Ein wohlgelegenes lustiges Städtgen
Auch einhundert Jahre nach dem 1648 geschlossenen Westfälischen
Frieden hatte sich die seit 1736 zu Hessen-Cassel zählende Grafschaft
Hanau noch nicht vom Niedergang des großen Krieges erholt. Im Jahr
1747 erschien "Bey Stocks seel. Erben und Schilling, Frankfurt am Mayn"
ein Werk, das sehr ausführlich auf die damaligen Verhältnisse
in der Wetterau eingeht und für Historiker von unschätzbarem
Wert ist. Der ausführliche Titel lautet: "Wetterauischer Geographus,
das ist Kurtze und Vollständige Beschreibung aller derer in=und an
der Wetterau liegender Herrschaften, Städte, Schlösser, Flecken,
Dörfer, Adeliger Klöster=und anderer Höfe, Salz=Solven,
Sauer=und Gesund=Brunnen und Bäder, Silber=Kupfer=Bley=und Eysen=Bergwercke,
Gruben, Schmeltzen, Hütten, Hämmer, Mühlen, Ströhme,
Flüsse, Bäche und dergleichen; auch was bey ein=und anderem Ort
merck=und denckwürdiges zu sehen, in Alphabetischer Ordnung
zusammen getragen und nun zum erstenmahl ans Licht gestellet von dem Liebhaber
in Historischen Dingen."
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Stadtmauerrest mit überdachtem Wehrgang an der Ostheimer Straáe
Dia: Helmut Roßbach 1957
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Ein Verfasser dieses bemerkenswerten Buches wird
nicht genannt. Auf vielen freien Seiten hat der Windecker Amtmann Schmid,
der wahrscheinlich Ende des 18. Jahrhunderts lebte, handschriftliche
Bemerkungen angebracht. Auf dem Titelblatt notiert er den Namen Wilhelm
Johann Herrmann, dem wahrscheinlichen Autor des Werkes. Nach ausführlicher
Beschreibung der verschiedenen Herrschaftsbereiche beschreibt der Verfasser
die wichtigsten Merkmale der kleinen und großen Ansiedlungen. Über
das Nidderstädtchen weiß er zu berichten: "Windecken, ein altes
und wohlgelegenes lustiges Städtgen und Amt, in der Graffschaft Hanau,
am Nidderfluß, zwey Stunden von Hanau, vier von Frankfurt und von
Friedberg. Der Ort ist ehemals mit einer guten Mauer umgeben gewesen, die
aber nunmehro überall sehr verfallen. Es hat vor diesem auch eine
vortreffliche Burg allda gestanden, so vornehme Burgmänner und feine
Gebräuche gehabt, fast ebenso wie die Burg zu Friedberg, zu Gelnhausen
und zu Staden, ist aber eingegangen. Sonst hat es um die dasige Gegend
einen ziemlichen Weinwachs, gute Ackerfelder und schöne Wälder."
Auf einer freien Seite hat Amtmann Schmid ergänzt: "Die Mauer um
Windecken ist mit Holtz und einem Ziegeldach zum trocknen des Tabacs, wovon
der Platz ad 1 Rt 10 Krz zahlt, versehen. Die Stadt Windecken ist mit einem
schönen Rathhauß versehen, welches ao 1772 renovirt worden;
Durch die Stadt ziehet die sogenannte Katzenbach, zwischen einem Mauerwerck;
das gemeine Stadtweßen hat genugsames Holz, in dem es einen eigenen
Wald, den Kalkoffen besitzet und mit dem nächst daran gelegenen Dorff
Ostheim die so genannte Marck Waldung gemeinschafftlich hat; der Weinwachs
hingegen ist eingegangen, so daß die Herrschafft nur noch allda 22
Morgen Weinberge besitzet und sehr guten Wein darinnen ziehet."
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