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Ausgrabungen im Römerkastell Heldenbegen
Das reiche Bundesland Hessen hatte kein Geld

So mußte ich auch lange auf eine Antwort warten, bis sich schließlich Dr. Hoffmann vom Kultusministerium meldete. Sechs Wochen wurden für die schlichte Mitteilung benötigt, daß dem hessischen Ministerpräsidenten "leider keine Mittel für die Grabungen in Nidderau zur Verfügung stehen." Immerhin ließ mich Dr. Hoffmann wissen, daß er sich mit dem Landesarchäologen in Verbindung gesetzt und dieser meine Initiative "sehr begrüßt" habe. Aber Geld könne auch er nicht zur Verfügung stellen, doch im kommenden Jahr solle versucht werden, "die Grabung mit größeren Mitteln weiterzuführen." Schließlich rührte sich auch die Staatskanzlei und ein Dr. Müller-Werth sprach in seinem Schreiben vom 26. September 1972 die Hoffnung aus, "daß die vom Kultusministerium in Aussicht gestellte Förderung im komenden Jahr zur Durchführung der erforderlichen und wünschenswerten Maßnahmen ausreicht". 

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Die Presse berichtete ausführlich über die Vorgänge auf dem Kasttellgelände. Hier eine kleine Collage: Bunte Illustrierte (19. Oktober 1972) und Neue Presse (13. Januar und 15. August 1973)
Über das Ergebnis meiner vergeblichen Bemühungen an höchster Stelle um eine finanzielle Unterstützung berichtete unter anderem der Hanauer Anzeiger unter der Überschrift "Kein Geld für Ausgrabungen" in seiner Ausgabe vom 7. Oktober 1972. Am 24, September 1972 sandte ich dem hessischen Landesarchäologen die angeforderten Pläne der beiden Baugebiete "Am Richtbockspfad" und "Allee Nord" mit den von mir eingezeichneten Umrissen des polygonalen Erdlagers und des kleinen Erdkastells nach den Veröffentlichungen von Georg Wolff. Ich bat im Begleitschreiben, daß der Landesarchäologe mit den Bauträgern zumindestens eine Koordinierung der Erschließungsmaßnahmen mit den von mir geleiteten Rettungsgrabungen vereinbaren sollte. Außerdem forderte ich Prof Dr. Helmut Schoppa zum letzten Mal auf, Einspruch gegen die geplanten Baumaßnahmen einzulegen, "um uns noch eine Galgenfrist zu gewähren." 

Doch ich predigte weiterhin tauben Ohren und war aufgrund der völligen Untätigkeit der für die Bodendenkmalpflege in Hessen Verantwortlichen nahe daran, mein nervenraubendes, zeitaufwendiges und auch kostspieliges Engagement in Heldenbergen aufzugeben. Die ständigen Helferinnen und Helfer, die an den Wochenenden zum Teil lange Anfahrtzeiten in Kauf nahmen, ermunterten mich jedoch, den Kampf gegen die schier übermächtige Bürokratie nicht aufzugeben. Nachdem ich aus Wiesbaden-außer vagen Versprechungen-keine Hilfe zu erwarten hatte, mußte ich versuchen, zumindestens bis zum Frühjahr 1973 die für die Fortführung der Rettungsmaßnahmen erforderlichen Geldmittel allein aufzubringen. Dies erforderte neben der täglichen Anwesenheit auf dem Kastellgelände, an Wochentagen war ich beruflich stark gefordert, sehr viel Schreibarbeit. Da sich jedoch Firmen und Banken, aber auch einfache Bürger, weit aufgeschlossener zeigten, als der hessische Ministerpräsident und seine untergeordneten Beamten, gelang es mir immer wieder, das erforderliche "Kleingeld" aufzutreiben. 

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Der langjährige Landtagsabgeordnete Walter Korn (Dörnigheim) war für die Hobbyarchäologen von Beginn an ein zuverlässiger Ansprechpartner, der auf der Landespolitischen Ebene einiges bewegte
Die Tatsache, daß eine offizielle archäologische Ausgrabung des Landes Hessen ausschließlich mit privaten Spendengeldern finanziert werden muße, kann wohl nur als Armutszeugnis für die damals politisch Verantwortlichen bezeichnet werden. Aufgrund der schlechten Witterung wurden Mitte November 1972 die regelmäßigen Rettungsgrabungen eingestellt und die Arbeiten nur noch sporadisch weitergeführt. Nachdem das Nidderauer Stadtparlament Ende 1972 den Entwurf des Bebauungsplans "Allee Nord" beschlossen hatte, wurden die Träger öffentlicher Belange um eine Stellungnahme gebeten. 0bwohl man im Biebricher Schloß aufgrund meiner laufenden Berichte über die Vorgänge auf dem Kastellgelände in Heldenbergen bestens unterrichtet war, ließen sich die für die Bodendenkmalpflege Verantwortlichen auch weiterhin viel Zeit. 

Für den nach Erreichen der Altersgrenze aus dem Amt geschiedenen Prof. Dr. Helmut Schoppa, lag nun die Zuständigkeit bei Dr. W. Jorns als kommisarischen Landesarchäologen. Am 5. Februar erhielt die Stadt Nidderau schließlich aus dem Biebricher Schloß folgende Notiz: "Bevor wir zu Ihrem Bebauungsplan Stellung nehmen können, bitten wir um Übersendung eines Meßtischblattausschnittes mit dem eingetragenen Bebauungsgebiet." Aufgrund der dem Landesamt von mir längst zur Verfügung gestellten  Unterlagen hätte sich Dr. Jorns ohne Mühe ein Bild von der Situation nach Ausweisung des neuen Baugebiets "Alle Nord" machen können. Nachdem die Stadt Nidderau die angeforderten Unterlagen nochmals nach Wiesbaden geschickt hatte, erfolgte die Antwort bereits am 12. Februar 1973 - und danach verstand ich die Welt nicht mehr! Hieß es doch in diesem Schreiben: "Das in dem Kartenausschnitt gekennzeichnete Bebauungsgebiet liegt in einem wichtigen römischen Lager  des 1. Jh. n. Chr. Vor Beginn des Baues ist es unbedingt notwendig, daß diese Fläche untersucht wird. Wir bitten  um Mitteilung der ausführenden Firmen, um mit ihnen die wichtigen Probleme vorher zu besprechen." 

Nachdem ich Kenntnis von diesem Schreiben hatte, mußte ich mir ernsthaft die Frage stellen, ob alle Briefe und sonstigen Unterlagen in Sachen "Römerkastell Heldenbergen", die ich dem hessischen Landesarchäologen im Laufe der letzten Jahre nach Wiesbaden geschickt hatte und die sicher angefertigten Protokolle oder Aktenvermerke über die Ergebnisse der durchgeführten Ortsbesichtigungen nach der Pensionierung von Professor Dr. Helmut Schoppa durch den Reißwolf gejagt worden waren.  


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