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Im bereits im 18. Jahrhundert von der Glockengießerfamilie erworbenen Pflückburgerhof wurde Heinrich Karl Bach am 10. Februar 1868 geboren. Hier verbrachte er auch seine Kindheit und Jugendjahre.
Dia: Helmut Roßbach 1959
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Wer kennt ihn noch, den wandernden Zinngießer, der noch vor achtzig
Jahren mit seinem angehängten Werkzeugkasten in gewissen Zeitabständen,
ein- auch zweimal im Jahre, von Dorf zu Dorf zog, um sich im Flicken von
altem, schadhaften Zinngeschirr zu empfehlen. Wie er hieß, woher
er kam und was für ein Landsmann er war, niemand wußte es, und
doch kannte ihn jeder in der weiten Umgebung. Ich sehe ihn heute noch im
Geiste, den großen Mann mit dem starken, schwarzen, zu langen Spitzen
gedrehten Schnurrbarte durch die Straßen gehen und ernst, aber doch
freundlich, laut vor sich hinsprechend, sagen: "Löffel, Löffel
und keine Supp !" und dabei von Haus zu Haus altes Zinngeschirr zur Reparatur
einsammeln. In jener Zeit war nämlich zinnernes Geschirr noch stark
im Gebrauch. Man aß mit zinnernen Löffeln von zinnernen Tellern.
Bei letzteren gab es zwei Formen, eine ältere ohne und eine neuere,
die heute noch übliche, mit breitem Anfaßrand. Aber noch lange
stellte man schöne, gut erhaltene Zinngefäße als Zierrat
auf Paneelbrettern in der "Guten Stube" auf. Hatte der Zinngießer
mehrere Straßen hinter sich gebracht und lädiertes Geschirr
in genügender Menge gesammelt, so setzte er sich an seinen gewohnten
Platz im Orte und besserte sie aus. In Windecken geschah das unter dem
ersten Torbogen des Rathauses, wobei die Kinder um ihn herumstanden und
interessiert zusahen. Wer ihm altes, ausrangiertes Zinn brachte, dem goß
er ein sogenanntes Trillerpfeifchen.
Der wandernde Uhrenhändler
Auch des wandernden Uhrenhändlers erinnert sich die Neuzeit nicht
mehr, eines Mannes, der noch vor achtzig Jahren von Dorf zu Dorf zog und
Schwarzwälder Uhren zum Kaufe anbot. Sein Warenvorrat hing an einer
Spankötze, die er auf dem Rücken mit sich herumschleppte. Um
die Aufmerksamkeit der Dorfbewohner auf sich und seine Ware zu lenken,
brachte er ein schalenförmiges Metallglöckchen durch eine Schlagfeder
zum Erklingen. Der Beruf scheint schon danals wenig einträglich gewesen
zu sein und ist heutzutage gänzlich eingeschlafen, wo jeder am Orte
seßhafte Berufsuhrmacher nicht nur alte Uhren repariert, sondern
auch neue in seinem geschäftlich angeschlossenen Uhrenladen feilbietet.
Keine Chance mehr für den Kleinseilermeister
Wer erinnert sich noch in Windecken des alten, ehrwürdigen Seilermeisters
Kohl, der vor seinem Haus am Ostheimer Berg auf offener Straße noch
in der Mitte der siebziger Jahre sein Handwerk betrieb? Hatte er besonders
lange Seile zu drehen, so tat er dies auf dem Schloßberg vor den
auf der Nordseite des Schloßhofes stehenden, alten, wegen Baufälligkeit
längst umgerissenen Gebäuden (Schafställe, Scheunen). Heute
geschieht das alles maschinenmäßig in den großen Fabriken.
Der kleine Meister ist von der Technik überholt und nicht mehr konkurenzfähig.
Mit der Schrotsäge Bretter geschnitten
Oder wer weiß noch etwas davon, daß die beiden Brüder,
die Zimmermeister Schmalz, auf dem vor dem Kilianstädter Tor gelegenen
Zimmerplatz Baumstämme der Länge nach zu Brettern geschnitten
haben, der eine in der ausgegrabenen Zimmergrube stehend und die große
Schrotsäge nach unten ziehend, der andere auf dem Stamm stehend und
sie wieder nach oben ziehend ? Eine mühselige Arbeit ! Wie geht das
heute in den Fabriken durch Sägemaschinen so leicht und schneller,
die den Stamm in einem Arbeitsgang in die gewünschte Bretterzahl zerlegt!
Letzte Mordtat schlecht und recht dargestellt
Von der Landstraße verschwunden ist auch der Moritatensänger,
der noch in den siebziger Jahren in den Dörfern oft in Erscheinung
trat und sozusagen die Bettelei berufsmäßig ausführte..
Seine "Geschäftsausstattung" bestand lediglich aus einer Drehorgel
und einer langen Stange, an der eine anderhalb Meter im Geviert messende
Leinwand aufgehängt werden konnte, auf der einzelene Szenen von einer
letzten Mordtat farbig schlecht und recht dargestellt waren. Ein oder zwei
Mädchen, angeblich seine Töchter, begleiteten ihn auf seiner
Wanderung. Ihr Aufgabe bestand darin, mit ihm unter Orgelklang die neuesten
Gassenhauer zu singen und anschließend von Haus zu Haus zu gehen
und Geld einzusammeln, während er an Hand der Bilder die Mordtat laut
schreiend erzählte. Seinen Vortrag begann er stets mit den Worten:
"Eine große Moritat, die sich zugetragen hat" und endigte mit dem
Hinweis, daß man für diejenigen, die noch Genaueres über
die Tat wissen wollten, ein Werkchen gedruckt habe, das für zehn Pfennig
bei ihm zu haben sei. Den Moritatensänger, den Nachahmer der mittelalterlichen
Bänkelsänger, sieht man heutzutage nicht mehr. An seine Stelle
sind leider Institutionen getreten, welche die Schauergeschichten verbreiten,
zwar in vornehmerer Weise, eindringlicher und ausführlicher und darum
für die Jugendlichen desto gefährlicher und verderblicher. Dauerte
es früher Wochen, Monate bis eine Schauertat bekannt wurde, heute
pfeifen es schon am anderen Morgen die Spatzen von den Dächern.
Es klappert die Mühle am rauschenden Bach
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Konrektor Heinrich Karl Bach (1868-1957) nach einem 1911 entstandenen Gemälde von M. Weiler. Das Porträt befindet sich im Erdgeschoß des historischen Windecker Rathauses. Es wurde von der Bach-Enkelin Dr. Ortrud Schweser gestiftet.
Repro: Rolf Hohmann
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Neben dem Windecker Rathaus steht ein schlichtes, übertünchtes
Fachwerkhaus, das sich äußerlich nur wenig von seinen Artgenossen
unterscheidet. Anders war es in meiner Kindheit. Da trug es über der
Haustür ein Ölbild von einer Windmühle, auf eine Holzplatte
gemalt, 100 x 80 Zentimeter groß, eine Windmühle, wie sie damals
noch von den Bauern gebraucht wurde, um nach dem Dreschen die Frucht, Weizen,
Korn, Gerste und Hafer von der Spreu zu reinigen. Das Windecker Bild trug
die Aufschrift; Johannes Hochstadt, Mühlarzt. Der Sohn war der "Mühlarzte
Hannes." Mühlarzt ist eine eigenartige Wortbildung, zusammengesetzt
aus Mühle und Arzt. Sie kommt im deutschen Sprachgebrauch zum erstenmal
in der "Kurpfälsischen Zimmerleuteordnung vom Jahre 1579" vor.
Wenn ich heute nach achtzig Jahren die Verhältnisse überblicke,
so hat der Windecker Mühlarzt Hochstadt in seinen letzten Lebensjahren
nur noch selten neue Windmühlen gebaut, sondern sich auf das
Reparieren von alten beschränkt. Ehedem als er noch jung war und in
jedem Dorf, an dem ein noch so kleiner Bach vorbeifloß, sich ein
Mühlrad drehte, baute unser Windecker Mühlarzt nicht nur neue
Windmühlen zum Reinigen der gedroschenen Frucht, sondern auch Mehlmühlen
sowie die im Haus befindliche Mahleinrichtung mit ihrem kompliziert ineinandergreifenden
Werk. Aber in neuester Zeit ist alles anders geworden. Großmühlen
haben die kleinen Mühlenbetriebe verdrängt. Und da die Großmühlen
nur in großen Spezialfabriken mit mit hohem Betriebskapital gebaut
werden können, ist der frühere kleine Mühlarzt beiseite
geschoben, kalt gestellt, nicht mehr existenzfähig. In Windecken leben
nur noch wenige, die sich dieses Berufes erinnern können. Selbst das
Kinderlied "Es klappert die Mühle am rauschenen Bach", das wir einst
so gern und begeistert und mit Verständnis gesungen haben, hört
man kaum noch und es wird auch bald der Vergangenheit angehören.
Eine Erinnerung an meine Kinderjahre muß ich hier noch anfügen.
Auch der Schmiedmeister Seitz am Heldenberger Tor, dem Pfarrhaus gegenüber,
hatte über der Tür zur Schmiede eine große, eiserne Tafel
einmauern lassen, die als Charakteristikum seines Handwerks einen Schmied
darstellte, der ein Pferd beschlägt. Waren auch beide Handwerkszeichen
keine Kunstwerke, so müssn wir doch gestehen, daß die Idee,
die ihnen zugrunde lag, gut war und wert ist, hierbei erwähnt und
für nachfolgende Geschlechter der Vergessenheit entrissen zu werden.
Vielleicht existieren diese beiden Handwerkszeichen noch unbeachtet in
einer verborgenen Ecke. Wer findet sie ? |