Bereits am 16. Februar 1681
sollte das Urteil in diesem Peinlichen Prozess verkündet werden. Nachdem
das Gericht die beiden Bittschriften zur Kenntnis genommen hatte, wurde
dem Ankläger das Wort erteilt, der ausführte: "Fiscalischer
Anwaldt wiederholt das in articulirter Peinlicher Anklag gethane petitum
auf der Peinlich Beklagten selbst eygener eingeständnus und bittet
nunmehro wie darselbsten mit mehren gebeth condemnatione und nachfolgendter
executione an Peinlich Beklagte werckstellig machen zu lassen."
Nachdem der Ankläger weiterhin die Todestrafe für die
beiden Deliquenten gefordert hatte, unternahm der Verteidiger einen letzten
Versuch, die Köpfe seiner Mandanten doch noch aus der Schlinge zu
ziehen: "Obzwar wahr, daß beyde Peinlich Beklagte vermittelst
verbodtener handt anlegung an eines frembden Guth sich groblich an Gott
versündigt, so leben sie dennoch der zuversichtlichen Hoffnung der
gräflichen Richter Gnad, so da mehr die Entwendtung nicht 100 Gulden
werth und denen eigen thumbs Herren mehrentheils zurückgegeben wordten,
weiter beede Peinlich Beklagte über sothanige ihre Verbrechen reu
bey sich spühren laßen, gelanget dahero Defensors inständiges
bitten, deliquenten Meißnern mit einer gelindten extraordinar-Straffe
zu belegen, Ungern aber dißmahl nachzusehen, wo nicht gar der straff
so baldt zu erlaßen, jeden noch wenigstens mit einer gelindten uf
etliche tage sich etwa streckenden Thurmstraff anzusehen."
Der Verteidiger war wohl ein hoffnungsloser Optimist, der die Zeichen
der Zeit nicht zu deuten wußte. Das "knallharte" Vorgehen des Anklägers
hatte wohl deutlich gemacht, daß Graf Friedrich Casimir die in seinem
Herrschaftsbereich überhand nehmenden Diebstahlsdelikte "unerträglich"
fand und es für dringend geraten hielt, endlich ein Exempel zu statuieren.
Dies kam unmißverständlich im Schlußwort des "Staatsanwalts"
Johann Sigismund Schwindt zum Ausdruck: "Fiscalis widerspricht allen
defensorischen einwendtungen umb so mehr, weil von Peinlich Beklagten,
sonderlich dem Meißner, der diebstahl reiteriret, auch von beede
keine beßerung oder bus zu hoffen ist, sonderlich aber der Diebstahl
in dem gantzen Land überhand nehme."
Deshalb beantrage er nochmals nachdrücklich "zum abscheulichen
Exempell" den Tod durch den Strang. Nachdem beide Seiten ihre Argumente
vorgetragen hatten, mußten die zwölf Geschworenen des im Windecker
Rathaus tagenden Peinlichen Halsgerichts einzeln ihren Spruch fällen.
Wie der Gerichtsschreiber notiert, "haben die Herren Schöpffen
einen Abgetritt genommen und folgender Gestalt votirt:
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Gf. Rath Marx Schmidt von Windecken: Meißnern vom leben zum todt
durch den strang. Unger hette ebenfalls den todt verdient, doch stündt
die Gnad bey Gnädigster Herrschafft.
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Gf, Rath Beckes von Windecken: Meißnern mit dem strang. Unger
hette zwar auch den strang verdienet, doch stünde die Gnade bey Gnädigster
Herrschafft.
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Schultheiß Johann Vohlmann von Marcköbel: Meißnern,
weilen keine Beßerung an ihm zu hoffen, sondtern dergleichen hiebevor,
darumb er auch gestrafft worden, mehr verübet, zum strang. Ungern
zu den Staupenschlägen, weilen es das erste mahle und er auch grose
reue bezeuget.
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Beysaß Caspar Gerhardt von Marcköbel: Meißnern durch
den strang vom leben zum todt, Ungern auch zum strang.
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Beysaß Melchir Schmidt von Marcköbel: Meißnern vom
leben zum todt durch den strang. Ungern auch zum strang
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Beysaß Henrich Degen von Marcköbel: Meißnern zum strang,
andtern zum Exempel, Ungern dergleichen.
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Schultheiß Frantz Brodt von Ostheim: Meißnern zum strang,
Ungern zum Außstreichen.
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Beysaß Wörner von Eichen: Meißnern zum strang, Ungern
vom leben zum todt
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Schultheiß Wilhelm Bouchardt von Dorfeldten: Meißnern zum
strang, Ungern deßgleichen
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Beysaß Seyberth Kling von Dorfeldten: Meißnern zum strang,
Ungern deßgleichen.
Während also der "scheppe Georg" als Hauptübeltäter keinen
einzigen Fürsprecher fand, wollten einige Schöffen den als Mitläufer
eingestuften Hans Georg Unger vor dem schändlichen Ende am Galgen
retten. Was sich nach der Urteilsveründung im großen Ratssaal
des Windecker Rathauses abspielte, ist ebenfalls detailliert protokolliert
worden: "Fiscalis vermerckt, woferne in Peinlicher Anklagsache ein rechtmesiges
Urtheil abgefaßt, so bitte nunmehro publicationem. Defensor lest
die publication und bittet um gnad. Hanß Georg Ungers Fraw fält
uf die Knie und bittet umb Gottes barmhertzigkeit willen umb Gnadt. Hierauf
wurdten beede Urtheile eines nach dem andtern vor gelesen undt der Stab
gebrochen. Meißner zum Strang, Unger zu Staupenschlägen und
Ewig Landtverweisung.
Defensor bittet wegen der viel beherztigten reu und leyd und der
armen weib und Kinder beede Urtheile nachtrücklich zu lindtern. Weilen
bey Meißnern keine Gnad zu hoffen, alß ward selbiger ad justiage
geführet, durch die Geistliche getröstet und die im Urtheil enthaltene
Lebensstraffe vollzogen. Unger ward an den Pranger gestellt biß die
Execution verrichtet worden.
Nach diesem wordt das Gericht wiederumb beseßen wardt, haben
Max Schmidt und Schultheiß von Ostheimb bey Gräflichem Cantzley-Rath
D. Schmiden, welcher von Gändigster Herrschafft abgeordnet undt im
Ambthauße war, deß Ungern wegen diese Gnad eingeholet, daß
er Ungern der Staupenschläge erlaße, der Graffschafft Hanaw
aber durch den Nachrichter verwiesen sein soll. Nachdem nun diese beede
referirt, wardt das Gnaden Urtheil publicirt. Fiscalis bedankt sich abermahls.
Defensor bedanckt sich der milterung des Urtheils. Verdambter gleichfalls
und wardt denebennechst durch den Nachrichter außgewiesen. Ist demnach
dieser acty geendiget undt bey der mahlzeit im Wirtshauß vollendts
geschloßen wordten."
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