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Ausgrabungen im Römerkastell Heldenbegen

Im Biebricher Schloß wehte ein frischer Wind

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H Der leider nur kurz amtierende kommissarische Landesarchäologe Dr. Jorns zeigte  sehr viel Verständnis für die Anliegen der Laienhelfer und brachte frischen Wind in das muffig gewordene Biebricher Schloß
Da ich aufgrund meiner bisherigen Erfahrungen der Ankündigung des amtierenden Landesarchäologen, daß vor Beginn der Baumaßnahmen das Kastellgelände "unbedingt" untersucht werden müsse, aufgrund meiner frustierenden Erfahrungen ziemliches Mißtrauen entgegenbrachte, verließ ich mich lieber auf meine bewährten Mitstreiter. Die meisten stellten sich  wieder zur Verfügung, als in der Presse Anfang März 1973 darauf hingewiesen wurde, daß die Rettungsgrabungen auf dem Kastellgelände in Heldenbergen wiederaufgenommen werden sollen. Trotz der zuvor erfolgten Absage richtete ich am 13. März 1973 erneut ein Schreiben an das hessische Kultursminsterium mit der Bitte um finanzielle Unterstützung. In seinem kurzen Antwortschreiben teilte Dr. Hoffmann am 20. März 1973 mit, daß er erst die Stellungnahme des Landesarchäologen abwarten müsse, ehe er die Angelegenheit weiter verfolgen könne. 

Am 27. März 1973 meldete sich Dr. Jorns telefonisch bei mir und ließ sich über die Situation auf dem Kastellgelände informieren. Wir vereinbarten ein Treffen, das am 29. März 1973 in meinem Haus stattfand. Das Gespräch dauerte etwa anderthalb Stunden und der kommissarische Landesarchäologe bekräftigte mich in meinem Vorhaben, eine archäologische Arbeitsgemeinschaft zu gründen. Anschließend fand eine Besichtigung des Grabungsgeländes statt. Auch Dr. Jorns zeigte sich von der Fülle der geborgenen Artefakte beeindruckt und übte offene Kritik am Verhalten seines Vorgängers. Darüber berichtete der Hanauer Anzeiger unter der Überschrift "Werden nun Ausgrabungen "von oben" unterstützt?" in seiner Ausgabe vom 7. April 1973: "Der Wissenschaftler bedauerte, daß kein rechtzeitiger Einspruch der Bodendenkmalpflege gegen die beabsichtigte Baumaßnahme erfolgte, und versprach, alles in seinen Kräften stehende zu unternehmen, um eine wissenschaftlich fundierte Untersuchung zu veranlassen, soweit dies die geschaffenen Fakten noch zuließen." 

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Blick auf das Grabungsgelände im Spätsommer 1972. Im Hintergrund die Kastanienbaumgruppe mit der "Heiligen Maria" und die stillgelegte Tankstelle auf der anderen Seite der B 45
Obwohl ich diese Botschaft gerne vernahm, fehlte mir zunächst der rechte Glaube. Doch offenbar hatte sich in den Amtsstuben aufgrund des unvermindert großen Interesses der Öffentlichkeit an dieser Rettungsgrabung die Erkenntnis durchgesetzt, daß man, um das Gesicht zu wahren, den Amateuren nicht weiterhin das Feld allein überlassen dürfe. Der sehr aktive kommissarische Landesarchäologe handelte sehr schnell und am 16. April 1973 notierte ich in meinem seit 24. Juli 1972 geführten Tagebuch: "Anruf Dr. Jorns. Hat Forschungsbeirat um Mittel gebeten. Landrat Woythal wurde um Unterstützung gebeten. Während meines Urlaubs soll hauptamtliche Aufsicht auf dem Kastellgelände die Arbeiten überwachen." Beim Hanauer Landrat rannte Dr. Jorns offene Türen ein, denn Martin Woythal hatte auf meinen Wunsch hin bereits Anfang August 1972 die Schirmherrschaft über diese Laien-Ausgrabung übernommen und sie mit Finanzmitteln unterstützt Auch sein Amtsnachfolger Hans Rüger und vor allem der Erste Kreisbeigeordnete Dr. Schönfelder zeigten großes Interesse an den Arbeiten der Laien-Ausgräber in Heldenbergen, deren ehrenamtliches Engagement sie bei verschiedenen Anlässen lobten. 

Erfreulicherweise brachte Dr. Jorns frischen Wind in das Biebricher Schloß. Mein jahrelanger Kampf um eine wissenschaftlich fundierte Ausgrabung auf dem römischen Platz Heldenbergen schien sich doch gelohnt zu haben, auch wenn aufgrund der geschaffenen Fakten zu dieser Zeit eine großflächige Untersuchung kaum noch möglich schien. Mit Genugtuung nahm ich zur Kenntnis, daß das Land Hessen nunmehr Mittel in Höhe von DM 50 000 für eine  wissenschaftliche Untersuchung zur Verfügung gestellt hatte. Anfang Jubi 1973 begann der Archäologe Dr. Gerd Rupprecht von der Frankfurter Universität, nach eingehender Rücksprache mit mir, eine auf drei Monate begrenzte wissenschaftlich fundierte Grabungskampagne. Mir war damit die schwere Last der Verantwortung von den Schultern genommen, doch die meisten Probleme blieben ungelöst und ich war weiterhin gefordert. Dann verkündete mir Dr. Jorns die Hiobsbotschaft, daß  die Hessische Landesregierung nur die Hälfte der ursprünglich zugesagten 50000 Mark für die gerade begonnene wissenschaftliche Untersuchung bereitstellen wolle. Sofort protestierte ich beim hessischen Kultusminister gegen die beabsichtigte Streichung der angesichts der zu bewältigenden Aufgaben ohnehin dürftigen Mittel und kündigte eine erneute Öffentlichkeitskampagne an. 

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Vizelandrat Dr. Schönfelder (mitte) zeigte großes Interesse an den Ausgrabungen. Der bekannte Journalist Gerd Lobin war ein eifriger Helfer und seine zahlreichen  in der FAZ veröffentlichten Berichte verrieten große Sachkenntnis. Emmy Hohmann wurde als "guter Geist" der Ausgrabung bezeichnet. Der von ihr zuhau se zubereitete und in Thermokannen abgefüllte Tee fand stets dankbare Abnehmer
Der Landesarchäologe gab daraufhin sofort die von Dr. Hoffmann erbetene Stellungnahme ab, in der alle Aspekte des Projekts eingehend erläutert wurden. Die Rolle der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern stellte er folgendermaßen dar: "Die von R. Hohmann eingeleitete Rettungsaktion Heldenbergen ist im Einvernehmen mit Professor Dr. H. Schoppa, dem bis Ende 1972 amtierenden Landesarchäologen, und Kreispfleger Dr. K. Dielmann im Sommer 1972 angelaufem. Die von R. Hohmann geleitete Gruppe von Laienhelfern konnte zur Lösung des obengenannten Problems nur insoweit einen Beitrag liefern, als die dabei geborgenen Altertümer einem groben Raster nicht unähnlich auf die unterschiedliche Zeitstellung der einzelnen Anlagen hinweisen können. In Einzelfällen dürften sogar planmässige Flächenabdeckungen aus diesen Ergebnissen abgeleitet werden." 

Dazu ist anzumerken, daß sowohl Dr. Rupprecht als auch später Dr. Czysz ihre ersten Grabungsflächen, aufbauend auf die Ergebnisse der vorangegangenen Notbergungen und nach eingehendem Studium meiner Notizen und Situationszeichnungen, anlegten. Sie konnten dadurch sofort Befunde sichern und ihre weiteren Untersuchungen danach sinnvoll planen. Dr. Jorns weist in seiner Stellungnahme darauf hin, daß die begonnene dreimonatige Untersuchung nur die wissenschaftliche Probleme anreißen könne und führt dann aus: "Der Forschung können Aktionen wie im gegenwärtigen Sommer Signale setzen, die dann von anderen Gremien wie sonderlich der Deutschen Forschungsgemeinschaft zu beachten sind. 

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat dann nach Bekanntgabe der wissenschaftlichen Ergebnisse weitere Förderungsmaßnahmen auf Antrag zu beschließen." An anderer Stelle heißt es: "Neben der staatlichen Exekutive und den durch Beihilfen der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Untersuchung sollten aber auch die Beiträge Dritter das breite Interesse aller Bürger verdeutlichen. In diesem Sinne sind die Aktionen des Herrn Hohmann zu verstehen. Er hat seine Mitbürger auf die Gefährdung dieses Geländes durch Bebauung aufmerksam gemacht. Die von ihm initiierten Spenden können der wissenschaftlichen Untersuchung förderlich sein und eine rasche Dokumentation begünstigen."


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