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Ausgrabungen im Römerkastell Heldenbegen

Landesarchäologe hatte keine Zeit für eine Ortsbesichtigung

Meine "Laufbahn" als Amateurarchäologe begann 1969, als ich im Windecker Gemarkungsbereich "Am Gailenberg" bei der Neutrassierung der Bundesstraße 45 im Wartbaumbereich zwanzig angeschnittene neolithische Abfallgruben entdeckte und zahlreiche Artefakte bergen konnte. Es folgten 1970 weitere Grabungen in Nidderauer Gemarkungen und im Neubaugebiet Mittelbuchen an der Landstraße nach Kiliänstädten. Über die Ergebnisse dieser Arbeiten wurde der hessische Landesarchäologe Prof. Dr. Helmut Schoppa jeweils vom Hanauer Kreisbodendenkmalpfleger Dr. Karl Dielmann informiert. Außerdem berichtete ich über meine Aktivitäten laufend in der Presse. 

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Ein Nachwuchs-Archäologe "bewacht" auf dem Römer-Kastell ein Römer-Pils
Infolge der Fusion von Heldenbergen  und Windecken am 1. Januar 1970 zur neuen Stadt Nidderau verzögerte sich die Inangriffnahme der vorgesehenen Bebauungsmaßnahmen "Am Richtbockspfad" um etwa ein Jahr. Doch auch diese unverhoffte Chance wurde vom hessischen Landesarchäologen nicht dazu genutzt, um Geldmittel für eine wissenschaftliche Untersuchung des römischen Platzes zu beschaffen. Als jedoch das Nidderauer Stadtparlament im Dezember 1970 die Offenlegung des Bebauungsplans  beschloß, wurde die Lage kritisch. Obwohl ich Professor Schoppa von dieser Entscheidung unverzüglich telefonisch in Kenntnis setzte und er als Träger öffentlicher Belange zum geplanten Vorhaben eine Stellungnahme abzugeben hatte, wurden meinen Erkundigungen zufolge keine Auflagen gemacht. 

Das völlig passive Verhalten des hessischen Landesarchäologen in dieser Angelegenheit ließ nur den einen Schluß zu, daß er nämlich eine gezielte wissenschaftliche Untersuchung des römischen Erdlagers Heldenbergen überhaupt nicht ernstlich in Erwägung zog. Um überhaupt noch etwas zu retten, drängte ich Professor Schoppa, sich durch eine Ortsbesichtigung über die Situation zu informieren. Er regte daraufhin an, zusammen mit Kreisbodenkmalpfleger Dr. Karl Dielmann im Frühjahr 1971 eine Geländebegehung durchzuführen. Als ich den Landesarchäologen mit bekannter Hartnäckigkeit immer wieder an die gegebene Zusage erinnerte, schrieb er am 5. Mai 1971: "Leider habe ich bis jetzt keine Zeit gefunden, mit Ihnen das Gebiet in der Gemarkung Heldenbergen zu besuchen." 

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Die Bindung-Brauerei hatte in großzügiger Weise Getränke nach Wahl im Wert von DM 4000,-- für die durstigen Helfer spendiert. Die jeweils angeforderte Menge lieferte die Firma Euler (Windecken) zuverlässig auf das Grabungsgelände
Doch auch in den folgenden Sommermonaten ließ sich kein Wissenschaftler blicken und meine Hoffnung, die beamteten hessischen Bodendenkmalpfleger zum Eingreifen zu veranlassen, schwand immer mehr. In meinem Schreiben vom 25. August 1971 gab ich zu bedenken: "Eine von Ihnen angeregte Besichtigung des Baugebiets "Am Richtbockspfad" hat noch nicht stattgefunden und ich werde  nach Beginn der Kanalarbeiten wieder irgendwie ohne Anleitung "umherwursteln.". Dem Landesarchäologen schrieb ich außerdem ins Stammbuch: "Ich kann Ihnen leider nicht den Vorwurf ersparen, daß Sie, und auch die Ihnen untergeordneten Stellen, sehr wenig Interesse für die Arbeit der sogenannten "Amateurarchäologen" zeigen, von denen letztlich der größte Teil der Fundmeldungen abgegeben wird. Ohne die große Zahl dieser ehrenamtlichen Helfer, die Geld und Freizeit investieren, wäre Ihr Wirken sicher nur Stückwerk." Dann begann das entscheidende Jahr 1972, in dem die ersten Erschließungsmaßnahmen im Baugebiert "Am Richtbockspfad" anlaufen sollten. Da Professor Schoppa auf mein Schreiben vom 25. August 1971 nicht reagiert hatte, sich auch sonst nichts bei den Verantwortlichen in Wiesbaden rührte, richtete ich mich darauf ein, unmittelbar nach der Ernte mit privaten Notbergungen zu beginnen. 

Einen letzten Versuch, bei den Herren im Biebricher Schloß doch noch einen Sinneswandel herbeizuführen, unternahm ich mit meinem Schreiben vom 19. April 1972: "Ich erinnere nochmals daran, daß durch die Ausweisung des Baugebiets "Am Richtbockspfad" der Bereich des ehemaligen Erdkastells Heldenbergen angeschnitten wird. Bei Bekanntwerden der ersten unkontrolliert geborgenen Funde dürfte mit Sicherheit ein ähnlicher Run einsetzen wie seinerzeit in der Nordweststadt Frankfurt. Hier sollten doch einige Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden. Es wäre angebracht, wenn Sie oder Dr. Pachali bald einmal vorbeischauen könnten, um mir genauere Anweisungen zu geben." Doch ich blieb ein "einsamer Laienrufer in der Wüste," dem man zwei Monate lang keiner Antwort für würdig befand. Als ich sie schließlich in den Händen hielt, erlosch auch der letzte Hoffnungsfunke. Dr. Pachali teilte mir nämlich in seinem Schreiben vom 19, Juni 1972 lakonisch mit: "So gerne wir es würden, können wir von hier aus Ihre Arbeit auch in diesem Jahr kaum viel unterstützen. Mit unserem Fahrkostengeld sind wir jetzt schon fast am Ende und auch sonst ist uns nicht viel mehr möglich, aber Sie kennen je selbst die Misere bei den öffentlichen Mitteln aus Ihrer täglichen Arbeit. Wir würden Sie also bitten, die (vielleicht aber doch erst später einsetzenden) Bauvorhaben im Bereich des Kastells Heldenbergen zunächst zu überwachen und dann entsprechende Nachricht zu geben. Vielleicht können Ihre Mitarbeiter Ihnen auch bei den ersten Notbergungen etwas helfen, von hier aus kann leider wie gesagt in diesem Jahr nicht mehr viel geschehen." 

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GI's und Bundeswehrsoldaten retteten "Seit an Seit" römische Artefakte. Diese wohl einzigartige deutsch-amerikanische Spatenbruderschaft war den hauptamtlichen Archäologen offensichtlich so suspekt, daß sie in ihren Veröffentlichungen nie erwähnt wurde
Angesichts des Wirtschaftswunders war diese niederschmetternde Antwort in meinen Augen ein "kultureller Offenbarungseid" des Bundeslandes, das den Slogan "Hessen vorn" auf seine Fahnen geschrieben hatte. Da nach Auskunft der Nidderauer Stadtverwaltung in Kürze mit ersten Kanalbaumaßnahmen "Am Richtbockspfad" begonnen werden sollte, war höchste Eile geboten. Ohne irgendeine Legimatition in den Händen zu haben, nahm ich umgehend Verhandlungen mit dem Grundstücksbesitzer Fuhr auf, der mir seinen  an der Straße nach Büdesheim in der Nähe des einst von Georg Wolff freigelegten römischen Töpferofens gelegenen Acker für eine Notbergung kostenlos überließ. Gleichzeitig informierte ich die Presse über die geplante Rettungsgrabung. Ausführliche Berichte mit meinem Aufruf an die Bevölkerung, diese Aktion durch ehrenamtliche Mitarbeit oder Geldspenden zu unterstützen, erschienen am 11. Juli 1972 in der Frankfurter Rundschau und zwei Tage später im Hanauer Anzeiger. 

Mit Schreiben vom 22. Juli 1972 setzte ich den hessischen Landesarchäologen davon in Kenntnis, daß ich am folgenden Wochenende mit der Notbergung beginnen würde und führte aus: "Nachdem feststand, daß weder von Ihrer Stelle noch vom Kreisbodendenkmalpfleger Dr. Dielmann irgendwelche Hilfe bezüglich des Kastells Heldenbergen zu erwarten war, habe ich eine private Pressekampagne gestartet und bin auf großes Interesse gestoßen. Inzwischen haben sich auf meinen Aufruf etwa 50 Personen gemeldet, die bereit sind, mir bei der geplanten Flächengrabung zu helfen." Als "Startkapital" spendete Direktor Hesselbach 1000 Mark, und dies war ein vielversprechender Anfang.


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