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Abscheulich Exempell am 'scheppen Georg'
Diebe wurden 1681 in Windecklen peinlichst verhört und endeten am Galgen
Im Jahr 1502 errichtete Graf Reinhard IV. von Hanau in Windecken ein Landgericht, dessen im Hessischen Staatsarchiv aufbewahrte Ordnung wie folgt eingeleitet wird: "Item der Schultheiß zu Wonnecken, der zu yeder zijt Schultheiß daselbst ist, sol den Stabe in der hant haben als ein Richter und das gericht hegen von unseres gnedigen Herrn wegen, wie sichs gepurt und zu Hanaw am Lantgericht gehalten würt." Die zehn Schöffen des Landgerichts traten alle vier Wochen unter dem Vorsitz des Schultheißen zusammen und ein Schreiber führte das Protokoll. Zwei Drittel der verhängten Bußen standen dem Landesherren zu, ein Drittel floß in die Kasse des Gerichts. Später übte das Landgericht Windecken im gleichnamigen Amtsbezirk mit den Orten Marköbel, Dorfelden, Eichen und Ostheim auch das "peinliche Gericht" aus, entschied also über Leben und Tod der Angeklagten..

Archivar Rolf Hohmann hatte bei der Sichtung der zahlreichen Dokumente des Windecker Stadtarchivs auch die 91 Seiten umfassende Akte "Fiscalis contra Georg Meißnern und Hanß Georg Ungern" aus dem Jahre 1681 entdeckt. Da diese "Kriminalstory" einen vorzüglichen Einblick in das Gerichtswesen des ausgehenden 17. Jahrhunderts vermittelt, faßte er in einer wochenlangen Fleißarbeit die teilweise nur noch schwer entzifferbaren Protokolle und Schilderungen der Archivale in einer längeren Abhandlung zusammen. Der Authenzität wegen werden sehr oft ganze Absätze original aus den Protokollen zitiert.. 

Was geschah nun zu Beginn des für zwei Ostheimer Bürger so schicksalhaften Jahres 1681? Als am 5. Januar die "hiesige herrschafftliche Trescher" in der Herrenscheune auf dem Windecker Schloßberg ihren am Abend zuvor unterbrochenen Getreidedrusch fortsetzen wollten, entdeckten Sie, daß in der Nacht Diebe am Werk gewesen waren. Gestohlen wurden ihre "instrumenta sambt zween säcken gersten," wie im Protokoll vermerkt ist. Bei ihrer Anzeige auf dem Rathaus lenkten die drei Drescher "einen starcken verdacht uf zween Ostheimer," die sich am Vortag auf dem Schloßberg herumtrieben und mit denen sie einen Streit gehabt hätten.

Nachdem die Anzeige "bey Ambt" aufgenommen worden war, "wurde also auf solches anbringen der eine Trescher Hanß Henrich nach Ostheim beordert und dem Schultheißen daselbsten befehl gegeben, Haußsuchung zu thun." Die beiden Ostheimer müssen nun nicht besonders helle gewesen sein, wie im Amtsprotokoll nachzulesen ist: "Alß sie nun in des Verdächtigen auß kommen, finden sie so bald bey einem, nahmens Georg 

Meißner, vulgo 'der scheppe Georg', einen flegel sambt den zwey
säcken gersten, so er ins Bett versteckt hatte. Weilen nun diese zwey diebe eingeständig, sindt sie gefänglich genommen und anhero nach Windecken zu hafften gebracht und demnach heute examiniert worden."

Bei der ersten Vernehmung gab Meißner zur Person an, daß sein Vater "gemeiner Becker gewesen in Ostheimb." Er selbst habe fünf Jahre Kriegsdienst geleistet, "worunter 3 Jahre bey der Garnison Hanau und ein Jahr ins feldt vor Philipsburg undt Keyserslautern." Nach seiner Abdankung sei er wieder nach Ostheim zurückgekehrt, und auf die Frage, wovon er sich ernähre, antwortete er: "Mit nichts als mit tagelon." Aus den Verhörprotokollen geht hervor, daß Meißner noch weiterer Diebstähle verdächtigt wurde, wovon er einige geringere Vergehen auch zugab. Damit kam jedoch ein Kriminalfall ins Rollen, der fünf Wochen später auf dem Hochgericht am Wartbaum sein schreckliches Ende fand.

Ab 24. Januar 1681 tagte das Windecker Landgericht in Permanenz. Es wurden zahlreiche Zeugen vernommen und es gab eine Gegenüberstellung mit einem der Hehlerei bezichtigten Marketender aus Hanau. Hanß Georg Unger war weitgehend geständig und wollte "alles von seinem hertzen offenbahren undt umb ein gnädiges Urtheil fußfällig gebethen haben." Obwohl er von seinem Komplizen schwer belastet und als Rädelsführer genannt wurde, war der "scheppe Georg" aus härterem Holz geschnitzt. Offenbar wollte ihm die Obrigkeit alle unaufgeklärten Diebstähle in die Schuhe schieben, und so blieb er bei den Vernehmungen auch in den Fällen bei seinem "nicht schuldig," in denen die Beweise gegen ihn erdrückend waren. Im Protokoll liest sich das so: "Georg Meißner wieder hervorgerufen, wurde vorgehalten, wie er so treulich zum offten vermahnet, die Wahrheit anzuzeigen; er aber wolte weder Gott noch der weltlichen Obrigkeit die Ehre geben." Doch Meißner beteuerte, "er wehre unschuldig, so wahr als Gott lebe."

Da sich der Angeklagte weiterhin  halsstarrig zeigte, ließ sich am 27. Januar "Ihre Excellence Doctor undt Cantzley Rath Schmidt" von Hanau nach Windecken kutschieren, um den hartgesottenen Sünder in die Mangel zu nehmen. Doch auch der hohe Herr beeindruckte den "Peinlich Beklagten" zunächst nicht und gab trotz der teilweise eindeutigen Beweislage  keine weiteren Missetaten zu. So durfte man in der "guten alten Zeit" jedoch nicht mit einem gräflichen Rat umspringem, wie dem Ostheimer bald schmerzlich zu Bewußtsein kommen sollte.

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