Nulla dies sine linea
Geschichtsverein Windecken 2000

 

 
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Lange Liste von Untaten
Der Ankläger erinnerte dann daran, daß Meißner einige Jahre zuvor zusammen mit seinem "Diebs Cameraden" Johannes Knopffen in Hanau beim Stehlen von Schweinefleisch erwischt und "wegen dieses Diebstahls in hafften kommen" war und fuhr fort: "Wahr, daß er alß wohl verdienter Straff des wegen durch die Spießruthen lauffen müssen. Wahr, daß er sich hierauff keineswegs gebeßert, sondern vielmehr gahr ein Handtwerck vom stehlen gemacht." Liest man im Verhandlungsprotokoll nach, was sich die beiden "Ertzdiebe" in verschiedenen Orten im Norden der Grafschaft Hanau bei zahlreichen Einbrüchen alles unter den Nagel rissen, kann man dieser Feststellung des Anklägers nur beipflichten. Sie ließen Geflügel, Getreide jeder Sorte, Fleisch, Schmalz, Obst, Wein und Bienenstöcke mitgehen; auch Hausrat, Kleidungsstücke, Tuche, landwirtschaftliche Geräte, Eimer, Kannen und tranportierten ihr Diebesgut nicht selten mit gestohlenen Schubkarren ab. Sie klauten bei ihren Diebestouren wahrhaftig alles, was nicht niet und nagelfest war. Dabei verschonten  sie weder Bürgermeister, Pfarrer, Schulmeister oder gräfliche Beamte und Meißner scheute sich auch nicht "Johann Kleiners seel. ohnmündigen Kindern zu Ostheim die Hauß-und Cammerthür gewaltthätig zu öffnen."

Abnehmer des Diebesgutes waren jüdische Händler und ein Marketender aus Hanau. Unter dem Anklagepunkt 38 heißt es im Protokoll: "Wahr, daß die beede zwey weiße hinckel in Cleß Köppels Scheuer gefangen, und an den Juden zu Ostheim verkaufft" und unter Punkt 42: "Wahr, daß Meißner  auf der bleich zu Ostheim 30 Ehl leinen tuch gestohlen und in eine Hecken gesteckt und alda 3 tag liegen laßen. Solches nacher in Ungers Hauß mit seinem guten Wißen und Belieben verwahrlichen geben. Daruff nach verfließung 4 Wochen sie beede daß tuch nacher Hanau gebracht und daselbstigen Marquetenter Niclaß Köhler die Ehl pro 6 alb verkaufft." 

Hier noch ein paar Kostproben aus dem 67 Punkte umfassenden Sündenregister der beiden Angeklagten: "Abermahlen wahr, daß Peinlich Beklagte vor dem Christ Feyertag Abendst umb zehen Uhr dem Land bereither Satorio zwey wälsche Hühner auß dem Stall gestohlen und in Hanaw daß stück a 9 Batzen verkauffet." Und weiter: "Wahr, daß der Meißner auch hiebevor zu Hanaw in des Knöffgers Hauß mit bey hülff des inhafftierten Marquetendern zu Nacht eine Küsten und Fleisch gestohlen."

Meißner und Unger verdingten sich auch hin und wieder als Drescher. Mit ihrem Tagelohn waren sie offensichtlich gar nicht zufrieden, denn sie stiebitzten bei ihren Arbeitgebern alles, was ihnen in die Hände fiel: "Wahr ist, daß die Peinlich Beklagte dem Schuhlmeister zu Ostheim getroschen und demselben ½ Achtel Korn, 1 Mesten Weitzen, 1 Simmern Haffer und etwas an gersten gestohlen und solches des Nachts, einer umb den andern gethan." 

Bei Velten Baßermann in Ostheim schwang das Duo sechs Tage lang den Dreschflegel und stahl dabei "alle tag ein Simmern Korn, welches Meißner in den Sack that." Und schließlich noch dieser Anklagepunkt: "Wahr, daß Unger aus Johann Georg Schmittens  Behaußung zu Windecken ein paar Kinder Schuh gestohlen, Meißner aber die Wacht gehalten." Das Diebespärchen konnte wirklich alles gebrauchen, was sich  für ein paar Albus oder Batzen verscherbeln ließ. Sie hatten offensichtlich keine Mühe, ihre "heiße Ware" an den Mann zu bringen, obwohl zur damaligen Zeit Hehlern drakonische Leibesstrafen drohten.

Am Schluß der "langen Latte" ist das Delikt im Protokoll vermerkt, das dem "scheppen Georg" schließlich den Kopf kosten sollte: "Wahr, daß Peinlich Beklagte zu dem endte auf das Schloß zu Windecken gangen um die flegel, Säck und ein wenig gersten zu hohlen auß der Scheuer und 2 Säcke bey sich gehabt, umb auf dem Marstall von den herrschafftlichen früchten zu stehlen." Dem Gaunerpärchen war zu diesem Zeitpunkt sicher noch nicht bewußt, welches Schicksal ihnen blühte. Aufgrund ihrer Erfahrungen mit der Obrigkeit mußten sie zwar mit einer harten Strafe rechnen, ihrer Meinung nach aber nicht um Leib und Leben fürchten. Dies sollte sich als fataler Irrtum erweisen.

Als sie dann das Schlußplädoyer des "Hochgräfflichen Hanawischen Constituierten Fiscalischen Ahnwaldt" Schwindt vernahmen, trauten sie wohl ihren Ohren nicht. Nachdem der Ankläger das Sündenregister der beiden Übeltäter verlesen hatte fuhr er fort: "Demnach dann nun durch der gegen werttigen Peinlich Beklagten selbst eigenen geständnüs die so viehlfaltig rerterirte und wiederhohlte große Diebstähle allerdings offenbahr und bekandt seindt, auch sonsten sothane Laster des Diebstahls dießer orthen der gestalt überhandt nehmen und fast ohne Scheuw höchstkühnlichen verübet werden will, und dannenhero nottwendig durch eine Exemplarische bestraffung coerciret werden muß. So gelangt Fiscalis in ständig und rechtliches bitten im rechten zuerkennen und außzusprechen, daß Peinlich Beklagte alß zween bekandte und verleumbdte Ertzdiebe, wegen oben eingestandenen so viehlfaltig hihn und wieder verübter diebstähle ihnen selbsten zu wohlverdienter Straff, anderen dieben aber zum Abscheuw und Exempel; vigore Articuli 172 der Peinlichen Halßgerichts Ordnung Kayser Caroli V. mit dem Strang an dem Galgen vom Leben zum todt hinzurichten seyen, hierüber daß streng richterliche Ambt pro administratione Severa justitia inständig implorirend und anruffend."
 
 

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