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Geschichtsverein Windecken 2000

 
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In vino veritas
Weinpanschern drohte vor 250 Jahren der Strang
Vielgeliebter Rebensaft - Geschichte und Geschichten

Wein ist neben Wasser wohl das älteste Getränk, das sich von Urzeiten bis heute im Wesentlichen unverändert erhalten hat. Wein war das Getränk der Antike, denn die Herstellung erforderte keinen allzugroßen Aufwand. Es kann nur vermutet werden, wann und in welcher Gegend erstmals aus Trauben Wein erzeugt worden ist. Als sicher gilt, daß nicht in allen Gebieten, in denen Wildreben wuchsen, auch Wein gekeltert wurde. In der Nähe von Damaskus entdeckten Forscher 1969 eine ungefähr 8000 Jahre alte Traubenpresse. Wie bis ins Tertiär zurückreichende Fossilien zeigen, war die Urform unserer Weinrebe in ganz Europa, in Nordamerika und Japan verbreitet. Die den heutigen Reben im wesentlichen gleichenden Pflanzen, traten erst in den obersten Ablagerungen des Tertiäts auf und wurden bisher ausschließlich in Griechenland und Italien gefunden. 

Die Wildrebe (Vitis vinifera silvestris) trägt kleine blaugefärbte, säuerlich- herb schmeckende Beeren, die in guten Jahren auch heute noch in den Auwäldern am Rhein, im Kaukasus, in Bosnien und in manchen Teilen Österreichs eifrig gesammelt und meist zu medizinischen Zwecken, aber auch zu Traubenkuchen und ähnlichem verarbeitet werden. Der Ursprung der Weinbereitung und der Kultur des Weines liegt vermutlich in den an Wildreben reichen Flußtälern Vorderasiens. Die dort ansässigen indogermanischen Völkerschaften gelten als Urväter des Weinbaues und der Weinkultur. 

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König Hammurabi (links) überreicht dem Sonnengott Schamasch seine Gesetzestafeln (Codex). In Susa aufgefundener Urkundenstein aus Basalt Repro: Rolf Hohmann
Altägyptische Tempelbilder und assyrische Dokumente lassen darauf schließen, daß diese Völker bereits um 3500 v.Chr. die Weinbereitung kannten. In dem nach ihm benannten Codex, einer Sammlung von Gesetzen und Edikten, des babylonischen Königs Hammurabi (1728- 1686 v. Chr.) steht geschrieben: "Der Wein gehört zu den kostbarsten Gaben der Erde. So verlangt er Liebe und Respekt." In dem 282 Paragraphen umfassenden Codex sind auch Vorschriften für die Herstellung und den Verkauf von Wein enthalten.  

Im alten Ägypten hatte der Wein einen hohen Stellenwert, war aber der Oberschicht vorbehalten. Er wurde den Göttern geopfert und in der Grabkammer des Pharao Tutenchamun (um 1250 v. Chr.) entdeckte der Archäologe Howard Carter 36 Weinkrüge. Die Amphoren waren mit Erzeugername, Jahrgang und Lage gekennzeichnet, wie auf den heutigen Flaschenetiketten üblich. In der Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr. dürfte der Weinbau durch die Phönizier nach Griechenland gekommen sein. Das bezeugen in der Nähe der kleinen Ortschaft Orchomenos gefundene Ablagerungen aus der Zeit von 1700 bis 1500 v.Chr., in denen Kerne der jetzt noch kultivierten Rebsorten eingeschlossen waren. 

Wein erwähnt der Dichter Homer in seinen Epen Ilias und Odyssee öfter. So wurden die griechischen Belagerer Trojas regelmäßig aus Thrakien mit Rebensaft beliefert. Den Prunkschild des Achilles schmückte unter anderem auch die Abildung eines Weingartens. Bereits als Kind erhielt Odysseus von seinem Vater 50 Weinstöcke zur Pflege anvertraut. Auf seiner Irrfahrt machte er den einäugigen Zyklopen Polyphem mit Wein so betrunken, daß er ihn blenden konnte und ihm mit seinen Gefährten die Flucht gelang.  Wahrscheinlich lebte Homer im 9. Jahrhundert v. Chr. 

Der Rebensaft verdrängte den zu jener Zeit vorherrschenden aus Honig hergestellten Mettrank. Daß in der frühgriechischen Gesetzgebung Weinbergfrevel genauso geahndet wurde, wie Tempelraub und Mord, weist auf die damalige Bedeutung der Reben hin. Sich auf den  griechischen Gott des Weins beziehend, schrieb Plato: "Dionysos hat ja den Menschen als heilsames Mittel gegen den finsteren Ernst des Greisentums die Gabe des Weines geschenkt, sodaß wir wieder jung werden und allen Schwermut vergessen."

Auch die Römer schätzten den Wein

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Römische Weinstube Repro: Rolf Hohmann
Mit der Kolonisierung der gesamten Mittelmeerregion durch die Griechen, verbreitete sich dort der Weinbau. In der Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. erreichte der griechische Kult des Bakchos (Bacchus) das römische Kerngebiet. Die in der Toskana ansässigen Etrusker sollen etwa um 600.v.Chr. den ersten Korkverschluß für Amphoren entwickelt haben. Sie exportierten ihren Wein bis nach Gallien.  Der Weingenuß stand allen Gesellschaftsschichten offen. In Pompeji wurden bisher etwa 200 Weinschenken ausgegraben. Der um 500 v. Chr. geborene antike "Reiseschriftsteller" Herodot berichtet davon, daß in Süditalien die Reben an Pfählen hochwachsen, während sie in Kleinasien und Afrika am Boden kriechend gehalten würden. In der Kaiserzeit erreichte der römische Weinbau seinen Höhepunkt. Damals war der Weinbau einträglicher als andere Formen der Bodenbewirtschaftung. Dies führte schließlich dazu, daß die Apenninen-Halbinsel Getreide einführen mußte. 

Die Römer hatten ein Monopol auf den Weinanbau, der allen eroberten Völkern verboten wurde. Die Aufbewahrung des in besonders präparierten Gefäßen hergestellten Weins erfolgte in tönernen Amphoren, aber auch in Schläuchen aus Ziegenfell. Um die durch Luftzutritt entstandenen unangenehmen Geschmackskomponeten zu überdecken, setzte man dem Wein bittere Pflanzenteile oder Essenzen zu. Der römische Ackerbauschriftsteller L. Junius Moderatus Columella verfaßte im 1. nachchristlichen Jahrhundert das umfangreiche Werk "De res rustica", in dem auch ausführlich auf den damaligen Stand des Weinanbaus eingegangen  wird. In Ravenna war der Wein teilweise billiger als Wasser. Kaiser Diocletian (245- 313 n. Chr.) erließ für verschiedene Sorten und Qualitäten Höchstpreisverordnungen. 

Die Römer brachten den Rebstock auch nach Germanien. Die Anbaugebiete lagen ausschließlich auf der linken Rheinseite. Vor allem Kaiser Probus  (232- 282)  unterstützte die Nauanlage von Weinbergen in den besetzten Gebieten nachhaltig. Aus dieser Zeit sind viele Artefakte bekannt, die mit dem Wein in Beziehung stehen. Beispielsweise Grabbeigaben in Form von Traubenkernen und Gefäßen mit einschlägigen Inschriften, Hacken und Winzermesser, Weinfässer und schließlich auch ein in seiner ursprünglichen Anlageform erhalten gebliebener römischer Weinberg an der Ahr. Der römische Weinbau an der Mosel ist durch die Dichtung "Mosella" belegt, in der Deciomus Magnus Ausionius etwa (310- 395) das Moseltal verherrlicht.

Mönche machten sich um den Weinbau verdient

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Archämenidisches Trinkhorn (Rhyton) aus Silber. 1. Hälfte des 5. Jahrhunderts v. Chr. Aus der Schimmel-Collection New York Repro: Rolf Hohmann
Nachdem die Römer vor dem Ansturm der Germanenstämme das Feld geräumt hatten,  brachten die unruhigen Zeiten der Völkerwanderung einen Niedergang des Weinanbaus mit sich. Unter den Karolingern erfolgte dann eine erhebliche Erweiterung des Weinbaugebietes. Pipin der Kleine (gest. 768), auch "der Kurze" genannt, verlieh Weinberge oder Flächen für  Neuanlagen. Während es zu dieser Zeit in der Pfalz, in Rheinhessen, Baden, im Elsaß, dem Neckarraum und in Schwaben bereits Hunderte von Weinorten gab, scheint der Weinbau den Rheingau erst unter Karl dem Großen (742- 814) erreicht zu haben. Der Kaiser ließ große Mengen Rebstöcke aus Burgund nach Deutschland bringen und errichtete Musterwirtschaften. Die Bedeutung des Weinbaus zu damaliger Zeit läßt sich daran ermessen, daß Rebfrevel einem Tötungsdelikt gleichgestellt war. In Mitteldeutschland verbreitete sich der von Kirche und Fürsten geförderte Weinbau im 9. Jahrhundert ebenfalls. 

Unter den Ottonen werden Weinberge in Meißen, Merseburg und Magdeburg häufig erwähnt. Im 10. Jahrhundert brachten Mönche den Weinbau nach Sachsen, im 11. Jahrhundert nach Thüringen und im 12. Jahrhundert nach Brandenburg.  Besonders Bendiktinermönche sorgten im Zuge der Christianisierung im frühen Mittelalter für die Verbreitung des Weinbaus bis hin nach Litauen und Skandinavien, um die Versorgung mit Meßwein sicherzustellen. 

Kurfürst August von Sachsen (1553- 1556) ließ die Meißener Hänge und Berge der Lößnitz bei Dresden mit rheinischen Reben bepflanzen und errichtete zahlreiche Kellereien. Die von ihm in Auftrag gegebene Weinordnung setzte sein Nachfolger Christian I. (1560- 1591) in Kraft. Damals führte das Kurfürstentum größere Mengen Wein aus, doch die Sachsen ließen ihr Eigengewächs auch selbst gerne durch die Kehlen rinnen. 

Als sich der von 1578 bis 1612 regierende deutsche Kaiser Rudolf II. einst am sächsischen Hof aufhielt, veranstaltete Kurfürst Christian II. (1583- 1611) ein Wett- Trinken, das der Gastgeber selbst gewann. Er ging bei einem Besuch in Prag auf diesen bacchanalischen Wettstreit ein und meinte zum Kaiser gewandt: "Kaiserliche Majestät haben sich gar trefflich gehalten, daß ich keine Stunde nüchtern war." 

Seine größte Ausdehnung mit etwa 350 000 Hektar erreichte der deutsche Weinbau im 15. und 16. Jahrhundert. An die Güte des Rebensaftes stellten unsere Vorfahren keine allzugroßen Anforderungen. Er wurde warm und gesüßt getrunken. Schließlich verdrängten importierte süffigere Weine aus südlichen Anbaugebieten die "Säuerlinge" des Nordens. 

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Kloster Eberbach im Rheingau. Verwaltung seit 1998 durch eine Stiftung. Der Weinbaubetrieb wurde abgetrennt und wird vom Land Hessen weitergeführt Repro: Rolf Hohmann
Mit viel Eifer und Sachkenntnis nahmen sich die Klöster des Weinbaus an. Hier soll stellvertretend das Kloster Eberbach im Rheingau Erwähnung finden. Im Jahr 1136 entsandte der heilige Bernhard Mönche aus, die einen geeigneten Ort für die Gründung eines Zisterzienserklosters erkunden sollten. Die Legende erzählt: "Als die ersten Mönche des Kisselbachtal erreichten, lief ein Eber vom Wald herab, sprang dreimal über den Kisselbach und soll anschließend mit seinen gewaltigen Hauern die Umrisse der Abtei eingezeichnet haben." An der Stelle, wo der Eber den Bach übersprang, wurde die Klosterkirche errichtet und auf den vom Eber gezeichneten Umrissen die Klostermauern." Damit war der Grundstein für eine der ältesten und größten Zisterzienser-Abteien in Deutschand gelegt," heißt es in einer Informationsschrift zur Geschichte des Klosters. Bereits 1170 bauten Eberbacher Mönche auf dem Steinberg Wein an, aus dem bis heute ein besonders kostbarer Tropfen gekeltert wird. Beim Aufstand der Rheingauer Bevölkerung gegen ihren Landesherren, den Mainzer Erzbischof Albrecht von Brandenburg, im Jahre 1525 wurde auch das Kloster Eberbach geplündert. Die Aufständischen leerten dabei das große Weinfaß mit einem Fassungsvermögen von über 71 000 Litern. Nach dem Zweiten Weltkriefg kam das Kloster in den Besitz des Landes Hessen und die Staatsweingüter übernahmen die Verwaltung der Weinberge.

Vom Schaffhauser Kriminalwein und der Trülle

Selbst in der klimatisch nicht besonders begünstigten Schweiz wurde schon früh Wein angebaut. Im Jahre 802 verbot Bischof Remedius Sonntagsarbeit in den Weinbergen. In  Schaffhausen gab es 1145 neben neun Bier auch zwei Weinschenken. Während Griechen und Römer den Wein mit Wasser verdünnt tranken, genoß man nördlich der Alpen den Rebensaft pur und die Obrigkeit achtete streng darauf, daß außer den genehmigten Verfahren zur Aufarbeitung keine "Schmierereyen" vorkamen. 

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Bernkastel an der Mosel ist für seine ausgezeichneten Weinlagen bekannt Repro: Rolf Hohmann
Doch die Geldgier vieler Weinbauern und Händler war stärker als die angedrohten, teilweise sehr drakonischen Strafen. Als die Weinverfälschungen weiter überhand nahmen, erließ die Stadt Zürich 1304 strenge Kontrollvorschriften. Da der in nördlichen Breiten wachsene Wein jeder "Lieblichkeit" entbehrte, war das "Nachsüßen" weit verbreitet. Zu jener Zeit stand dafür noch kein Zucker zur Verfügung und so mußte der recht teure Honig verwendet werden. Ohne Skrupel wurden von den Weinfälschern vor allem aber das relativ preiswerte, aber giftige Bleiacetat zugesetzt. Es waren Rezepturen zur Herstellung von Süßstoffkonzentraten im Umlauf, von denen die Wirte je nach Geschmack des Kunden dem Rebensaft vor dem Servieren einige Tropfen beimischten. So ein Konzentrat konnte bis zu 500 Gramm Bleiverbindungen enthalten und viele Zecher trugen nach dem Genuß derart gesüßter Weine dauerhafte gesundheitliche Schäden davon. 

Die Stadt Schaffhausen reagierte auf das Fälscherunwesen 1393 mit einem Erlaß, in dem festgelegt war: "Daz niemand keinen win temperiren sol, der in unser statt verkoffen als vertriben wol." Jeder Bürger und Landmann habe darauf zu achten, daß er "weder mit gebrenten win noch mit waideschen noch mit anderen dingen, davon den lüten siechtum, gebrest und schadt uffersten möchti" hantieren sollte. Wer die Vorschriften mißachtete, hatte die hohe Geldbuße von zehn Silbermark zu entrichten und wurde an den Pranger gestellt. 

Wasserpanscher führte man mit voller "Wasserbücki" unter Trommelschlag durch die Straßen zur "Trülle," wie sie auch in Deutschland zur Bestrafung von Gesetzesübertretern üblich ware. In diesem vergitterten "Einmann-Karussell" drehten die Geschädigten den Übeltäter so lange schnell im Kreise, bis diesem speiübel geworden war. Ende des 15. Jahrhunderts verfügte der Rat der Stadt Schaffhausen: "Jedes Gewächs soll so belassen werden, wie es an den Rebstöcken gewachsen ist." Das erwies sich jedoch als frommer Wunsch. Da fast ausschließlich Weißwein gekeltert wurde und der eingeführte Rotwein teuer war, tüftelten die Fälscher immer wieder neue Methoden zum "Schönfärben" aus. 

In Schaffhausen erregte 1566 der bis dato größte Weinfälscherskandal nicht nur die Gemüter der Schweizer. Die fünf Gebrüder Oschwald führten gemeinsam eine Weinhandlung und waren damit so wohlhabend geworden, daß sie als die reichsten Bürger der Stadt galten. Schließlich kam heraus, daß ihr Reichtum nicht ehrlich erworben wurde, denn das "unsaubere Quintett" hatte über Jahre hinweg billigen Weißwein durch Zusatz von Vogelbeeren in "Rotwein" verwandelt. Da dieser Schwindel so lange unentdeckt blieb, mußten die Oschwalds ihr Fälscherhandwerk gut verstanden haben. Sie atmeten dann gesiebte Luft und die damaligen rauhen Verhörmethoden sorgten schnell dafür, daß sie die Namen der Beerenlieferanten und Helfershelfer preisgaben. Der in ihrem Besitz befindliche "schöngefärbte" Wein wurde beschlagnahmt und die Stadtknechte kippten ihn von der Rheinbrücke in den Fluß. Das waren immerhin 535 Saum zu je 167 Liter. Doch dieses Beipiel schreckte nicht ab. Nur wenige Jahre nach diesem großen Skandal hatte Justizia schon wieder Beerenlieferanten aus Orten um Schaffhausen am Wickel, weil sie "Unthrüw, beschiss und trug" begangen hatten. Scherzhaft wurde der rund um den Rheinfall gekelterte, recht saure Rebensaft, als "Kriminalwein" bezeichnet. 

Der Überlieferung zufolge trichterte man störrischen Kriminellen einen Liter des "Säuerlings" ein, um ihnen ein Geständnis zu entlocken. Ganz Hartgesottene bequemten sich erst zur Wahrheit, wenn ihnen ein zweiter "Einlauf" drohte.

Der Reutlinger Wein frißt ein Loch in den Magen

Auch in vielen deutschen, für den Weinbau ungeeigneten Regionen, reiften die Trauben zumeist nicht aus. Die Bezeichnung "herb" für solche Kreszenzen war damals noch nicht erfunden. Zahlreiche Redensarten, Gedichte und Lieder beschäftigten sich mit diesem Getränk, zu dem es damals jedoch keine Alternativen gab. 

So spottete der bayerische Minister Freiherr von Kreittmayer (1705- 1790): "O glückliches Land, wo der Essig, welcher anderswo mit großer Mühe bereitet werden muß, von selbst gedeiht." Der Volksmund dichtete: "In den schlesischen Bergen da wächst ein Wein, der kennt nicht Hitze und nicht Sonnenschein", oder drastischer: "Der Reutlinger Wein frißt ein Loch in den Magen, der Tübinger zieht es wieder zu." 

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Dionysos und Mänaden. Attische Amphora aus Athen. Um 450 v. Chr. Nationalbibliothek Paris Repro: Rolf Hohmann
In früheren Jahrhunderten drohten Weinfälschern auch von der deutschen Obrigkeit harte Strafen. Sie dienten jedoch weniger dem Schutz der Verbraucher, sondern vielmehr zur Schonung der Staatsfinanzen. Mit dem Wachstum der Städte und der Intensivierung des Handels nahmen die Betrügereien rasant zu. Bevor Kaiser Katl V. (1500- 1558) mit der "Peinlichen Gerichtsordnung" die Strafen vereinheitlichte, und die Fälschung von "gewicht, Specerey oder ander kauffmannschafft" mit dem Tode ahndete, hatte jede Stadt andere Vorschriften erlassen. Beispielsweise fanden die Nürnberger nichts dabei, verdorbenes Fleisch an Nachbarstädte zu verkaufen; wenn ihnen jedoch gefälschte Gewürze angedreht wurden, verbrannte man die Übeltäter oder begrub sie lebendig. Im Soester Stadtrecht von 1120 war festgelegt: "Wer faulen Wein mit gutem Wein mischt, hat sein Leben verwirkt." 

Pantschern wurden Stifte durch die Ohren getrieben, man peitschte sie auch aus oder ließ sie Schanzarbeiten verrichten. An den Folgen von Bleizusatz im Wein starben 1706 in Stuttgart einige Bürger. Dem "Nachsüßer" Hanns Jakob Ehrni aus Eßlingen kostete diese Missetat den Kopf. 

Wie jüngste Untersuchungen eines Haars des berühmten Komponisten bewies, starb Ludwig van Beethoven (1770- 1827) ebenfalls an einer Bleivergiftung. Sie hatte wahrscheinlich aber andere Ursachen, als die Verfälschung von Wein mit diesem Schwermetall. 

Weinmeister mußten einen "leiblichen Eydt" schwören

Die Stadt Hanau liegt fast auf der gleichen geographischen Breite wie der Rheingau. Wenn auch auf den durch ein mildes Kleinklima und geeignetere Böden begünstigten Südhängen zwischen Hochheim und Aßmannshausen die Rebstöcke besser gediehen, wuchs früher in den Orten der Grafschaft Hanau ein recht passabler Wein. In seiner 1558 erschienenen "Kurtzen Beschreibung der Wetterau" notierte Erasmus Alberus (um 1500- 1553): "Viel guts Weins wechst im hanauischen Lande."

Anno 1646 bemerkt Matthias Merian (1593- 1650) in seiner "Topographia Hassia" über das "fast auf die Helffte in der Aschen liegende" Nidderstädtchen Windecken: "Hatte vorhin auch einen feinen Weinwachs/gute Ackerfelder/auch Gewälds/unnd dergleichen Nahrunge=Mittel/so aber jetzunter sehr ligt." 

Einhundert Jahre später hatte sich der Weinbau vom Niedergang im Dreißigjährigen Krieg längst wieder er- holt, auch wenn der Amtsort durch weitere Feindseligkeiten, Einquartierungen und hohe Kontributionen immer wieder in Mitleidenschaft gezogen wurde. Im "Wetterauer Geographus" von 1747 heißt es über Windecken unter anderem: "Sonst hat es um dasige Gegend einen ziemlichen Weinwachs." Damals bewirtschafteten etwa zwanzig Bürger, vor allem auf dem "Wingert" am Ohlenberg, Weinparzellen als Nebenerwerb. 

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Weinprobe in St. Martin - Gemälde von Richard Platz Repro: Rolf Hohmann
Im ausgehenden Mittelalter muß der Weinbau für das Grafenstädtchen von größerer wirtschaftlicher Bedeutung gewesen sein. Die jeweils für ein Jahr gewählten Ober und Unterweinmeister wachten über die erlassenen Gesetze der Obrigkeit und die den örtlichen Gegebenheiten angpaßten Verordnungen des Stadtrats. Sie mußten über Einnahmen und Ausgaben genau Buch führen und waren am Jahresende aus eigenem Verschulden "Miese" unter dem Strich zu verzeichnen, hatten sie den Fehlbetrag aus eigener Tasche zu bezahlen. Dieser schöne Brauch ist leider in Vergessenheit geraten, sonst würden unsere heutigen Politiker nicht so oft recht sorglos mit Steuergeldern umgehen. Trotz dieses finanziellen Risikos waren die städtischen Ehrenämter begehrt, mehrten sie doch das Ansehen der jeweiligen Bürger. Wegen der bestehenden Regreßpflicht, wurden jedoch nur "Gutbetuchte" berufen. 

Vor ihrem Amtsantritt mußten die Weinmeister vor versammeltem Rat folgenden Eid ablegen: "Ihr sollet geloben und schwöhren, einen leiblichen Eydt zu Gott dem Allmächtigen, daß Ihr während dem Euch anvertrauten Weinmeister Ambt dahin eiffrichst besorget seyn wollet, daß zu Auffnahme der Stadt Wirtschafft weniger nicht der sämbtlichen Bürgerschafft den Stadtkeller mit gutem tranckbaren Getränck beleget, solches jedoch auf genaueste Zeith accordiret, und darinnen der gemeinen Stadt nutzen nach besten Kräfften geprüffet, zu dem Ende die Weine von Zeith zu Zeith visitiren werden, damit die Euch untergebene Bendermeister solchen rein und sauber halten, was davon abgegeben oder vorgelegt wird zum behuff der Herrschafft sowohlen als der Stadt davon gebührenden accisass genau aufzuzeigen, überhaupt aber Euch also betragen wollet, wie es einen getreuen Weinmeister gebühret."

Interessantes aus den Weinmeister- Rechnungen

Die älteste im Nidderauer Stadtarchiv aufbewahrte Weinmeister- Rechnung stammt aus dem Jahr 1475. Für des Rechnungsjahr 1724/25 wurde der weithin bekannte Windecker Zimmermeister Johann Georg Baron zum Oberweinmeister gewählt. Er stürzte am 15. Mai 1725 beim Bau des Ostheimer Kirchturms tödlich ab. Auf dem Titelblatts der Weinmeister-Rechnung von 1724/25 ist vermerkt: "Geführt von Johann Georg Baron und nach deßen Hintritt durch Marx Trauten und Jacob Burckharden." Die Stadt Windecken hatte für den auf ihrem Gebiet erzeugten Wein das Vorkaufsrecht. Er wurde im Keller der Stadtschenke "Zum rothen Löwen" am Markt gelagert. In der Weinmeister- Rechnung von 1726 heißt es: "In dießem Jahr, da ein paar gute Weine gewachsen, haben die Weinmeister von verschiedenen Bürgern gekauft 17 Ohm und 10 Viertel." 

Ohm ist ein altes Bier-und Weinmaß, dessen Volumen in den vielen Kleinstaaten und größeren Städten unterschiedlich festgelegt war. Um 1850 hatte die Hanauer Ohm umgerechnet 149,23 Liter, die gebräuchlichere Frankfurter Ohm 143, 419 Liter. Im 18. Jahrhundert zählte die Ohm 20 Viertel oder 80 große Maß. Aus der Beilage zur Bürgermeister- Rechnung von 1726 geht hervor, daß damals 22 "Kleinwinzer" der Stadt Windecken 17 Ohm zum Preis von 166 Gulden lieferten. Die jährliche Aufwandsentschädigung für den Oberweinmeister betrug vier Gulden, der Unterweinmeister erhielt zwei Gulden. 

Darüberhinaus gab es zahlreiche Nebeneinkümfte in Form von "Zehrungen," die diese Ämter auch in finanzieller Hinsicht attraktiv machten. Die Weinmeister- Rechnungen im Stadtarchiv enthalten eine Fülle von interessanten Eintragungen. Viel ist die Rede von Kriegswirren, wechselnden Besatzern und geleisteten Kontributionen in Form von Wein. Wurde Windecken von fremden Truppen heimgesucht, stürmte die Soldateska zumeist gleich den städtischen Weinkeller, und den Inhalt der Fässer betrachteten sie als selbstverständliche Kriegsbeute. 

Von den Wirren des spanischen Erbfolgekrieges (1701- 1714) war auch die Grafschaft Hanau betroffen. Die Rechnung des Jahres 1702 erstellten die Weinmeister Johann Georg Traudt und Michael Schmidt. In der "Specification des jenigen Weins so durch die Kriegsunruhen mit Gewalt aus dem Vorraths- Keller weggenommen und heraus geschleppt worden wie folgt" trugen sie ein "8ten September das hohe aliirte Jäger Corps, so hier gelegen, sich zurückgezogen und durch die frantzösische Parthey verfolget worden, als haben gedachte Frey Corps blaue Dragoner dergestalten und unter anderen Excessen, so sie verübt, in den Wirthskeller mit Gewalt eingebrochen und 1/2 Ohm 8 Batzen Wein, so eben dem Wirth vorgeleget worden, leer gemacht." Damals hatte wohl so mancher "blaue Dragoner" seinen Namen in dopppeltem Sinne zu Recht getragen.

Schützen erhielten Schießwein als Zielwasser

Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts erfolgte die Besoldung der festangestellten städtischen Bediensteten neben dem recht dürftigen Jahresgehalt hauptsächlich in Form von Naturalien; zumeist Bier, Wein, Weck, Käse und bei besonderen Anlässen auch als komplette Mahlzeiten. Diese "Zehrungen" bildeten seit dem Bestehen der Stadt Windecken in den Bürgermeister-Rechnungen den größten Ausgaben-Posten. 

In seinem Todesjahr 1437 verlieh Kaiser Siegmund der nunmehrigen Ex- Residenz der Hanauer Grafen das Privileg, einen Jahrmarkt halten zu dürfen. Der "Mert", wie er von älteren Windeckern heute noch genannt wird, bot nun eine willkommene Gelegenheit, die überkommene Sitte der Zehrungen weiter zu kultivieren. In der von Bernhard Wieker und Henne von Glyburg "im Jahre des Herrn 1475 bis wieder Sankt Michaelstag 1476" geführten Bürgermeister- Rechnung wird unter der Rubrik "Ußgifft czerunge" (Ausgaben für Zehrungen) notiert: "Desgleichen 10 Schillinge und 6 Heller für 23 Maß Wein, als Schultheiß und Bürgermeister die Wacht dieses Jahr versehen haben zu Weihnachten, Festnacht, zur Kerb und zum Jahrmarckt, und sie im Harnisch an den Pforten gehütet haben und in der Stadt umgingen." 

Im Jahr 1501 stand dem Stadtknecht "zum Jahrmarkt ein und aus zu läuten" ein Viertel Wein zu, für die 14 Heller in Rechnung gestellt wurden. Obwohl es bisher in den Archivalen noch keinen konkreten Hinweis darauf gibt, fand dieser Jahrmarkt wahrscheinlich im Herbst statt. Er diente nämlich vor allem dazu, den Einwohnern der Amtsorte Gelegenheit zu geben, ihren Winterbedarf einzukaufen. Erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts gab es dann auch noch einen Pfingstmarkt. In der Anfangsphase des Dreißigjährigen Kriegs waren die seit 1288 gehaltenen Wochenmärkte und der Jahrmarkt noch nicht beinträchtigt. In der Rechnung von 1625/26 notierten die Weinmeister diesen Ausgabeposten: "4 fl 8s durch etliche Bürger uf dem Jahrmarkt, welche ufsicht gehalten, verzehrt worden." 

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Der heilige Pirminius gründete 724 auf der Insel Reichenau eine Benidiktinerabtei. Die M&oml;nche bauten bereits früh Wein an. Hier ein Weinacker vor der um 900 entstandenen Georgskirche Repro: Rolf Hohmann
Den Schrecken des Krieges verspürten die Windecker erstmals am 10. Dezember 1626, als das zuvor geruhsame Städtchen von einem kaiserlichen Regiment erstürmt wurde, wobei es einige Verwundete gab. Die wehrfähigen Männer mußten ständig im Gebrauch von Waffen unterichtet werden. Wahrscheinlich bildete sich in der Residenzstadt der Herren von Hanau bereits Mitte des 14. Jahrhunderts eine Gesellschaft der Armbrustschützen. Im Jahre 1454 gab Graf Philipp der Ältere, geboren 1417 auf Burg Wonnecken, den Schützen seiner Städte Babenhausen, Hanau und Windecken eine verbindliche Ordnung. Danach hatten sie zu festgelegten Zeiten Übungen zu absolvieren, die in Windecken "am Schießberge" stattfanden. Die Stadt war verpflichtet, den Schützen an den Schießtagen "Zielwasser" in Form eines bestimmten Quantums Wein zu spendieren, den sogenannten Schießwein. Nach dem Aufkommen von Feuerwaffen änderte sich an der Schützenordnung zunächst nichts. Erste Erwähnung finden "Donnerbüchsen" in der Bürgermeister-Rechnung von 1510/11: "Item haben wir diß jare den Armbrust und büchßen schützen vor win geben, alß daß man jeder parthey so sie schißet ein firtel winß gibt." Die Schützen hatten auch während der Jahrmärkte und der Kerb Wachdienst zu versehen sowie bei außergewöhnlichen Anlässen, wie beispielsweise Hinrichtungen, für Ordnung zu sorgen.

Mit dem Weinpfennig die Bildung gefördert

Über den Bau eines repräsentativen steinernen Rathaues mit Staffelgiebel und einem prächtigen, wappengeschmückten Maßwerkerker, gibt die Bürgermeister- Rechnung von 1519/20 detailliert Auskunft. Nach Fertigstellung des Gebäudes, in dem dann auch das Landgericht tagte, gab es einen zünftigen Richtschmaus. Welche Gaumenfreuden die Gäste damals erwartete, ist im Abschnitt "Usgift da man den newen bawe uf dem raidhaws ufgeschlagen hat und gehaben mit den burgern zerung und anders" genau aufgelistet. 

Aufgetragen wurden 129 Pfund wohlzubereitetes Rindfleisch, 14 Pfund Käse, Geflügel, Fisch, Obst und andere Köstlichkeiten. Schmecken ließen sich die Gäste auch je eine Ohm Bier und Wein. Der Bau dieses, für damalige Zeiten imposanten, Rathauses für den Amtsort mit seinen rund 800 Einwohnern kostete immerhin 364 Gulden. Diese Summe konnte von der Stadt Windecken nicht allein  aufgebracht werden. Sicher hat damals "gnädigste Herrschafft" tief in die eigene Schatulle gegriffen. Wie alle Ämter und Städte der Grafschaft mußte auch Windecken vom Weinschank eine Abgabe an die 1607 gegründete "reformirte Hohe Landesschule zu Hanau" leisten. 

Im "Fürstlich Hessischen- Hanauischen Gnädigst erneuert und confirmirtes Schul-Patent vom Jahre 1779" wird bestimmt: "Soll in vorbemelten Städten und Ämtern von jeder Mass Wein, so verschencket wird, ein Pfennig erhoben und auch die Ohm zu Neunzig Zapf Maas gerechnet, und aller und jedes Quartal denen Deputirten, oder dem jedesmal verordneten Erheber richtig eingeliefert werden." 

In Windecken kam da schon einiges zusammen, wie aus der Weinmeister- Rechnung von 1612/13 hervorgeht: "Zur Hanauer Schule Ausgab 52 Gulden 6 Schilling großer Wehrung von 26 Fuder 15 1/2 Viertel." Das Hanauer Fuder hatte 900 Liter und daran kann man ermessen, welche Mengen Rebensaft die Windecker Anfang des 17. Jahrhunderts allein in der Stadtschenke durch die Kehlen rinnen ließen. Für den an seine Gäste ausgeschenkten Wein erhielt der Stadtwirt den vereinbarten "Zapfferlohn," der im Jahr 1755 für die Maß einen Kreuzer betrug. 

Über ein altes Privileg der Weinbauer sind wir durch Eintragungen in den Weinmeister-Rechnungen informiert. So heißt es beispielsweise 1755: "Die Bürger haben hergebracht, daß sie ihren neuen Wein von Herbst bis Martini verzapffen dörffen, müssen aber von dem Wein, so sie verzapffen, die 10te Maas, also von jeder Ohm 8 Maas zahlen, so halb Gnädigster Herrschaft, halber aber gemeine Stadt bekommt." Hatte es eine gute Ernte gegeben, profitierten Obrigkeit und die Stadt, in schlechten Jahren war nichts zu erben. So wie 1716: "...weilen der Wein nicht gerathen und die wenige Trauben in den Bergen erfroren." Auch 1756 war ein schlechtes Weinjahr und die Weinmeister trugen in die Rechnung ein: "Einnahme von den Heckenwirten nichts, derweilen es einen späten Herbst, auch wenig und schlechten Wein gegeben."

Der "Hohenastheimer" verdrängte den Traubenwein

Anfang des 18. Jahrhunderts arteten die als Zehrungen deklarierten Mahlzeiten der Ratsherren und Ausschußmitglieder zu wahren Gelagen aus. In Absprache mit den Wirten wurden auch überhöhte Rechnungen ausgestellt. Der von unabhängigen Rechnungsprüfern aufgedeckte Mißbrauch führte schließlich dazu, daß nunmehr der Gegenwert der bisher üblichen Zehrungen als Festbetrag in bar ausgezahlt wurde. In der Bürgermeister-Rechnung von 1740 heißt es: "Anstatt der bishero bey bei der Amtsbestellung gehaltenen Mahlzeit ist an Amtmann, Stadtschreiber und 12 Rathsmitglieder gewöhnermaßen zahlt worden 12 Gulden," und an anderer Stelle: "Denen 22 Rathspersonen an statt des sonst frey genossenen Kesels bier 12 Gulden." 

Nachdem mit dem Westfälischen Frieden das drei Jahrzehnte währende Morden und Plündern endlich aufgehört hatte, zögerten die Windecker Weinparzellen- Besitzer nicht lange, um die zum Teil verwilderten Rebstöcke im Wingert wieder zu rekultivieren und neue anzupflanzen. Der Handel kam zwar nur zögerlich wieder in Gang, doch bereits 1651 erhielt der Stadtknecht "vom Jahrmarckt ein und außzuleuthen" 7 Schillinge und 2 Pfennige für eine Maß Wein und einen Weck. Die gleiche Zehrung stand "zwey Persohnen so bey dem Jahrmarckt die Wag zu versehen" zu und "Item den Marckt Meistern a 3 maß Wein zahlet, alß sie das Standt geld ufgehoben," also von den Kaufleuten  eintrieben. 

Bis etwa zur Mitte des 18. Jahrhunderts war der aus Trauben gekelterte Wein das bevorzugte Getränk der breiten Bevölkerung. So wurden 1744 allein aus dem Stadtkeller rund 36 Ohm an die Wirte der beiden Stadtschenken "Zum roten Löwen" und "Zum Mohren" am Ostheimer Tor (existierte nur einige Jahrzehnte) zum "Verzapffen" ausgegeben. Die Wirte bezogen jedoch auf eigene Rechnung erhebliche Mengen Wein von auswärts; auch aus dem Rheingau. 

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Der Apfelweinkultur wird auch unter Frankfurter Informatikern ausgiebigst gehuldigt.
Der "neumodische" Apfelwein konnte sich in unserer Gegend zunächst nicht durchsetzen, obwohl er erheblich billiger war. Auch im guten Obstjahr 1743 rannen nur rund 200 Liter "Hohenastheimer" durch die Kehlen der Windecker. Dieses alkoholische Getränk fand schließlich immer mehr Freunde und die Landwirte reagierten schnell auf den sich immer stärker abzeichnenden Trend. Sie bauten auf größeren Flächen Apfelbäume an, die weniger Pflege benötigten als Rebstöcke, gegen Witterungseinflüße unempfindlicher waren und zudem einen besseren Ertrag abwarfen. 

Das Aus für den Weinbau auf dem Wingert kam dann ziemlich schnell, wie aus der Bürgermeister- Rechnung von 1775 hervorgeht. Dort wird unter der Rubrik "Vom Weinschank aus der Weinmeisterey" notiert: "Fällt weg weil kein Weinbau mehr ist und cehsirt diese Rubrik in Zukunft." Die letzten bekannten Weinmeister der Stadt Windecken waren Johann Conrad Hochstadt und Friedrich Muth, die 1763 auch die letzte Rechnung erstellten. Zum Abschluß dieses Kapitels noch ein Kuriosum aus heutiger Sicht: Jahrhunderte hindurch erhielten die Schulkinder des Grafenstädtchens zur Fassenacht neben dem obligatorischen Weck auch ein nicht näher angegebenes Quantum Wein gereicht.  

Weinpanscher gab  es zu allen Zeiten

Das Weinpanschen aus purer Gewinnsucht ist so alt, wie der Anbau der Reben. Schon der Prophet Jesaja klagt: "Dein Silber ist Schlacke geworden und dein Wein mit Wasser verfälscht." Während Griechen und Römer den ohnehin milden südländischen Wein mit Honig süßten und mit Wasser verdünnt tranken, ließen ihn die Bewohner jenseits der Alpen pur durch die Kehlen rinnen. 

Um die hier angebotenen "herben" Kreszenzen geschmacklich zu verbessern, entwickelten die "Schmierer" ebensoviel Methoden, wie es Rebsorten gab. Dabei verwendeten die Weinverfälscher oft genug auch Stoffe, die gesundheitliche Schäden verursachten, nicht selten auch zum Tod von fröhlichen Zechern führten. Immer wieder erließ die jeweilige Obrigkeit neue Gesetze, um diesem Unwesen ein Ende zu bereiten. Doch alle angedrohten, auch noch so drakonische Strafen, blieben bis in unsere Tage letztlich wirkungslos. Allen Freunden des Rebensaftes ist wohl noch der "Glykol-Skandal" Mitte der 80er Jahre in schlechter Erinnerung. Österreichische Winzer hatten Weine mit dem giftigen  Frostschutzmittel Diäthylenglykol gepanscht, um sie zu versüßen und zu veredeln. Auch deutsche Panscher wurden entlarvt. 

In seinem Werk "Hanau Stadt und Land" zitiert Ernst.J. Zimmermann ein am 12. November 1750 nach einem Prozeß gegen Weinfälscher ergangenes Urteil: "Nachdem die auf Serenissimi unseres gnädigten Fürsten und Herrn Hochfürstliche Durchlaucht höchst venèrirlichen Befehl eine Zeit hero vorgesenene rechtliche Untersuchung derer von verschiedenen gewinnsüchtigen Juden verübten betrügerischen und verderblichen, mithin höchst strafbaren Weinverfälschungen nunmehr vollendet worden, so hat man anheute sämtlichen Inquisiten das ihnen gerechtest ausgesprochen Urteil vor dem auf dem Altstädter Marktplatz hierselbsten öffentlich versamlet und gehegten peinlichen Gerichts nicht nur publiciret, sondern auch die solcher betriebenen schändlichen unerlaubten Betrügerei und gottlose Kunst halber einem jeden zu seiner eigenen Besserung, nicht weniger als anderen zur Abscheu und Exempel, folglich zur Sicherstellung des Publici im Handel und Wandel wohlverdiente ansehnliche Geldstrafen, wie auch respective ewige Landesverweisung, Weinverschüttung und Confiscation zum Teil wirklich vollzogen." 

Es muß sich damals um einen regelrechten Weinfälscherring gehandelt haben, denn dreizehn Angeklagte erhielten eine Geldstraße von zuammen 33 050 Gulden. Allein Joseph Nathan mußte 10 000 Gulden zahlen und  Ancel Marx 7000 Gulden. Beide wurden  zudem "auf ewig relegiert." Löb Binge zahlte zwar nur 800 Gulden, ihm wurde jedoch der Schutz aufgekündigt. Am billigsten kamen Marx Löw Erben mit 150 Gulden davon. Um eine Vergleichszahl zu haben: Die Gesamteinnahmen der Stadt Windecken betrugen im Jahr 1751 rund 3000 Gulden und die Ausgaben 2900 Gulden. Die verhängten hohen Geldstrafen verdeutlichen aber auch, welchen ungeheuren Reichtum anzuhäufen unehrenhafte Händler damals in der Lage waren.

Weinverfälscher endeten ohne Gnade am Galgen

Zu jener Zeit muß das Verfälschen von Wein durch teilweise höchst gesundheitsgefährdende Stoffe, das "Schönen" und Panschen eine so große Unruhe bei den "Untertanen" hervorgerufen haben, daß sich Landgraf Wilhelm von Hessen auf Drängen seiner Minister veranlaßt sah, den Übeltätern harte Strafen anzudrohen. 

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"Edle Weine, klug genossen, haben niemand je verdrossen" - Faß im Keller des Weingutes Schweickhardt & Sohn Repro: Rolf Hohmann
Am 5. Januar 1751 erließ er die "Gnädigste Verordnung die Bestraffung derer Weinverfälscher betreffend" mit folgendem Wortlaut: "Von Gottes Gnaden, Wir Wilhem, Landgraf zu Hessen, Graff zu Catzenelnbogen, Dietz, Ziegenhayn, Nidda, Schaumburg und Hanau rügen jedermänniglich in Unserer Graffschafft Hanau hier mit zu wissen und ist allenthalben bereits mehr als viel, bekandt; Was maßen das in den ältesten Reichs-Gesetzen Anno 1497. und hernach höchst verpönte Wein-und Gifft- mischen seit einiger Zeit in mancherley Weise und Gestalt hin und wieder von neuem überhand genommen und von gewinnsüchtigen und ehr- vergessenen Leuten vielen Menschen durch gemachte Weine an Leben und Gesundheit ein unersetzlicher Schade zugefügt, und grosse Betrügereyen damit getrieben worden. Nachdem Wir nun sothane Unwesen vorzeubeugen und dadurch Unseren getreuen Unterthanen bevorstehende Gefahr so viel thunlich abzuwenden eine Nothdurfft ermessen; So setzen, ordnen und wollen Wir hiermit, daß diejenige, welche die Weine mit Mineralien, Silberglett und dergleichen zu vergiften und schädlich und ungesund zu machen sich unterfangen, ohne einige Gnade mit dem Strang vom Leben zum Tod gebracht, diejenige aber, so die Verfälschung mit Vegetalien, Rosinen und Zucker verüben, ausgepeitschet und auff ewig des Landes verwiesen, auch die Helffers- Helffer, welche Handreichung darzu thun, oder nur Wissenschaft davon haben, und solches der Obrigkeit nicht anzeigen, vor ewig mit dem Zuchthauß oder anderem Gefängnüß gestrafft. Und damit man dergleichen schädliche Betrügerey desto leichter in Erfahrung bringen könne, nicht nur bey denen mit Mineralien verfälschten Weinen erfundene Probe zu jedermanns Wissenschaft und Gebrauch dieser Unserer Verordnung angefügt, sondern auch hinführo in Unseren Landen bey Ablassung und Pflegung derer Weine keine andere als zünfftige Bendermeister gebraucht, diese aber nebst ihren Gesellen durch einen besonderen Eyd dahin verpflichtet werden sollen, darauf mit Acht zu haben, daß mit denen Weinen durchaus keine Schmiererey vorgenommen, sondern selbige so pur und reine wie sie gewachsen, gelassen werden mögen. Wornach sich also ein jeder zu achten und vor Schaden und Beschimpffungen zu hüten hat; Und damit sich niemand mit der Unwissenheit zu entschuldigen haben möge: So soll diß Gesetz und Verordnung durch öffentlichen Glockenschlag zu jedermanns Nachricht verkündigt, auch jährlich von der Cantzel abgelesen und an den gewöhnlichen Orten affigieret, auch von Unserer Regierung, Ober und Nieder-Beambten männiglich darüber gehalten, und auff deren Contravention genaue Obacht genommen, auch demjenigen, welcher einen Contravenienten ausmachen und anzeigen wird, mit Verschweigung seines Nahmens ein besonderes Recompens gegeben werden. Uhrkundlich Unserer eigenhändigen Unterschrifft und beygedruckten Fürstlichen Secret-Insiegels. So geschehen, Cassel, 5. Jan. 1751."

Der Würtembergische Liquor probatorius entlarvte Fälscher

Mit der Verordnung wurde auch die "erfundene Probe" veröffentlicht, deren Gebrauchsanleitung folgenden Wortlaut hat: "Der zur Entdeckung derer mit Mineralien verfälschten Weine dienende Würtenbergische Liquor probatorius wird praepariret und gebrauchet, wie folget: Man nimmt von Auri- Pigment, je hellscheinend und gläntzender je besser solcher ist, ein Loth, sodann ungelöschten und und zerfallenen Kalck, je frischer je besser, zwey Loth, pulverisiert solches jedes besonders, thut beydes in ein Glaß, giesset darüber frisches Brunnen- Wasser zwantzig Loth, verbindet das Glaß und lässet alles zusamen zweymal 24 Stunden in einer Digestion oder in gelinder Wärme stehen, schüttelt aber während der Zeit alles öffters unter einander, hernach lässet man die Liquorem durch ein Fließ- Papier lauffen, so wird derselbe hell und klar wie Brunen- Wasser." 

Das Lot(h) war seit alters her in deutschen Landen die gebräuchlichste kleine Handels- Gewichtseinheit, die besonders im Münzwesen von Bedeutung war. Jedes der vielen "Ländle"hatte seine eigenes Lot und damals wäre ein moderner Computer sicher von großem Nutzen gewesen. Umgerechnet galt in Bayern bereits seit 811 das Lot zu 17,5 Gramm, in Frankfurt 1858 zu 15,625 Gramm, in Preußen vor 1806 zu 14,606 Gramm, im Großherzogtum Hessen-Darmstadt vor 1818 zu 16,667 Gramm und danach zu 14,616 Gramm. 

Weiter zur Anwendung des "Liquor probatorius", der nun "klar wie Brunen- Wasser" zum Aufspüren von Weinpanschern einsatzbereit ist: "Von diesem Liquore lässt man in ein spitz Glaß voll Wein, welcher probiret werden soll, 8. biß 10. Tropffen  fallen, rühret solches mit einem Höltzlein oder Feder spuhl wohl untereinander, und hat darbey auf die Veränderung der Farbe des Weins wohl Achtung zu geben: Gestalten, wann hierauff die Farbe in das Eyer- gelbe fället, und der Wein nach und nach wiederum helle wird, solches ein gewisses Merckmahl ist, daß derselbe mit Metallischer und Saturnischer Materie nicht adulteriret, sondern hiervon rein und pur seye. Daferner aber der Wein auff solches Eintröffeln und Umrühren rothbraun oder schwärtzlich wird; So ist es ein untrügliches Zeichen, daß derselbe mit ein oder anderer von vorgedachten Materialien verfälschet seye. Dieser Liquor gibt einen überaus schwefelichten und stinckenden Geruch sowohlen in der Praeparaition als bey dem würcklichen Gebrauch und Application von sich, welcher der Brust, dem Kopff und denen Lebens-Geistern, wann davon zu viel eingezogen wird, sehr schädlich ist; Dahero ist dabey alle Behutsamkeit zu gebrauchen und sonderlich dahin zu sehen, daß man nicht in kleinen und beschlossenen Zimmern damit viel umgehe, sondern allzeit ein oder mehrere Fenster dabey eröffne und die Lufft durchstreichen lasse; Es ist auch dieser volatilische Liquor als ein sonderbares Gifft nicht allein an einem verschlossenen Ort sorgfältig zu verwahren, sondern auch in einem mit Blasen wohl verbundenen guten Glaß vor der äußerlichen Luft zu beschützen, damit er desto länger bey seiner Krafft bleiben, mithin die erforderliche Würckung verrichten möge; Inmassen derselbe zu Entdeckung derer Mineralitt verschiedene Wochen und Monathe lang zwaren gut bleiben kan, gleichwohlen aber doch nicht zu widersprechen ist, daß je frischer der Liquor, je augenscheinlicher und leichter auch damit die litharyrisirtre oder ex familia Saturni, das ist aus Bley gehenden Stücken inficirte Weine auff das richtigste und sicherste verrathen und entdecket werden können."

Wo bekommt man "frisch Brunen- Wasser" her ?

Sicher könnte auch 250 Jahre später Freunden eines naturreinen  Rebensaftes zugemutet werden, in einem mit Blasen wohlverbundenen guten Glaß", den vielleicht unter Mitwirkung der Frau Gemahlin im Badezimmer angesetzten "Würtenbergischen Liquor" und ein "Höltzlein" mitzuführen, um die Qualität des vom Kellner servierten Weins auf verbotene Zutaten zu testen. Auch würde wohl ein freundlicher Weinhausbesitzer auf höfliches Ersuchen des Gastes bereit sein "ein oder mehrere Fenster" zu öffnen, um den bei "würcklichem Gebrauch" des Liquors entstehenden "schwefeligen und stinkenden Geruch" abziehen zu lassen -  doch wo bekommt man heute in unseren Breiten die zur Herstellung der Mixtur benötigten "zwantzig Loth frisch Brunen-Wasser" her ?


 - Anhang -

Zitate rund um den Rebensaft

In der Antike spielte der Wein nicht nur als Nahrungs-und Genußmittel für breite Bevölkerungsschichten eine große Rolle, sondern er wurde auch als Heilmittel verwendet und diente kultischen Zwecken. Nach dem  Thema Nummer eins,  die Liebe, nimmt der Wein im Zitatenschatz der Völker unangefochten Platz zwei ein.  Schon Homer erkannte: "Denn der Wein erneuert die Kraft ermüdeter Männer." 

Der um 600 v.Chr. auf Lesbos lebende lyrische Dichter Akaios prägte die vielzitierten Worte: "Im Wein liegt Wahrheit" (lat.: In vino veritas)  und wer kennt nicht den Martin Luther zugeschriebenen Spruch: "Wer nicht liebt Wein, Weib und Gesang, der bleibt ein Narr sein Leben lang." Der Reformator behauptete auch: "Bier ist Menschenwerk, Wein aber ist von Gott." Ähnlich der Dichter Victor Hugo (1802-1885): "Gott schuf nur das Wasser, aber der Mensch schuf den Wein." 

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Kunstschmiedeeisernes Aushängeschild der Weinkellerei Schweickhardt & Sohn Repro: Rolf Hohmann
Der chinesische Philosoph und Religionslehrer Konfuzius (551- 478 v. Chr.) stellte fest: "Am Rausch ist nicht der Wein schuld, sondern der Trinker." Auch Hippokrates (um 460- 377 v.Chr.), der berühmteste Arzt des Altertums, mahnte: "Der Wein ist ein Ding, in wunderbarrer Weise für den Menschen geeignet, vorausgesetzt, daß er bei guter und schlechter Gesundheit sinnvoll und in rechtem Maße verwandt wird." Der griechische Schriftsteller Plutarch (etwa 40- 120. n.Chr.) meinte: "Der Wein ist unter den Getränken das Nützlichste, unter den Arzneien das Schmackhafteste und unter den Lebensmitteln das Angenehmste" und von seinem römischen Kollegen Plinius (23-79 n.Ch.) ist folgendes Zitat überliefert: "Der Nutzen des Weins kann der Kraft der Götter gleichgesetzt werden." 

Der Volksmund reimt: "Wird einer früh vom Tod betroffen, heißt's gleich, der hat sich tot gesoffen. Ist's einer von den guten Alten, dann heißt's gleich: Den hat der Wein erhalten." Der berühmte Chemiker Louis Pasteur (1822-1895) behauptete: "Der Wein kann mit Recht als das gesündeste und hygienischste Getränk bezeichnet werden." Tatsächlich haben neueste Forschungen ergeben, daß in Maßen regelmäßig genossener Rotwein vorbeugend gegen Herzinfarkt wirkt.

Dichter und Denker schätzten einen guten Tropfen

Bekanntermaßen war unser Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe (1749- 1832) ein großen Freund besonders des Frankenweins und er prägte neben vielen anderen diese Weisheit: "Der Wein erfreut des Menschen Herz, und die Freudigkeit ist die Mutter aller Tugenden." Doch er war auch dem "schwachen Geschlecht" sehr zugetan und verband beide Leidenschaften mit dieser Erkenntnis: "Ein Mädchen und ein Gläschen Wein kurieren alle Not" und recht drastisch: "Ohne Wein und ohne Weiber, hol' der Teufel uns're Leiber!" In Auerbachs Keller läßt er Faust ausrufen: "Es lebe die Freiheit! Es lebe der Wein!" und aus seinem Westöstlichen Divan stammt diese Weisheit: "Für Sorgen sorgt das liebe Leben. Und Sorgenbrecher sind die Reben." Und noch ein kleines Gedicht vom Geheimrat: "Ein Mädchen und ein Gläschen Wein, sind die Retter in der Not, denn wer nicht trinkt und wer nicht küßt, der ist so gut wie tot." 

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Wer nicht liebt Wein, Weib und Gesang. Selbstbildnis von Rembrandt mit Saskia (um 1634)
Auch Wilhelm Busch (1832 - 1908) schätzte einen guten Tropfen  und  seiner Erkennnis "Rotwein ist für alte Knaben eine von den besten Gaben" kann der Autor dieses Beitrag aus vollem Herzen beipflichten. Vom Schöpfer des "Max und Moritz" stammt auch folgender Spruch: "Wer als Wein und Weiberhasser jedermann im Wege steht, der esse Brot und trinke Wasser bis er daran zugrunde geht." Schaut man sich die einschlägigen Zitatensammlungen genauer an so ist offensichtlich, daß sich viele Dichter und Schriftsteller vom Rebensaft inspirieren ließen: "Der Wein ist die edelste Verköperung des Naturgeistes" (Friedrich Hebbel), "Ich gebe zu, ein Kuß ist süß. Doch süßer ist der Wein" (Ludwig Hölty, Lyriker), "Der Wein macht das Gehirn sinnig, schnell und erfinderisch, voll von lebenden, feurigen und ergötzlichen Bildern" (Shakespeare), "Weißt Du, manchmal habe ich so das Gefühl, eine Pulle Wein sei mehr Wert, als die ganze Dichterei" (Gottfried Keller), "Was ist des Lebens höchste Lust? Die Liebe und der Wein" (Joachim Perinet), "Der Wein wirkt stärkend auf den Geisteszustand, den er vorfindet; Er macht die Dummen dümmer, die Klugen klüger" (Jean Paul), "Wein ist Poesie in Flaschen" (Robert Louis Stevenson), "Wundervoll ist Bacchus' Gabe, Balsam fürs zerrißne Herz" (Friedrich von Schiller),  schließlich noch "Schade, daß man Wein nicht streicheln kann" (Kurt Tucholsky). 

Doch auch große Politiker bekannten ihre Vorliebe für den Rebensaft. Theodor Heuß schrieb in seiner Dissertation: "Wein ist der befeuernde Geist aller Feste und der König aller Getränke" und von dem Schwaben stammt auch dieser Trinkspruch: "Wein saufen ist Sünde, Wein trinken ist beten. Lasset uns beten." Zum Schluß dieses Zitatenstreifzugs soll noch die rheinische Frohnatur Konrad Adenauer zu Wort kommen: "Ein guter Wein ist geeignet, den Verstand zu wecken."

Der Wein im Alten und Neuen Testament

Nach dem Alten Testament war Palästina für seine Reben berühmt. Die Bibel beschäftigt sich in über 500 Textstellen mit dem Wein und dessen Anbau. Die erste Erwähnung findet er in der Genesis: "Noah aber, der Ackermann, pflanzte als erster einen Weinberg. Und da er von dem Wein trank, ward er trunken und lag im Zelt aufgedeckt" (1. Mose 9.20- 21). Moses erließ zahlreiche Gesetze für den Weinbau. So hatte ein Winzer das Recht, den Kriegsdienst zu verweigern. "Der Wein erfreue des Menschen Herz", heißt es im Psalm 104,15, aber Jesaja (5,11) mahnt: "Weh denen, die des Morgens früh auf sind, dem Saufen nachzugehen, und sitzen bis in die Nacht, dass sie der Wein erhitzt." 

Dieser alttestamentarische Prophet hat sich viel mit dem Anbau und der Verarbeitung der Reben befaßt. So berichtetet er: "Mein Freund hat einen Weinberg auf einer fetten Höhe. Und er grub ihn und entsteinte ihn und pflanzte darin edle Reben (5,1-2). Im "Hohelied" des Salomo heißt es: "Er küsse mich mit dem Kusse seines Mundes, denn deine Liebe ist lieblicher als Wein." Von Jesus Sirach (geb. um 200 v.Chr.) sind viele "Weinsprüche" überliefert. Hier nur einige Beispiele: "Was ist das Leben, da kein Wein ist?" (31,33), "Zum Wasser des Lebens wird der Wein dem Menschen, wenn er ihn mit rechtem Maße trinkt" (31,27), "Der Wein ist geschaffen, daß er die Menschen soll fröhlich machen" (31,34) und "Dem Toren stellt der Wein manche Falle"(31,30). 

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Das letzte Abendmahl von Leonardo da Vinci (1452-1519). Wandmalerei in der Dominikanerkirche Maria delle Grazie Mailand vor der Restaurierung
Da die auf den Wein bezogenen Zitate aus dem Neuen Testament zum großen Teil in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen sind, wird  hier auf eine auszugsweise Wiedergabe verzichtet. Wegen der Bedeutung für die Christenheit soll aber ein Passus aus dem 26. Kapitel des Matthäus- Evangeliums zitiert werden, wie er in einer 1764 im Hanauer Waisenhaus  gedruckten Bibel steht: " Da sie aber assen, nahm Jesus das brodt, danckete und brachs, und gabs den jüngern, und sprach: Nehmet, esset; Das ist mein Leib. Und er nahm den kelch, und danckete, gab ihnen den, und sprach: Trinket alle daraus; Das ist mein blut des neuen testaments, welches vergossen wird für viele, zur vergebung der sünden. Ich sage euch: Ich werde von nun an nicht mehr von diesem gewächs des weinstocks trincken, bis an den tag, da ichs neu trincken werde mit euch in meines vaters reich." Leonardi da Vinci hat "Das letzte Abendmahl" in unerreichter Form als Wandgemälde verewigt. Abschließend noch eine Weisheit des Kirchenlehrers Augustins (354- 430 . n. Chr.): "Der Mensch braucht den Wein. Er stärkt den schwachen Magen, erfrischt die ermatteten Kräfte, heilt die Wunden an Leib und Seele, verscheucht Trübsal und Traurigkeit, verjagt die Müdigkeit der Seele, bringt Freude und entfacht unter Freunden die Lust am Gespräch."


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