Nulla dies sine linea
Geschichtsverein Windecken 2000

 
Bachforschung
Eine bunte Folge von heimatlichen Bildern aus vergangenen Tagen (Heinrich Karl Bach)
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Das Verhältnis der Windecker zueinander
Aus den Erinnerungen von Heinrich Karl Bach

Wie auf dem Lande überhaupt, ob Kleinstadt oder Dorf, so kennen sich auch alle Leute, die in Windecken wohnen. Sie sind meißtens miteinander blutsverwandt, zumindest verschwägert oder versippt. Sie kennen deshalb auch gegenseitig alle ihre Vorzüge, aber auch ihre Fehler, haargenau. Fremden gegenüber fühlen sie sich aber als eine geschlossene Familie. Es läßt keiner etwas auf den anderen kommen und nimmt ihn soviel wie möglich in Schutz. Die Windecker fühlen sich sogar mit beleidigt, wenn seinem Mitbürger von Fremden etwas Unehrenhaftes nachgesagt wird; besonders, wenn es sich um einen aus seiner "Freundschaft" handelt.

Hier bewahrheitet sich, was Goethe Mephisto im "Faust" feststellen läßt, daß Blut ein besonderer Saft sei und das alte Sprichwort wohl recht hat, wonach Blut dichter ist als Wasser und die Blutverwandtschaft stärker als die trennende See. Aus diesem Grund läuft auf dem Lande kein Mensch an dem amderen interessenlos vorüber wie in der Großstadt. Man begrüßt sich und wechselt einige freundliche Worte. Das Hasten und Jagen der Großstädter hat sie bis heute noch nicht erfaßt. Die Begrüßungsworte richten sich meist nach der Tages- oder Jahreszeit oder nehmen Bezug auf die augenblickliche Beschäftigung.

So beispielsweise: "Schon auf? Guten Morgen! Gut geschlafen? Schon so früh auf den Beinen? Wasser holen?" Beim Frühstück: "Schon wieder Hunger? Laß dir's gut schmecken!" Bei der Arbeit: "Seid nicht so fleißig! Nur langsam ! Vom vielen Schaffen verrecken die Gäul!" Im Laufe des Tages: "Ein schöner Tag heute! Heute regnet es nur einmal" Heute meint's die Sonne aber gut! Heiß heut !" Beim Mittagessen: "Guten Appetit! Worauf der der andere schmatzend erwidert: Nichts vertröpfelt, nichts verschütt'" Am Nachmittag: "Heut will's aber gar nicht Feierabend werden!" Beim Wagenladen: "Ladet nicht zu schwer! Seid vorsichtig, sonst bricht ein Rad." Beim Zubettgehen: "Gute Nacht ! Schlaf wohl bis morgen früh!" Beim Nießen: "Prosit! Gesundheit!" Aus allen diesen Grüßen und Wünschen, deren Zahl noch leicht vermehrt werden könnte, spricht die Vertrautheit zueinander und die gegenseitige Anteilnahme an allem Tun und Lassen. Das Hasten und Jagen der Großstädter kennt er wohl, aber es gefällt ihm nicht, es heimelt ihn nicht an. 

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