Die am 9. Februar 2001 unter der Überschrift "Ein
entblößtes Mädchen auf des Husaren Pferd" auf unserer
Hompepage veröffentlichten kleinen Beiträge haben die Besucher
amüsiert; zum Teil aber auch zum Nachdenken angeregt. Lokalhistoriker
Rolf Hohmann hat diese "Geschichten aus alten Zeitungen" bei seiner über
dreißigjähren Quellensuche entdeckt und gesammelt. Auf vielfachen
Wunsch bieten wir nachfolgend weitere Kostproben an.
Selbst der Duckmäuser wird gut curirt
Das 5. Wetterauer Sängerfest fand vom 13. bis 15. Juli 1845 in
Heldenbergen statt. Es lockte nach zeitgenössischen Berichten nicht
weniger als 12 000 Besucher an. Das "Intelligenzblatt für die Provinz
Oberhessen" veröffentlichte aus diesem Anlaß einen Beitrag über
die Vorzüge des Chorgesangs in einem Verein. Der Verfasser ging auch
auf die in unseren Tage seltsam anmutenden "Lernmethoden" und die geforderte
Disziplin in Gesangvereinen ein. Er schrieb unter anderem: "Der Ungeduldige
lernt nach Noten aushalten, dem Schwätzer wird durch Pausen Schweigen
beigebracht; und will Einer gar über seinen Horizont (die 5 Linien)
hinaus, da geht's ihm an den Hals, und steigt einer noch weiter, dann versetzt
man ihm Eins durch den Kopf. Selbst der Duckmäuser wird hier durch
den Sechs-achtel-Takt ebenso gut curirt, als der Maikäfer durch das
Drücken seiner Füße lustig wird. Kurz, fast jeder kann
sich hier etwas ad notam nehmen. Jedes Temparament wird hier gleichmäßig
zugestutzt, alle Ecken müssen weichen. Alles muß sich runden
und sich zu einem harmonirenden und harmonischen Ganzen bilden, und auf
diese Weise eben wird dann auch der Hauptzweck eines solchen Vereins, die
sittliche Ausbildung, erreicht."
Wenn der Regen kömmt
Die nachfolgende Bastelanleitung für ein preiswertes "Volkswetterglas"
entnehmen wir dem "Anzeigeblatt für den Kreis Vilbel" vom 29. Juni
1867: "In ein gläsernes Gefäß von ungefähr 8 Linien
Weite und 10 Zoll Länge, z.B. eine Eau de Cologne-Flasche, bringe
man eine Mischung von 2 Drachmen reines Salpeter, ½ Drachme Salmiak,
beides gepulvert, und 2 Unzen Weingeist und schließe sodann die obere
Öffnung mit einer dünnen fein durchlöcherten Blase. Wenn
das Wetter schön wird, sinken die festen Theile zu Boden und der Weingeist
wird durchsichtig, kömmt bald Regen, so steigen und fallen einige
der festen Theile und die Flüssigkeit trübt sich ein wenig; steht
Gewitter, Sturm oder ein Windstoß bevor, so kommen alle festen Theile
an die Oberfläche, bilden eine Kruste und der Weingeist erscheint
im Zustand der Gährung. Die Erscheinungen zeigen sich immer mehr als
24 Stunden im voraus und selbst die Richtung eines Sturmes, denn die festen
Theile häufen sich auf den entgegengesetzten Seiten."
Es fiel keine Blausäure vom Himmel
Im Frühjahr 1910 führte die Bahn des Halleyschen Kometen
über Europa. Die größte Erdennähe erreichte der nach
dem Astronomen Edmund Halley (1656- 1747) benannte Schweifstern am 18.
Mai. Obwohl der Komet bereits seit dem 16. Jahrhundert regelmäßig
alle 75 Jahre von der Erde aus beobachtet wurde und noch nie irgendwelche
Schäden anrichtete, hatten die Unheilverkünder auch 1910
wieder Hochkonjunktur. Neue Sekten schossen wie Pilze aus dem Boden und
viele Mitmenschen bereiteten sich auf vielfältige Weise auf den ihrer
Meinung unmittelbar bevorstehenden Weltuntergang vor. Die Gazetten waren
voller düsterer Prophezeihungen und manche Zeitgenossen sollen sogar
ihr Hab und Gut verschenkt haben.
Die von 1909 - 1915 erscheinende "Windecker Zeitung" befaßte sich
ab 2. Februar 1910 in einer regelmäßigen Kolumne mit dem sich
annähernden Sphärenbummler. Am 28. Mai resümierte die Zeitung
angesichts der zuvor herrschenden Hysterie spöttisch: "Nach den bisher
vorliegenden Meldungen hat der Halleysche Komet den Erdenbewohnern eine
schwere Enttäuschung bereitet. Der Weltuntergang ist in letzter Stunde
wegen Unpäßlickeit des Hauptdarstellers abgesagt worden. Der
Komet schwänzte, was bei solchen geschwänzten Bummlern nicht
weiter verwunderbar, aber immerhin eine Rücksichtslosigkeit gegen
das Publikum ist, das sich bei dem ungewöhlichen Beginn der Vorstellung
so früh hat sich aus den Feden machen müssen. Wenn man sich mit
einem solchen Aufgebot von Reklame hat in Szene setzen lassen, soll man
wenigstens auch etwas leisten.
Der Komet hat sich für die nächsten 75 Jahre gründlich
blamiert. Nichts, rein gar nichts! Kein Tropfen Blausäure, keine Sternschnuppen,
kein Schweifwedeln (am Himmel, versteht sich), kein Feuerregen, kein Donnergepolter,
höchstens große Hitze und großer Durst. Großer Durst
ist aber eine durchaus gewöhnliche Erscheinung und an der großen
Hitze wird der Komet auch keine Schuld haben. Der Komet ist also so ungefährlich
wie eine Friedenskonferenz, sanft wie ein Schiedsmann und versöhnlich
wie ein Prozeßgegner, der Unrecht hat. Wenn der Herr Halley sich
aber jetzt nicht binnen 24 Stunden am Abendhimmel zeigt, so soll er als
der größte Schwindler gebrandmarkt werden, der je unsere Bahn
gekreuzt hat."
Dem Gast Maikäfer für Krebse unterjubeln
Dem römischen Sprichwort "De gustibus non est disputantum" zufolge
läßt sich über Geschmack nicht streiten. Dies gilt
auch für das Rezept einer "Maikäfersuppe" der "Illustrirten Gartenzeitung,"
das der "Vilbeler Anzeiger" in seiner Ausgabe vom 20. Juli 1870 veröffentlichte:
"Man fängt die Käfer, von denen man 30 Stück auf eine
Portion rechnen kann, frisch ein, löst ihnen die hornartigen Flügeldecken
und zerstößt die Käfer, nachdem man sie früher sorgfältig
gewaschen, in einem Mörser. Hierauf röstet man die Masse in heißer
Butter und läßt sie in Fleischbrühe aufkochen, dann die
Brühe durch ein feines Haarsieb streichen und richtet die Suppe über
geröstete Semmelscheiben an.
Selbst wenn man nur dünne Boullion zu dieser Supppe nimmt, so geben
ihr die Maikäfer doch eine solche Kraft und einen solchen Wohlgeschmack,
daß sie mit Recht der vielgerühmten Krebssuppe vorzuziehen ist.
Warum man vor dem im Grunde gar nicht so unschönen Maikäfer Abscheu
empfindet, ist nicht recht erklärlich, wenn man bedenkt, daß
man keinen Abstand nimmt, die Krebse zu verspeisen, die doch gewiß
kein apptitliches Aussehen haben. Indeß hat man ja nicht nötig,
die Gäste mit dem bekannt zu machen, was sie essen, und kein Mensch
wird einen Zweifel darin setzen, daß er Krebssuppe verspeise, wenn
die Köchin noch ein paar Krebse unter die Suppe mischt. Namentlich
Reconvalescenten und schwächlichen Personen ist die Suppe als Kräftigungsmittel
zu empfehlen." |