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Geschichtsverein Windecken 2000

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Ein "Wonniges Eckchen" für Reinhard I
Der Ortsname Windecken im Wandel der Zeiten
Nach Archivunterlagen aufgezeichnet von Rolf Hohmann

In den meisten Chroniken werden über die Deutung und den Wandel des jeweiligen Ortsnamens im Laufe der Zeiten nur wenige Worte verloren. Zumeist belassen es die Chronisten bei der ersten urkundlichen Erwähnung. Sicher gibt es Ortsbezeichnungen, die sich leicht ableiten lassen (Beispiel: Frankfurt) und deren Schreibweise über die Jahrhunderte hinweg bis in unsere Zeit weitgehend unverändert blieb. 

Bei anderen bedarf es intensiver Nachforschungen in den Archiven und auch reger Phantasie, um sich an einer Deutung zu versuchen. Wenn aber ein bereits Mitte des 9. Jahrhundert in einer Urkunde erwähnter Ortsname Ende des 13. Jahrhunderts fast "über Nacht" verschwindet und durch einen völlig neuen ersetzt wird, der zudem auch noch mit "Geheimnissen" umgeben ist, verspricht die Nachforschung spannend zu werden.

Das ist bei Windecken der Fall. In einer Mitte des 17. Jahrhunderts entstandenen "Beschreibung der vornehmsten Orth" (siehe auch Großreport: Windecken in der Literatur) heißt es über das Nidderstädtchen: "Windecken/Winnicken/ oder Winnecker/so alles ist eins" und diese Beschreibung verdeutlicht, daß damals der Ortsname in der Umgangssprache Wandlungen unterworfen war. 

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Diese Schenkungs- urkunde an das Kloster Fulda wurde im Jahre 850 n.Chr niedergeschrieben. In der ersten Spalte unten wird erstmals der Ortsname "Tezelenheim" oder "Tzelenheim" erwähnt.
Repro: Rolf Hohmann
Um die Anfänge zu erforschen, steht als Hauptquelle bis zum Jahr 1400 das vierbändige "Urkundenbuch zur Geschichte der Herren von Hanau und der ehemaligen Provinz Hanau" von Heinrich Reimer zur Verfügung. Etwa bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts wurden die Dokumente ausschließlich in Latein abgefaßt Die erste bekannte Urkunde in deutscher Sprache ist 1238 niedergeschrieben worden. Der "Reimer" erwähnt eine deutschsprachige Urkunde erstmals aus dem Jahre 1260. Während der Regierungszeit des Kaisers Ludwig IV. mit dem Beinamen "der Bayer" (1314-47), wurde das Deutsche dem Latein gleichberechtigt. In einer um 850 verfaßten Urkunde wird ein "Tezelenheim" genannt, Keimzelle des späteren Windecken. Diese sicher nur einige Höfe zählende Ansiedlung an der Nidderfurt im Zuge eines vielleicht schon vorgeschichtlichen Wanderweges war bis zur Mitte des 13. Jahrunderts nur ein "Anhängsel" des wesentlich bedeutenderen Königsgutes Ostheim.

Bei der genannten Urkunde aus dem "Codex Eberhardi" handelt es sich um ein Verzeichnis von Besitzungen in den Gauen Wetterau, Maingau und Niddagau, die dem Kloster Fulda geschenkt wurden. Der uns interessierende Passus lautet: "Vldarich trad. s. Bon bona sua in Tezelenheim, Ostheim et Butenestat." Damals schenkte ein gewisser Udalrich dem Kloster Güter in den genannten Orten, wobei es sich bei "Butenestat" wahrscheinlich um das heutige Butterstadt handelt. Die einschlägige Literatur bietet keinen Anhaltspunkt dafür, wovon sich der Ortsname Tezelenheim ableiten lassen könnte. Im Mittelhochdeutschen existiert nur das Wort "terzmann" mit einem ähnlichen Stamm. Es bedeuet "Zehent" und hat das lateinische "decima" als Ursprung. Eine Verwandtschaft mit unserem Tezelenheim ist unwahrscheinlich. Darüber besteht Einvernehmen unter den Geschichtsforschern, die sich in solchen Fällen mit der Annahme aus der Affäre ziehen, daß der Ortsname von einem Personennamen abgeleitet wurde. 

Vielleicht hieß also der Stammvater aller Windecker Tezel, der Phantasie sind hier keine Grenzen gesetzt. Um 1000 wird ein Decilienheim als Besitz des Klosters Seligenstadt genannt. Im Mai 1016 schenkte Kaiser Heinrich II. der Bamberger Kirche sein Eigengut Ostheim und damit bekamen die Bewohner der kleinen Ansiedlung an der Nidderfurt einen neuen Herrn. Von 1221-26 erscheint der Ort in verschiedenen Urkunden als Decelnheim, daraus wurde 1234 Dezelnheim, 1239 wieder Decelnheim und 1251 schließlich Detzelheim.

Vom Dörflein zur Residenzstadt 

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Die Stadterhebungs- urkunde des Königs Rudolf von Habsburg vom 5. August 1288 mit dem anhängenden Majestätssiegel.
Repro: Rolf Hohmann
Im Jahre 1260 beginnt für die bis dahin völlig unbedeutenden kleine Ansiedlung an der Nidder der wichtigste Zeitabschnitt ihrer Geschichte. In der ersten deutsch abgefaßten Urkunde des "Reimer" bekennen Reinhard und Adelheid von Hanau, daß ihnen Bischof Berthold von Bamberg die Güter des Stiftes zu Ostheim und Telnheim (so die Ortsbezeichnung im Original) "umb hundert fonftzig marck alter Koloner pfennig" wiederlöslich verpfändete. Kaum war die Tinte auf diesem Dokument trocken, muß Reinhard I. von Hanau mit dem Bau einer Burg auf der die Nidderfurt beherrschenden Anhöhe begonnen haben. Diesen Schluß läßt eine am 23. Juni 1262 ausgestellte Urkunde zu, in der Reinhard den Kauf von Gütern durch Propst Herrmann von Ilbenstadt bezeugt. Der Augenmerk gilt dabei der Textpassage "...in Wnekken castellano" und dies ist der erste Hinweis auf die offensichtlich bereits bewohnte Burg Windecken. Man kann mit einiger Sicherheit annehmen, daß es "Wunekken" heißen sollte. 

Wie bei späterer Erwähnung des Ortsnamens im "Reimer" mit der sonst im mittelhochdeutschen unbekannten Konsonantenverbindung "Wn" am Wortanfang, handelt es sich entweder um eine spezielle "Kurzschrift" des jeweiligen Schreibers oder einfach um einen Ablesefehler.

Im Jahre 1262 wurde Reinhard I. Von Hanau endgültig mit allen bambergischen Stiftsgütern (außer den Patronatsrechten) zu Ostheim und Tezelnheim belehnt. In der am 12. November in lateinischer Sprache ausgestellten Urkunde werden "Ostheim et Decelnheim" genannt. Es ist das letzte Mal, daß uns der ursprüngliche Name der Ansiedlung entgegentritt. Reinhard I. nannte seine neuerbaute Burg Wunekken (Wunecke). Er muß diesen Namen unmittelbar auf die Ansiedlung am Fuße der Nidderanhöhe übertragen haben, der ab 1266 ausschließlich, wenn auch in vielfacher Abwandlung, Verwendung findet. So hatte sich also innerhalb weniger Jahre die Verwandlung des Dörfleins Tezelenheim zum geschäftigen Verwaltungssitz der Herren von Hanau vollzogen. Solche atemberaubenden "Metamorphosen" hat es in der Geschichte des Deutschen Reiches sicher nicht allzuviele gegeben.

Nachdem Reinhard (gest. 1281) sich in Windecken etabliert hatte, muß der Ort, der bereits 1288 die Stadtrechte erhielt, eine schnelle Blüte erlebt haben, wie die nun stark anschwellende Zahl der erhalten gebliebenen Dokumente beweist. 

Dadurch bietet sich die Gelegenheit, die Abwandlung des Ortsnamens Wunecke über einen längeren Zeitraum hinweg genauer zu verfolgen.

Wie ist nun der von Reinhard I. gewählte Name "Wunecke" oder "Wunnekke" zu deuten? In seinem Werk "Die deutschen Ortsnamen in Bezug auf Grenzen und Verkehr" versucht Ernst J. Zimmermann folgende Erklärung: "1266 und 1325 Wunecken, zu Althochdeutsch wun wunna: Pascuum Weide." Nun war zwar Althochdeutsch zur Zeit Reinhards I. längst passé, doch auch im Mitelhochdeutschen bedeutet "wünne, wunne" soviel wie Wiesenland oder Weide. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß sich in der Mitte des 13. Jahrhunderts auf der Nidderanhöhe eine Weide befand, doch für diese Annahme spricht nur wenig. Es wird nämlich vermutet, daß die Burg Wunecke auf einer bereits bestehenden, älteren Befestigungsanlage erbaut wurde, die den nahen Nidderübergang schützte. Gewißheit könnten nur archäologische Untersuchungen verschaffen.

Man sollte deshalb einer anderen Namensdeutung den Vorzug geben, die mindestens ebenso glaubhaft erscheint und darüber hinaus auf einer alten Überlieferung beruht. Der Legende zufolge war Reinhard I. von diesem schönen Fleckchen Erde so sehr entzückt, daß er seine neuerworbene Besitzung dem Sinne nach "wonniges Eckchen" nannte und diese Bezeichnung auf die Burg und den alten Ort Tezelenheim übertrug. Diese Deutung ist wesentlich romantischer und läßt sich ebenfalls aus dem Mittelhochdeutschen ableiten. Unsere Altvorderen verwendeten nämlich zahlreiche Wörter, in denen "wünne, wonne" etwas "Wonniges" oder "Freudiges" ausdrückten. So war der "wunegarte" ein Lustgarten, "wunnec-heit" stand für Freude und Wonne, "wunnespiel" für Freudenspiel oder große Freude. Weiter bedeuteten "wunnec-lich", wünnec, wunnesam" soviel wie wonniglich. Im dreibändigen, mittelhochdeutschen Handwörterbuch von Matthias Lexer werden aber auch Texte zitiert, in denen "ougen-wünne" in der Bedeutung von Augen-und Seelenweide genannt wird. Dies wäre eine Verbindung zu Ernst-.J. Zimmermanns "wunna=Weide", obwohl er eindeutig die Viehweide meinte.

Ein herrlich Plätzchen Welt!

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Ein wonniges Eckchen. Blick über das Niddertal auf die Silhouette von Windecken, die vom Schloßberg (links) und dem Turm der Stiftskirche beherrscht wird. Repro: Rolf Hohmann
Nun zum zweiten Teil des Ortsnamens Wunecke. Im mitteldeutschen Handwörterbuch wird unter dem Stichwort "ecke" ausgeführt: "Schneide einer Waffe, Ecke, Kante, Winkel." Es muß also nicht als "fromme Legende" abgetan werden, wie dies auf dem ersten Blick erscheinen mag, wenn man Wunecke als "wonniges Eckchen" oder "lieblichen Winkel" interpretiert und damit der Überlieferung seine Reverenz erweist. Da die "absolute Wahrheit" ohnehin nicht mehr zu ergründen ist - sie hätte zudem auch keinerlei praktischen Nutzen - sollten wir es bei der romantischen Deutung belassen.

Abschließend geben wir noch einem Poeten die Ehre, der vor rund 90 Jahren die Legende um die Entstehung des Ortsnamens Wunecke in Verse faßte. Anläßlich des 50jährigen Jubiläums des evangelischen Kirchenchors Windecken wurde auch das von einem gewissen Gonnermann verfaßte "Hessenfestspiel" aufgeführt. Hier der uns interessierende Abschnitt dieser längst in Vergessenheit geratenen Dichtung: "Im schönsten Wiesengrunde, durch den die Nidder fließt, liegt still ein schmuckes Städtchen vom Feld und Wald gegrüßt. In grauer Vorzeit Tagen da hieß es Tetzelnheim, und später ward getragen zum Burgbau Stein um Stein. Als dann der Graf von Hanau im Schlosse Einzug hält, da ruft er voll Entzücken: "Ein herrlich Plätzchen Welt ! Fürwahr ein wonnig Eckchen, ich stehe wie gebannt ! Die Burg, und auch du Örtchen, Wonnecke sei genannt ! Doch aus dem Namen Wonnecke dann Windecken entstand, dem darauf Rudolf von Habsburg das Stadtrecht zuerkannt." 

Die Bewilligung der Stadtrechte für die Residenz der Herren von Hanau durch König Rudolf erfolgte im Jahre 1288. Er entsprach damit einer Bitte Ulrich I (gest. 1305 oder 1306), Sohn des Burgenerbauers Reinhard, der dem Habsburger treu ergeben war. In der am 5. August zu Basel in lateinischer Sprache ausgestellten Urkunde heißt es in der Übersetzung: "Daher berücksichtigen Wir die Verdienste des edlen Ulrich von Hanau, Unsres getreuen und geliebten, und begaben auf seine Bitten unter Gewährung Unserer wohlwollenden Zustimmung seine Stadt Wunecke mit Freiheiten, verleihen auch dieser Stadt kraft Unserer königlichen Autorität dieselben Freiheitsrechte, der sich Unsere Bürgerschaft Frankfurt erfreut und bisher zu erfreuen hatte. "

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Erdgeschoß-Grundriß der Burg Windecken um 1627 Repro: Rolf Hohmann
Ab 1288 erscheint der Name der Residenzstadt der Herren von Hanau - ein Ort mit sicher nur wenigen hundert Einwohnern - in zahlreichen, auf der Burg ausgestellten Urkunden. Die ständigen Abwandlungen des Ortsnamens bis 1400 können deshalb genau verfolgt werden. Festzuhalten beibt aber generell, daß es im Deutschen Reich jahrhundertelang keine "von oben" angeordnete Schreibweise von Ortsnamen gegeben hat und jeder Schreiber eine eigene Version verwendete. Bereits die nächste Erwähnung der jungen Stadt in Reimers Urkundenbuch nach 1288 scheint Rätsel aufzugeben.

In einem am 14. April 1295 in lateinischer Schrift abgefaßten Dokument vermachen Irmgard und Gernand von Mörle dem Kloster Marienborn Einkünfte in verschiedenen Orten. Genannt wird in Reimers Trankribtion unter anderem auch ein Weinberg "...sita iuxta Windecken," also bei Windecken gelegen. Weiter taucht am Schluß der Urkunde ein "Iohanne cappelano in Windecken" auf.

Da diese Schreibweise des Ortsnamens zu jener Zeit völlig aus dem Rahmen fiel, wurde vom Bayerischen Hauptstaatsarchiv München eine Kopie der Originalurkunde angefordert. Darin ist nun deutlich "Wnecke" und "Wnecken" zu lesen und zwar mit einem hochgesetzten "Kringel" zwischen den beiden Anfangsbuchstaben. Es muß also "Wonecke" bzw. "Wonecken" heißen und diese Bezeichnung hält sich mit einigen Abwandlungen bis  Anfang des 16. Jahrhunderts.

Die von Heinrich Reimer aufgeführten Ortsnamen sind bezüglich ihrer Schreibweise mit einiger Vorsicht zu behandeln. Bei der Vielzahl der von ihm transkribierten Urkunden blieben Lesefehler nicht aus. Von 1300 bis 1350 wird der Ortsname Windecken im "Reimer" insgesamt 72 Mal genannt und zwar in nicht weniger als 12 verschiedenen Schreibweisen: "Wuneckin, Wuneckeyn und Wonnekin (je 1mal), Wonecke und Wonnekken (2), Wunnecke (4), Woneckin (5), Wunneckin (6), Wonnecken (9), Wunecke (10), Wonneckin (15) und Wunecken (16).

Während von der ersten Erwähnung im Jahre 1262 an bis etwa 1350 die Namensform Wunecke in Abwandungen vorherrschte, setzt sich in der zweiten Hälfte Wonnecken in verschiedenen Schreibweisen durch. Letztmalig wird im Urkundenbuch "Wunecke" im Jahre 1396 genannt. Wie willkürlich die Schreiber jener Zeit mit dem Ortsnamen umgingen, soll am Beispiel von Urkunden aus dem Jahre 1360 gezeigt werden. Je einmal werden Wunecken, Wunneckin und Woneckin genannt, je zweimal Wonecken und Wonnecken. Es ist auch nicht ungewöhnlich, daß in einem Dokument der Ortsname in zwei verschiedenen Versionen vorkommt. Von 1350 bis 1400 wird die Residenz der Herren von Hanau in den auf der Burg ausgestellten Urkunden immerhin 165 Mal erwähnt, und dies weist auf die wachsende Bedeutung der Stadt hin. 

 .....undt thaufft man Ihne zu Wonnecken

Es mag wie eine unnütze Zahlenspielerei aussehen, doch es ist interessant zu verfolgen, wie sich der Ortsname innerhalb eines halben Jahrhunderts in den erhalten geblieben Urkunden laufend verändert.

Von 1350 bis 1369 werden genannt Wuneckin, Wunneckin, Wunecken und Wonnegken (je 1mal), Wonecke und Woneken (2), Wunecke und Wonnecken (3), Woneckin (10) und Wonecken (23). Von 1361 bis 1370 sind folgende Namensformen überliefert: Wunnecken, Wuneckin, Wonecken und Woneckin (1mal), Woneckin (2), Wunneckin (3), Wonnegken und Wonecke (6), Wonnecken (9) und Wonneckin (11).

In den Jahren 1371 bis 1380 setzt sich deutlich der Konsonant "o" hinter dem Anfagsbuchstaben durch; Woneckin, Woneckyn, Wonneckyn und Wonneken (1mal), Wunecken, Woneckin, Woneken und Woneke (2), Wonnegkin (7), Wonnecken ((8) und Wonnegken (9).

Aus den Jahren 1381 bis 1390 sind nur 18 Urkunden mit der Erwähnung des Ortsnamens im Reimer aufgeführt: Woneckin und Wonnegken (1), Woneken (6) und Wonnecken (10), Bis 1400 werden noch erwähnt Wonnecke, Woneken, Wonnegke, Wuneken und Wunecke (1), Wonnegken (2), Wonnegkin (3) und Wonnecken (17).

Damit versiegt die ergiebige Quelle von Reimers Urkundenbuch. Wollte man den Ortsnamenwandel in den folgenden 65 Jahren weiter verfolgen, müßten die in vielen Archiven sicher noch vorhandenen Urkunden ausfindig gemacht werden. In unseren Tagen wäre dies noch eine Sisyphos-Arbeit, doch eines vielleicht nicht allzufernen Tages können bestimmt alle Archivbestände auf den Monitor geholt und bequem ausgewertet werden. Vielversprechende Anfänge gibt es bereits.

Zurück zum Wandel des Ortsnamens Wunecke - Windecken in der urkundenarmen Zeit von 1400 bis 1465. Mit einiger Sicherheit ist anzunehmen, daß die Schreibweisen Wonnecken (Wonecken) und Wonneckin (Woneckin) dominierten. Diese Annahme wird durch die wenigen bisher bekannten Quellen gestützt, in denen der Ortsname Erwähnung findet. 

Am 8. November 1417 wurde auf der Burg Windecken Philipp der Ältere geboren, Stifter der Linie Hanau-Lichtenberg. 

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Das Tor der Burg mit den beiden flankierenden Türmchen ist der einzige erhalten gebliebene Rest der einstigen stolzen Burg Wonnecken. Repro: Rolf Hohmann
Der Chronist berichtet: "...und thaufft man Ihne zu Wonnecken in der Cappellen vor der Burgk, uff die Mittwochen nach des vorgenannten Sanct Martins tage zu Abendt ." Auch der Stifter der Linie Hanau-Münzenberg, Philipp der Jüngere, erblickte am 20. September 1449 das Licht der Welt in Windecken. Aus dem Schreibstil kann geschlossen werden, daß nach 30 Jahren immer noch der derselbe Chronist den Federkiel führte: "Anno domini 1449 vff den Sambstag Sanct Mattheus des heiligen Aposteln vundt Evangelisten Abendt vundt war nemlich Fronfasten, des morgens zwischen Vier vundt fünff Vhren ongefehrlich, gelag die obgenante Frawe Margretha Ihres ersten khindes vundt Sohnes, nemlichen Jungker Philipsen. Vundt wardt gethaufft zu Wonnecken in der Capellen vor der Burgk, vuff den Sonntag nach Sanct Mathenstage."

Am 18. August 1454 gab Philipp der Ältere den Schützen in seinen Städten "Hanauwe, Wonnecken und Babenhusen" eine neue Ordnung. Bereits im Jahre 1429 waren die Herren von Hanau in den erblichen Reichsgrafenstand erhoben worden und 1436 verlegten sie ihre Residenz nach Hanau. Damit verlor das Nidderstädtchen seine bisherige Bedeutung, auch wenn sich die Grafenfamilie bis zur Zerstörung der Burg im Dreißigjährigen Krieg gerne zur "Sommerfrische" in das "wonnige Eckchen" zurückzog und dorthin samt Hofstaat und Regierung vor der Pest floh. 

Ab 1465 kann der Wandel des Ortsnamens Windecken anhand der vom Beitragsverfasser nach hartnäckigen Bemühungen aus dem Hessischen Staatsarchiv Marburg an den Ursprungsort zuückgeführten Bürgermeister-Rechnungen fast lückenlos weiterverfolgt werden.

Bis 1475 ist überwiegend die Schreibweise Woneckin gebräuchlich, ab 1476 setzte sich Wonecken mit einem "Dopplerstrich" über dem "n" nach dem "o" durch und ab 1497 einheitlich Wonnecken. Eine entscheidende Veränderung erfährt der Ortsname 1522. Von diesem Jahr ab erscheint in den Bürgermeister-Rechnungen durchgehend Wynecken und ab 1535 Wynnecken.

Was die Ursache für diese plötzliche neue Schreibweise war, läßt sich nicht mehr ergründen. Die Abrechnung der beiden Bürgermeister, die jeweils den Zeitraum "von sanct Michaelis (29. September) bis wieder sanct Michaelistag" umfaßte, wurde von unabhängigen Beauftragten der Hanauer Grafen geprüft. Rechnungsprüfer waren in der Regel der Amtmann, Adelige aus den Orten des Amtes Windecken, und als letztlich wichtigste Person ein Schreiber aus Hanau, der die jeweiligen Prüfungsergebnisse auf der letzten Seite der Stadtrechnung protokollierte.

Windecken setzt sich endgültig durch

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Nur spärliche Reste zeugen von der einstigen mittelalterlichen Stadtmauer. Hier ein Überbleibsel mit überdachtem Wehrgang in der Ostheimer Straße vor der Restaurierung. Repro: Rolf Hohmann
Während bis 1541 sowohl Bürgermeister als auch Schreiber übereinstimmend Wynnecken verwendeten, taucht im Prüfungsprotokoll von 1542 erstmals die Bezeichnung "Winicken" auf. Die beiden folgenden Rechnungen sind nicht vorhanden; aber auch 1545 ist auf der letzten Seite eindeutig "...actum zu dem Vorhauß zu Winickin" zu lesen. Innerhalb der nächsten zehn Jahre muß sich die Umwandlung von "Winickin" zu der heute noch gebräuchlichen Namensform "Windecken" vollzogen haben. 

Wann das extakt geschah, ist nicht mehr zu ergründen, da Dokumente aus dieser Zeit fehlen. Die Rechnung von 1554/55 erstellten Valentin Menger und Jorg Happ "als Burgermeister der Statt Wynnecken," während der Hanauer Schreiber im Prüfungprotokoll vermerkt: "....und übertrifft außgabe die Inname 32 Gulden 13 Schilling 4 Heller so die Stadt Windecken den obbemelten Burgermeistern etlichen schuldig bleibt." Mit einem "Actum Windecken" wird der Prüfungsbericht abgeschlossen.

Von diesem Jahr an verwenden die gräflichen Schreiber diese Namensform ausschließlich, während die Bürgermeister weiter das vertraute Wynnecken bevorzugen. Erst im Jahres 1570 bequemte sich der Stadtschreiber bei Abfassung der "Marktordnung des Fleischkauffs und Marktschauerbuch" dazu, die Ortsbezeichnung "Windecken" zu verwenden. Von diesem Zeitpunkt an wurde aus dem "Wunecke" des Burgenerbauers Reinhard I. endgültig das uns vertraute Windecken, das am 1. Januar 1970 im Zuge der hessischen Gebiets-und Verwaltungsreform in der neuen Stadt Nidderau aufging.


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