Der Ankläger erinnerte
dann daran, daß Meißner einige Jahre zuvor zusammen mit seinem
"Diebs Cameraden" Johannes Knopffen in Hanau beim Stehlen von Schweinefleisch
erwischt und "wegen dieses Diebstahls in hafften kommen" war und
fuhr fort: "Wahr, daß er alß wohl verdienter Straff des
wegen durch die Spießruthen lauffen müssen. Wahr, daß
er sich hierauff keineswegs gebeßert, sondern vielmehr gahr ein Handtwerck
vom stehlen gemacht." Liest man im Verhandlungsprotokoll nach, was
sich die beiden "Ertzdiebe" in verschiedenen Orten im Norden der Grafschaft
Hanau bei zahlreichen Einbrüchen alles unter den Nagel rissen, kann
man dieser Feststellung des Anklägers nur beipflichten. Sie ließen
Geflügel, Getreide jeder Sorte, Fleisch, Schmalz, Obst, Wein und Bienenstöcke
mitgehen; auch Hausrat, Kleidungsstücke, Tuche, landwirtschaftliche
Geräte, Eimer, Kannen und tranportierten ihr Diebesgut nicht selten
mit gestohlenen Schubkarren ab. Sie klauten bei ihren Diebestouren wahrhaftig
alles, was nicht niet und nagelfest war. Dabei verschonten sie weder
Bürgermeister, Pfarrer, Schulmeister oder gräfliche Beamte und
Meißner scheute sich auch nicht "Johann Kleiners seel. ohnmündigen
Kindern zu Ostheim die Hauß-und Cammerthür gewaltthätig
zu öffnen."
Abnehmer des Diebesgutes waren jüdische Händler und ein Marketender
aus Hanau. Unter dem Anklagepunkt 38 heißt es im Protokoll: "Wahr,
daß die beede zwey weiße hinckel in Cleß Köppels
Scheuer gefangen, und an den Juden zu Ostheim verkaufft" und unter
Punkt 42: "Wahr, daß Meißner auf der bleich zu Ostheim
30 Ehl leinen tuch gestohlen und in eine Hecken gesteckt und alda 3 tag
liegen laßen. Solches nacher in Ungers Hauß mit seinem guten
Wißen und Belieben verwahrlichen geben. Daruff nach verfließung
4 Wochen sie beede daß tuch nacher Hanau gebracht und daselbstigen
Marquetenter Niclaß Köhler die Ehl pro 6 alb verkaufft."
Hier noch ein paar Kostproben aus dem 67 Punkte umfassenden Sündenregister
der beiden Angeklagten: "Abermahlen wahr, daß Peinlich Beklagte
vor dem Christ Feyertag Abendst umb zehen Uhr dem Land bereither Satorio
zwey wälsche Hühner auß dem Stall gestohlen und in Hanaw
daß stück a 9 Batzen verkauffet." Und weiter: "Wahr,
daß der Meißner auch hiebevor zu Hanaw in des Knöffgers
Hauß mit bey hülff des inhafftierten Marquetendern zu Nacht
eine Küsten und Fleisch gestohlen."
Meißner und Unger verdingten sich auch hin und wieder als Drescher.
Mit ihrem Tagelohn waren sie offensichtlich gar nicht zufrieden, denn sie
stiebitzten bei ihren Arbeitgebern alles, was ihnen in die Hände fiel:
"Wahr ist, daß die Peinlich Beklagte dem Schuhlmeister zu Ostheim
getroschen und demselben ½ Achtel Korn, 1 Mesten Weitzen, 1 Simmern
Haffer und etwas an gersten gestohlen und solches des Nachts, einer umb
den andern gethan." |
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Bei Velten Baßermann
in Ostheim schwang das Duo sechs Tage lang den Dreschflegel und stahl dabei
"alle tag ein Simmern Korn, welches Meißner in den Sack that."
Und schließlich noch dieser Anklagepunkt: "Wahr, daß Unger
aus Johann Georg Schmittens Behaußung zu Windecken ein paar
Kinder Schuh gestohlen, Meißner aber die Wacht gehalten." Das
Diebespärchen konnte wirklich alles gebrauchen, was sich für
ein paar Albus oder Batzen verscherbeln ließ. Sie hatten offensichtlich
keine Mühe, ihre "heiße Ware" an den Mann zu bringen, obwohl
zur damaligen Zeit Hehlern drakonische Leibesstrafen drohten.
Am Schluß der "langen Latte" ist das Delikt im Protokoll vermerkt,
das dem "scheppen Georg" schließlich den Kopf kosten sollte: "Wahr,
daß Peinlich Beklagte zu dem endte auf das Schloß zu Windecken
gangen um die flegel, Säck und ein wenig gersten zu hohlen auß
der Scheuer und 2 Säcke bey sich gehabt, umb auf dem Marstall von
den herrschafftlichen früchten zu stehlen." Dem Gaunerpärchen
war zu diesem Zeitpunkt sicher noch nicht bewußt, welches Schicksal
ihnen blühte. Aufgrund ihrer Erfahrungen mit der Obrigkeit mußten
sie zwar mit einer harten Strafe rechnen, ihrer Meinung nach aber nicht
um Leib und Leben fürchten. Dies sollte sich als fataler Irrtum erweisen.
Als sie dann das Schlußplädoyer des "Hochgräfflichen
Hanawischen Constituierten Fiscalischen Ahnwaldt" Schwindt vernahmen,
trauten sie wohl ihren Ohren nicht. Nachdem der Ankläger das Sündenregister
der beiden Übeltäter verlesen hatte fuhr er fort: "Demnach
dann nun durch der gegen werttigen Peinlich Beklagten selbst eigenen geständnüs
die so viehlfaltig rerterirte und wiederhohlte große Diebstähle
allerdings offenbahr und bekandt seindt, auch sonsten sothane Laster des
Diebstahls dießer orthen der gestalt überhandt nehmen und fast
ohne Scheuw höchstkühnlichen verübet werden will, und dannenhero
nottwendig durch eine Exemplarische bestraffung coerciret werden muß.
So gelangt Fiscalis in ständig und rechtliches bitten im rechten zuerkennen
und außzusprechen, daß Peinlich Beklagte alß zween bekandte
und verleumbdte Ertzdiebe, wegen oben eingestandenen so viehlfaltig hihn
und wieder verübter diebstähle ihnen selbsten zu wohlverdienter
Straff, anderen dieben aber zum Abscheuw und Exempel; vigore Articuli 172
der Peinlichen Halßgerichts Ordnung Kayser Caroli V. mit dem Strang
an dem Galgen vom Leben zum todt hinzurichten seyen, hierüber daß
streng richterliche Ambt pro administratione Severa justitia inständig
implorirend und anruffend."
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