Nulla dies sine linea
Geschichtsverein Windecken 2000

 
Bachforschung
Eine bunte Folge von heimatlichen Bildern aus vergangenen Tagen (Heinrich Karl Bach)
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Die "Katzebach" war nicht immer friedlich 
Nach starken Regenfällen stand der Ortskern unter Wasser
Aus den Erinnerungen von Heinrich Karl Bach

Von Ostheim kommend, fließt langsam und behäbig mitten durch Windecken die "Katzebach", ein kleines, unscheinbares Bächlein mit kaum zwanzig Zentimeter Wasserhöhe auf zwei Meter Breite, das, ehe es die Windecker Stadtgrenze erreicht, den Namen "Mühlgraben" führt. Es gibt viele Deutungen für den Namen "Katzebach", die aber zum Teil recht abteuerlich oder ziemlich an den Haaren herbeigezogen sind. Deshalb soll auf diese Erklärungsversuche nicht näher eingegangen werden. Wessen Ohr aber an der Bezeichnung "Katzebach" Anstoß nimmt, der sollte eher "Katzenbach" sagen als "Katzbach", weil das Windecker Wässerchen noch nie so hieß.
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Der von Ernst.J. Zimmermann nach Archivunterlagen gezeichnete Plan der Stadt Windecken vom Jahre 1727 zeigte den genauen Verlauf der "Katzebach" durch das Städtchen. Nach Unterqueren der Stadtmauer etwa in der Mitte zwischen Juden- und Ostheimer Tor floß er nach Westen und bog dann in der Höhe des Rathauses fast rechtwinklig nach Norden ab. Direkt am Hospital vorbei fließend mündete "die Bach" schließlich unmittelbar hinter der Mühle am Heldenberger Tor in die Nidder.
Siehe auch: Plan der Stadt Windecken
Repro: Rolf Hohmann
Ich selbst führe den Namen zurück auf das langsame, katzenartige Schleichen seines Wassers und nenne sie nach Windecker Art "die Katzebach." Aber warum "die" Bach ? In der Schriftsprache heißt es doch "der" Bach ! Vor Luther sagte man in ganz Mitteldeutschland "die" Bach. Erst mit der Bibelübersetzung bürgerte sich bei dem Worte Bach das männliche Geschlechtswort ein. In der hiesigen Gegend aber hielt man am weiblichen Geschlechtswort fest und sagte nach wie vor "die Bach" und "die Katzebach" und für den Nidderarm der sich am Wehr in der Nähe der Niddermühle abzweigt, "die alte Bach" ! Der Name "Wehrbach", den Zimmermann in "Hanau Stadt und Land" angibt, ist mir völlig fremd.

In meinen Kinderjahren waren die Ufer der "Katzebach" innerhalb der Stadt durch etwa zwei Meter hohe Mauerwände eingefaßt. Wo die "Katzebach" die Straßen kreuzte, führte eine Brücke über sie: so an der Ostheimer Straße bei der Hochmühle, in der Judengasse, in der Straße nach meinem Elternaus, dem Pflücksburger Hof, in der Hauptstraße am Rathaus, in der Spitalgasse und in dem an sie anschließenden Teil der Neugasse.

Des Weiteren erinnere ich mich noch zweier öffentlicher Stege für Fußgänger: der eine bildete die Fortsetzung des Ganges vom Marktplatz zwischen den Häusern des Kammachers Pfeiffer und des Küfermeisters Petert Westphal (in dessen Hausflur ich noch deutlich die Schnitzbank stehen sehe). Der andere breitere Steg, stellte die Verbindung her zwischen der "Guten Gasse" und "Kirchpfad" einerseits und dem Platz vor der Kirche, andererseits. Außerem sind mir zwei Privatstege in der Erinnerung: der eine im Anschluß an den Hof des Kirchenherrn Georg Dahl, der andere an den seines Nachbars Heil und vor diesem Jokob Lind. Wo die "Katzebach" Hofreiten durschschnitt, hatten sich die Eigentümer auf eigene Kosten in Hofesbreite feste Holzbrücken von Zimmerleuten erstellen lassen. So zum Beispiel der Metzgermeister Daniel Reul, der Vater meines Altersgenossen Peter Reul.

Das "Wässerchen" trieb zwei Mühlen

Ein Rätsel ist mir, woher dieses kleine Wässerchen die Kraft nahm, kurz hintereinander zwei Mühlen zu treiben, die "Hochmühle", früher die "Mühle zum hohen Rad" genannt, und die im Hofe des "Amtshauses" am linken Rand der "Katzebach" stehende Mühle. Meines Erachtens findet das seine Erklärung nur darin, daß bei der "Hochmühle" das Wasser von oben her das Mühlrad in Bewegung setzte - also oberschlächtig-, bei der anderen dagegen von unten - also unterschlächtig wirkte und der dadurch erzielte Höhenunterschied die Strömung  verstärkte. Heute sind diese beiden Mühlen eingegangen, die Hochmühle um 1886 nach dem Tode ihres Besitzers Heinrich Achatius Menger, und die Mühle im Hofe des Amtshauses im Dreißigjährigen Kriegs, also vor mehr als dreihundert Jahren.

Die letztgenannte Mühle war wahrscheinlich dem Grafen von Hanau gleichzeitig mit dem Bau der Stadtmauer errichtet worden mit dem Zweck, in Fehdezeiten, wo die Stadttore geschlossen werden mußten, Burg und Stadt mit Mehl zu versorgen, was die beiden anderen Mühlen, die "Hochmühle" und die "Niddermühle" nicht konnten, da sie außerhalb der Stadtmauer lagen. Nachdem aber die Burg und die Stadt im Dreißigjährigen Kriege 1635 und 1646 zum größten Teil zerstört worden waren, hatte die Mühle des Amtshauses weder für die gräfliche Herrschaft noch für die Windecker Bürgerschaft irgendwelche Bedeutung. Sie wurde deshalb nicht wieder aufgebaut. Am längsten hielt sich die gleichaltrige Niddermühle. Sie stellte, soweit mir bekannt, erst vor wenigen Jahren den Betrieb ein.

Daß aber die für gewöhnlich so harmlos sich hinschleichende "Katzebach" zu einem reißenden Strome ausarten kann, hat sie im Sommer 1883 bewiesen. Es war am Nachmittag des 30. Mai, an einem Mittwoch, als ein außergewöhnlich schweres Gewitter von Westen her über Windecken hinweg zog. Es blitzte und donnerte gewaltig, regnete aber nicht übermäßig. Desto schlimmer aber tobte es sich über Ostheim und Marköbel aus. In Marköbel schlug der Blitz in die Spitze des 1868 erbauten Kirchturms ein und zündete. Das Feuer verzehrte nicht nur das Dach des Turmes, sondern auch das ganze Holzwerk in seinem Inneren bis auf die unterste Etage und ließ nur verkohlte Reste zurück. Der Glockenstuhl brach zusammen, die Glocken fielen herab, die kleinste schmolz.

In den Gemarkungen der beiden Orte Ostheim und Marköbel ging ein wolkenbruchartiger Regen nieder, der in kürzester Zeit die weiten Ackerfluren in große Seen verwandelte. Die aus der Ostheimer Gemarkung kommende "Katzebach" schwoll schnell an, stieg aus ihren Ufern und wälzte ihre Wassermassen Windecken zu, wo man von der herannahenden Katastrophe nichts ahnte, die beide Nachborte heimgesucht hatte Die über die "Katzebach" führenden Brücken hemmten die Strömung. Die wildgewordenen Wasserwogen wälzten sich in die Straßen und in die Häuser, sodaß die im Parterre Wohnenden in die oberen Stockwerke flüchten mußten.

Zum Glück war das schauerlich schöne Schauspiel der ungezähmten "Katzebach" nur von kurzer Dauer. Nach etwa zwei Stunden fiel das Wasser und der Bach floß wieder ruhig dahin, als wenn nichts geschehen wäre. Desto größer war jetzt die Aufregung bei den von Überflutung Heimgesuchten, als sie sahen was das Wasser ihnen in der kurzen Zeit für Schaden gebracht hatte. Für sie ging jetzt die Arbeit an, das zurückgebliebene Lehmwasser aus Stuben, Küchen und Kellern wieder zu entfernen und alles zu reinigen. Im Hause des unmittelbar an der "Katzebach" gelegenen Hauses des Präsenzers Hochstadt sah ich den angerichteten Schaden. Nahezu einen halben Meter hoch stand das Wasser in sämtlichen Parterreräumen. Eimer-und zuberweise wurde das Lehmwasser aus den Zimmern getragen. Alle vorhandenen Möbel und anderen Gegenständie waren völlig verdreckt, die Tapeten aufgeweicht und sie mußten ersetzt werden. In einem anderen Haus mußte sogar der Fußboden neu gedielt werden. Zu den Aufregungen, dem Ärger und Verdruß auch noch die unvorgesehenen Geldausgaben. In unserem Hause war nichts Sonderliches geschehen. Das Wasser hatte gerade die oberste Stufe der Haustreppe erreicht.

Das unfreiwillige Schlammbad des Gendarmen

Heute bietet sich an der "Katzebach" ein ganz anderes Bild. Sie ist kanalisiert. In ihrem ehemaligen Bette liegen hohe Zementrohre, die das Wasser unsichtbar der Nidder zuführen. Eine schöne, breite gepflasterte Straße geht über sie weg. Ob aber die Weite der Zementrohre das Wasser bei einem neuen katastrophalen Wolkenbruch alle fassen kann, wird die Zukunft lehren.

Ein anderes Bild von der "Katzebach" ist mir in Erinnerung geblieben. Der Gendarm führte einen Betrunkenen, aber sonst gutmütigen, harmlosen Einwohner zu dessen Ernüchterung nach dem "Judenturm" und schlug, um Aufsehen zu vermeiden, den näheren und wenig belebten Weg der "Katzebach" entlang ein. Die lieben Nachbarn ließen sich aber das Schauspiel nicht entgehen. Das ärgerte den Betrunkenen, er weigerte sich weiterzugehen und wurde schließlich ausfallend. Es gab ein Ringen zwischen ihm und dem Gendarmen und potzpardauz lag er zusammen mit seinem Häftling in der "Katzebach" zum Gaudi der zuschauenden Menge. 

Da rief der Gendarm laut: "Meine Herren! Herr X und Herr Y! Im Namen des Gesetzes fordere ich sie auf, mir beizustehen. Selbstverständlich kamen nun die Männer dieser Aufforderung nach und führten den nassen Häftling und den ebenso durchfeuchteten wie völlig verschmutzten Gendarmen zur nächsten Treppe in der Einfassungsmauer des Baches. Der Weitermarsch nach dem "Judenturm" verlief ohne Zwischenfall und lachend gingen  die Zuschauer wieder an ihre Arbeit. Ich war damals zehn Jahre alt und auf mich hinterließ der Wortlaut der Aufforderung des Gendarmen an die Zaungäste dieses Vorfalls einen tiefen Eindruck."


Soweit die Erinnerungen von Heinrich Karl Bach über die früher offen durch Windecken fließende "Katzebach." Die Verrohrung innerhalb der früheren Stadtmauer erfolgte erst Anfang des 20. Jahrhunderts. Infolge der sehr schnell einsetzenden Schneeschmelze trat der Bach im Frühjahr 1940 über die Ufer und die Wassermassen wälzten sich hinter dem Eisenbahnviadukt über die Ostheimer Straße in Richtung Windecker Ortskern. Damals war im Nidderstädtchen eine Artillerieeinheit einquartiert und die Soldaten versuchten verzweifelt, durch Absperrmaßnahmen die reißenden Fluten des sonst so harmlosen Baches in eine bestimmte Richtung zu lenken. Die beiden Fotos von der Überschwemmung 1940 stellte freundlicherweise Reinhard Wolff zur Verfügung. Für die Reproduktion zeichnet Rolf Hohmann verantwortlich. 
 
 

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Bei der großen Überschwemmung im Frühjahr 1940 wälzten sich Wassermassen über die Ostheimer Straße

 
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Die einquartierten Soldaten bemühten sich wie hier am Bahndammdurchstich verzweifelt, die aus Ostheim kommenden Fluten so abzuleiten, daß sie im Windecker Ortskern keine größere Schäden anrichteten.
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