Das reizvolle Städtchen Windecken
am nördlichen Rand des Landkreises Hanau hat die 650. Wiederkehr des
Tages, an dem der Ort einst durch in Basel ausgestellte königliche
Urkunde vom 5. August 1288 "dieselben Freiheitsrechte, deren sich Unsere
Bürgerschaft Frankfurt erfreut," und ein Wochenmarkt dazu bewilligt
worden waren, in glanzvollen Jubiläumstagen gefeiert.
Am Sonnabendnachmittag wurde mit einer festlichen Ratssitzung,
in der Bürgermeister Muth auf die geschichtliche Bedeutung des Tages
der Verleihung der Stadtrechte für Windecken hinwies und zugleich
festgelegt wurde, daß künftig weiterhin am Jahrestage der Verleihung
eine Ratssitzung stattfinden soll, die Festveranstaltung eröffnet.
Wenig später rückte auf dem mit Fahnen und Girlanden reich geschmückten
Marktplatz die Stadtwache in alten Uniformen an, die während des Verlaufes
der drei Festtage vor dem Rathaus und an den historischen drei Stadttoren
ihren Dienst versah. In der Schule fand die Eröffnung einer überaus
sehenswerten Heimatausstellung statt, die eine ausgewählte Menge Ausgrabungsschätze
aus vorgeschichtlicher bis in die Römerzeit enthält und in ihren
weiteren Abteilungen Zeugnisse der Entwicklungsgeschichte des Gemeinwesens
bis in die jüngste Zeit aufweist.
Nach einem durch die ganze Stadt führenden Fackelzug
in den Abendstunden wurde schließlich auch der Volksfestplatz eröffnet,
auf dem sich alsbald reges Leben und Treiben entwicklte. Im Festzelt fand
unter starker Anteilnahme der Bevölkerung eine allgemeine Eröffnungsfeier
statt, bei der der Bürgermeister in einem Rückblik die Geschichte
Windeckens darstellte. Landrat und Polkizeidirektor Löser übermittelte
hier die Grüße des Kreisleiters und des Regierungspräsidenten
und sprach der einzigen im Landkreis Hanau gelegenen Stadt, der er zugleich
ein großes Führerbildnis als Jubiläumsgabe überreichte,
seine Wünsche für die weitere Entwicklung aus.
Am Sonntag als dem Hauptfesttag war Windecken schon von
den Vormittagsstunden ab der Treffpunkt tausender Männer und Frauen
aus der ganzen Umgebung. Nach einer Totengedenkfeier auf dem Friedhof und
der Kranzniederlegung am Ehrenmal fand für die heute außerhalb
der Heimatstadt ansässigen und zum Fest gekommenen Windecker in der
"Hochmühle" eine besondere Feierstunde statt.
Bei herrlichem Sommerwetter setzte sich bald nach Mittag
der reich gestaltete Festzug durch die Straßen der Stadt in Bewegung. |
Auf der Ehrentribüne hatte
sich inzwischen Kreisleiter Else zur Teilnahme an der Festveranstaltung
eingefunden und mit ihm neben Männern der Kreisleitung die Vertreter
staatlicher Behörden. In einstündigem Zuge führte Windecken
seinen nach tausenden zählenden Gästen, die dichtgedrängt
die Feststraßen umsäumten, sein Leben in Vergangenheit und Gegenwart
vor. Eine Fülle prächtig gelungener Gruppen war in liebevoller
Weise zusammengestellt worden, und sie alle zusammen ergaben ein ebenso
freundliches wie eindrucksvolles Bild. Mit lebhaftem Beifall wurden die
einzelnen Gruppen empfangen und die starke Wirkung, die diese dargestellte
lebendige Heimatgeschichte hervorrief, findet ihre beste Bestätigung
darin, daß sich die Stadt Windecken entschließen mußte,
am gestrigen Nachmittag den Festzug vor wieder einer großen Menge
Fremder zu wiederholen. Am Anschluß an den Festzug, der sich vor
dem Festplatz auflöste, fand das Volksfest seinen Fortgang, das durch
den in den späteren Nachmittagsstunden zeitweise aufkommenden Regen
kaum beinflußt wurde.
Am gestrigen dritten Festtag pflanzte die Stadt auf der
Bleiche an Stelle der vor wenigen Wochen aus Sicherheitsgründen umgelegten
über dreihundertjährigen Linde und zum Gedenken an den jetzt
begangenen Jubiläumstag eine junge Linde, die in die Obhut des Gemeinwesens
kommenden Geschlechtern Zeugnis vom jetzigen Geschehen ablegen soll.
Der Montagnachmittag war im Anschluß an den wiederholten
Festzug der Windecker Jugend gewidmet, die mit Singspielen, Volkstänzen
und Wettspielen die Stunden verbrachte. Seinen Ausklang fand die Windecker
650=Jahrfeier am Montagabend mit einem gut gelungenen Feuerwerk, das durch
die während aller drei Tage durchgeführten Anstrahlung der650
Türme der alten Stadtmauer eine ansprechende Umrahmung erhalten hat.
Der schöne Verlauf der Windecker Festtage mit ihrem
für die kleine Stadt sonst wohl ungewohnten Verkehr hat in keiner
Weise irgendeine Störung erfahren. Die örtlichen Polizeibeamten
hatten wegen der Lage des Marktplatzes an den Hauptverkehrswegen durch
die Stadt auch viel zu tun, aber dank ihrer Umsicht konnte eine reibungslose
Abwicklung des Massenbetriebes erfolgen. Wir haben Windecken verlassen
in dem Bewußtsein, eine erfreuliche, gut vorbereitete unfd erfolgreich
durchgeführte Heimatveranstaltung erlebt zu haben, die dem Anlaß
des Festes würdig war.
Hanauer Stadtblatt
9. August 1938 |