen, soll am Beispiel von
Urkunden aus dem Jahre 1360 gezeigt werden. Je einmal werden Wunecken,
Wunneckin und Woneckin genannt, je zweimal Wonecken und Wonnecken. Es ist
auch nicht ungewöhnlich, daß in einem Dokument der Ortsname
in zwei verschiedenen Versionen vorkommt. Von 1350 bis 1400 wird die Residenz
der Herren von Hanau in den auf der Burg ausgestellten Urkunden immerhin
165 Mal erwähnt, und dies weist auf die wachsende Bedeutung der Stadt
hin.
.....undt thaufft man Ihne zu Wonnecken
Es mag wie eine unnütze Zahlenspielerei aussehen, doch es ist interessant
zu verfolgen, wie sich der Ortsname innerhalb eines halben Jahrhunderts
in den erhalten geblieben Urkunden laufend verändert.
Von 1350 bis 1369 werden genannt Wuneckin, Wunneckin, Wunecken und Wonnegken
(je 1mal), Wonecke und Woneken (2), Wunecke und Wonnecken (3), Woneckin
(10) und Wonecken (23). Von 1361 bis 1370 sind folgende Namensformen überliefert:
Wunnecken, Wuneckin, Wonecken und Woneckin (1mal), Woneckin (2), Wunneckin
(3), Wonnegken und Wonecke (6), Wonnecken (9) und Wonneckin (11).
In den Jahren 1371 bis 1380 setzt sich deutlich der Konsonant "o" hinter
dem Anfagsbuchstaben durch; Woneckin, Woneckyn, Wonneckyn und Wonneken
(1mal), Wunecken, Woneckin, Woneken und Woneke (2), Wonnegkin (7), Wonnecken
((8) und Wonnegken (9).
Aus den Jahren 1381 bis 1390 sind nur 18 Urkunden mit der Erwähnung
des Ortsnamens im Reimer aufgeführt: Woneckin und Wonnegken (1), Woneken
(6) und Wonnecken (10), Bis 1400 werden noch erwähnt Wonnecke, Woneken,
Wonnegke, Wuneken und Wunecke (1), Wonnegken (2), Wonnegkin (3) und Wonnecken
(17).
Damit versiegt die ergiebige Quelle von Reimers Urkundenbuch. Wollte
man den Ortsnamenwandel in den folgenden 65 Jahren weiter verfolgen, müßten
die in vielen Archiven sicher noch vorhandenen Urkunden ausfindig gemacht
werden. In unseren Tagen wäre dies noch eine Sisyphos-Arbeit, doch
eines vielleicht nicht allzufernen Tages können bestimmt alle Archivbestände
auf den Monitor geholt und bequem ausgewertet werden. Vielversprechende
Anfänge gibt es bereits.
Zurück zum Wandel des Ortsnamens Wunecke - Windecken in der urkundenarmen
Zeit von 1400 bis 1465. Mit einiger Sicherheit ist anzunehmen, daß
die Schreibweisen Wonnecken (Wonecken) und Wonneckin (Woneckin) dominierten.
Diese Annahme wird durch die wenigen bisher bekannten Quellen gestützt,
in denen der Ortsname Erwähnung findet.
Am 8. November 1417 wurde auf der Burg Windecken Philipp der Ältere
geboren, Stifter der Linie Hanau-Lichtenberg.
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Das Tor der Burg mit den beiden flankierenden Türmchen ist der einzige erhalten gebliebene Rest der einstigen stolzen Burg Wonnecken.
Repro: Rolf Hohmann
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Der Chronist berichtet: "...und thaufft man Ihne zu Wonnecken in
der Cappellen vor der Burgk, uff die Mittwochen nach des vorgenannten Sanct
Martins tage zu Abendt ." Auch der Stifter der Linie Hanau-Münzenberg,
Philipp der Jüngere, erblickte am 20. September 1449 das Licht der
Welt in Windecken. Aus dem Schreibstil kann geschlossen werden, daß
nach 30 Jahren immer noch der derselbe Chronist den Federkiel führte:
"Anno domini 1449 vff den Sambstag Sanct Mattheus des heiligen Aposteln
vundt Evangelisten Abendt vundt war nemlich Fronfasten, des morgens zwischen
Vier vundt fünff Vhren ongefehrlich, gelag die obgenante Frawe Margretha
Ihres ersten khindes vundt Sohnes, nemlichen Jungker Philipsen. Vundt wardt
gethaufft zu Wonnecken in der Capellen vor der Burgk, vuff den Sonntag
nach Sanct Mathenstage."
Am 18. August 1454 gab Philipp der Ältere den Schützen in
seinen Städten "Hanauwe, Wonnecken und Babenhusen" eine neue Ordnung.
Bereits im Jahre 1429 waren die Herren von Hanau in den erblichen Reichsgrafenstand
erhoben worden und 1436 verlegten sie ihre Residenz nach Hanau. Damit verlor
das Nidderstädtchen seine bisherige Bedeutung, auch wenn sich die
Grafenfamilie bis zur Zerstörung der Burg im Dreißigjährigen
Krieg gerne zur "Sommerfrische" in das "wonnige Eckchen" zurückzog
und dorthin samt Hofstaat und Regierung vor der Pest floh.
Ab 1465 kann der Wandel des Ortsnamens Windecken anhand der vom Beitragsverfasser
nach hartnäckigen Bemühungen aus dem Hessischen Staatsarchiv
Marburg an den Ursprungsort zuückgeführten Bürgermeister-Rechnungen
fast lückenlos weiterverfolgt werden.
Bis 1475 ist überwiegend die Schreibweise Woneckin gebräuchlich,
ab 1476 setzte sich Wonecken mit einem "Dopplerstrich" über dem "n"
nach dem "o" durch und ab 1497 einheitlich Wonnecken. Eine entscheidende
Veränderung erfährt der Ortsname 1522. Von diesem Jahr ab erscheint
in den Bürgermeister-Rechnungen durchgehend Wynecken und ab 1535 Wynnecken.
Was die Ursache für diese plötzliche neue Schreibweise war,
läßt sich nicht mehr ergründen. Die Abrechnung der beiden
Bürgermeister, die jeweils den Zeitraum "von sanct Michaelis (29.
September) bis wieder sanct Michaelistag" umfaßte, wurde von unabhängigen
Beauftragten der Hanauer Grafen geprüft. Rechnungsprüfer waren
in der Regel der Amtmann, Adelige aus den Orten des Amtes Windecken, und
als letztlich wichtigste Person ein Schreiber aus Hanau, der die jeweiligen
Prüfungsergebnisse auf der letzten Seite der Stadtrechnung protokollierte.
Windecken setzt sich endgültig durch
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Nur spärliche Reste zeugen von der einstigen mittelalterlichen Stadtmauer. Hier ein Überbleibsel mit überdachtem Wehrgang in der Ostheimer Straße vor der Restaurierung.
Repro: Rolf Hohmann
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Während bis 1541 sowohl Bürgermeister als auch Schreiber übereinstimmend
Wynnecken verwendeten, taucht im Prüfungsprotokoll von 1542 erstmals
die Bezeichnung "Winicken" auf. Die beiden folgenden Rechnungen sind nicht
vorhanden; aber auch 1545 ist auf der letzten Seite eindeutig "...actum
zu dem Vorhauß zu Winickin" zu lesen. Innerhalb der nächsten
zehn Jahre muß sich die Umwandlung von "Winickin" zu der heute noch
gebräuchlichen Namensform "Windecken" vollzogen haben.
Wann das extakt geschah, ist nicht mehr zu ergründen, da Dokumente
aus dieser Zeit fehlen. Die Rechnung von 1554/55 erstellten Valentin Menger
und Jorg Happ "als Burgermeister der Statt Wynnecken," während der
Hanauer Schreiber im Prüfungprotokoll vermerkt: "....und übertrifft
außgabe die Inname 32 Gulden 13 Schilling 4 Heller so die Stadt Windecken
den obbemelten Burgermeistern etlichen schuldig bleibt." Mit einem "Actum
Windecken" wird der Prüfungsbericht abgeschlossen.
Von diesem Jahr an verwenden die gräflichen Schreiber diese Namensform
ausschließlich, während die Bürgermeister weiter das vertraute
Wynnecken bevorzugen. Erst im Jahres 1570 bequemte sich der Stadtschreiber
bei Abfassung der "Marktordnung des Fleischkauffs und Marktschauerbuch"
dazu, die Ortsbezeichnung "Windecken" zu verwenden. Von diesem Zeitpunkt
an wurde aus dem "Wunecke" des Burgenerbauers Reinhard I. endgültig
das uns vertraute Windecken, das am 1. Januar 1970 im Zuge der hessischen
Gebiets-und Verwaltungsreform in der neuen Stadt Nidderau aufging. |