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Fund und Fälschung
Der "Jupiter von Nidderau" war ein Kuckucksei
Von Rolf Hohmann
Das
Thema "Fund und Fälschung in der Archäologie" füllt
ganze Bücher, und auch in der Gegenwart streiten sich die
Gelehrten über die Echtheit mancher von vielen Fachleuten als
"sensationell" bezeichneter Artefakte. Als Beispiel sei nur der
"Runenstein von Kensington" im US-Staat Minnesota genannt. Brandneu ist
die Meldung, daß es sich bei der nur wenige Zentimeter grossen
Elfenbeinskulptur, die als bisher einziges materielles Zeugnis des
Solomischen Tempels in Jerusalem gilt, vermutlich ebenfalls um eine
Fälschung handelt.
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Der Jupiter von Nidderau war ein Kuckucksei.
Foto: Rolf Hohmann
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Bei der ersten Rettungsgrabung auf dem Areal des einstigen
römischen Erdkastells Heldenbergen notierte Grabungsleiter Rolf
Hohmann am 5. September 1972: "Bisher wichtigster Fund.
Terrakotta?-Halbmaske eines bärtigen Mannes (Gott?) ohne
Beschädigung. Helfer Eberhard, der die Maske fand + Bundeswehr."
Da das Fundstück den typischen Lehmbelag aufwies, und er als Laie
bei der Beurteilung dieses Artefaktes überfordert war,
schöpfte Hohmann zunächst keinen Verdacht. Was ihn aber
stutzig machte war die Tatsache, daß diese Tonmaske, im Gegensatz
zu allen anderen Keramiken, völlig unversehrt die Jahrhunderte
überstanden haben sollte. Dies veranlasste Rolf Hohmann vor
Abfassung einer Pressemitteilung zunächst dem Hessischen
Landesarchäologen Prof. Dr. Helmut Schoppa das intern bereits als
"Jupiter von Nidderau" bezeichnete Fundstück zur Begutachtung
vorzulegen. Der Wissenschaftler wiegte zwar zweifelnd den Kopf hin und
her, erkannte aber nicht auf Anhieb, daß sich hier ein
Grabungsteilnehmer einen Scherz erlaubt hatte. So nahmen die Dinge
ihren Lauf.
In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 18. Oktober 1972 wurde ein
Foto der Tonmaske mit folgendem Text veröffentlicht: "Für
das Abbild Jupiters hält der Amateurarchäologe Rolf Hohmann
aus Nidderau diese zwölf Zentimeter hohe Terrakotta-Maske eines
bärtigen Mannes, den bisher wertvollsten Fund bei den seit drei
Monaten unter seiner Leitung laufenden Ausgrabungen auf dem
Gelände des Römerkastells bei Heldenbergen." Fotos mit ähnlichen Texten erschienen auch in anderen Zeitungen.
Obwohl kein Fachmann offen Zweifel an der Echtheit des "Jupiters von
Nidderau" äußerte, hielt es Rolf Hohmann für
angebracht, das Fundstück in seinen Pressebeiträgen nicht
mehr zu erwähnen. Nachdem er es durch vorsichtiges Waschen von der
lehmigen Erde befreit hatte, entstanden nämlich nach dem Trocknen
auf der Maske zahlreiche feine Haarrisse. Das war nun für
römische Keramik der damaligen Kaiserzeit völlig untypisch.
Da Rolf Hohmann den "Jupiter" in seinem Haus aufbewahrte, hatte er
genügend Zeit, das Artefakt eingehend zu untersuchen und bei
Römerspezialisten Erkundigungen einzuziehen.
Anfang 1973 stand endgültig fest, daß es sich bei dem
"Jupiter von Nidderau" um ein "Kuckucksei" handelte. Der angebliche
Sensationsfund war in einer mediterranen Souvenirwerkstatt nach dem Ebenbild von Friedel Eberhard gefertigt worden.
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