Die ursprüngliche Anlage der
Burg ist noch deutlich an der Vorburg zu erkennen. Eines ist aus der alten,
dahingesunkenen Herrlichkeit geblieben, die herrliche Sicht vom alten Schloß
hinaus in die Ferne nach den Höhen des Taunus und über die gesegneten
Fluren der Heimat.
Die Kirche und ihre Umgebung verdienen besondere Beachtung.
Das Rathaus, ein stattlicher, spätgotischer Bau, um die Mitte des
15. Jahrhunderts erbaut, beherrscht den Marktplatz. An dem schönen
Erker befindet sich das Hanauer Wappen. Die Stadt führt noch heute
das alte Hanauer Schild im Siegel.
Windecken besitzt aus früherer Zeit noch eine große
Zahl schöner alter Holzhäuser. Leider sind viele durch Verputz
ihres ursprünglich schönen und malerischen Aussehens verlustig
gegangen, sie werden aber hoffentlich auf Grund eines Aufrufes des Bürgermeisters
bald wieder ihr früheres Aussehen bekommen. Die schmalen Nebengäßchen
und Winkel verdanken ihre Entstehung der Zeit, in der die Einwohner durch
die einengenden Mauern auf möglichst geringem Flächenraum zu
bauen gezwungen waren. Die Einwohnerzahl von Windecken wird am Ende des
16. Jahrhunderts auf 800 bis 900 geschätzt. Die während des Dreißigjährigen
Krieges wütende Pest forderte im Jahre 1625 insgesamt 52 Opfer; in
den folgenden Jahren setzte sich das Aussterben fort. Erst um das Jahr
1754 konnte sich das Städtchen durch starken Zuzug von außen
einigermaßen erholen. Im Jahre 1834 waren etwa 1400 Einwohner vorhanden.
Windecken hat im Dreißigjährigen Krieg viel
gelitten. 1645 lagen kaiserliche und bayerische Truppen über ein Vierteljahr
hier und raubten und plünderten. Im Jahe 1646 wurde die Stadt durch
ein schwedisches Regiment überfallen, wobei sie zum größten
Teil zerstört wurde.
An Industriezweigen ist in Windecken nur die Diamatschleiferei
vertreten. Die Gemarkung hat eine Flächengröße von rund
600 Hektar. Hieraus erklärt sich, daß nach dem Wegfall der hier
in früherer Zeit zahlreich vorhandenen Gewerbe ein großer Teil
der Bewohner auswärts, in der Hauptsache im Baugewerbe, tätig
war. So ist in der größeren Umgebung bekannt, daß die
Windecker Bauhandwerker sehr geschickt sind.
Eine Industrie aber hat das Städtchen einst gehabt,
die seinen Namen weit über die Grenzen bekannt machte, die so rühmlich
angesehene Glockengießerei der Familie Bach. Der Ahnherr der Windecker
Familie, Johann Peter Bach, wurde am 23. Februar 1722 als Sohn des Spritzenmachers
Johann Georg Bach zu Hungen in Oberhessen geboren und starb am 17. Dezember
1780. Er scheint um 1748 nach Windecken gekommen zu sein, wo er den Glockenguß
neben der Anfertigung von Feuerspritzen betrieb.
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Nach einem Vertrag von 1756 goß
er für das St. Peter-Stift zu Mainz ein größeres Geläute-die
schwerste Glocke wog wog sechzig Zentner - für den Preis von 9205
Gulden 20 Kreuzer = 15741 Reichsmark, das Pfund wurde ihm mit mit 32 Kreuzern
= 0.91 Reichsmark vergütet. Das Geläute gilt als das Schönste
in Mainz. Das kleine Gießhaus befand sich im Garten des Bach'schen
Anwesens im "Pflücksburger Hof". Das größere Gießhaus
befand sich vor dem Kilianstädter Tor. Ungefähr seit 1876 wurden
keine Glocken mehr gegossen. Der letzte Windecker Glockengießer,
der letzte der Hanauer Lande überhaupt, Philipp Heinrich Bach, starb
im Jahre 1906 in Fechenheim.
Zum Schluß sei noch des Wahrzeichens der Gegend
gedacht, des im Besitz der Stadtgemeinde Windecken befindlichen Wartbaums,
einer herrlichen Linde von über 20 Meter Höhe und gut 65 Meter
Kronenumfang. Von ihrem Standort aus hat man einen der schönsten Blicke
im ganzen Kreis.
Von hier aus hat 1636 der zum Entsatz des belagerten Hanaus
heranziehende Landgraf Wilhelm V. von Hessen den hartbedrängten Hanauern
durch Feuersignale Kunde von der nahenden Hilfe gegeben; in der Schlacht
bei Bergen von den Franzosen zurückgeschlagen, haben sich am Abend
des 13. April 1759 die Truppen Ferdinands von Braunschweig in seiner Nähe
versammelt; hier loderten Freudenfeuer auf in den Jahren 1814, 1863 und
1913 zur Erinnerung an den über Napoleon I. in der Völkerschlacht
bei Leipzig errungenen Sieg, und von hier aus nahm 1897 das große
Kaisermanöver seinen eigentlichn Anfang, das erste, in dem süddeutsche
und norddeutsche Truppen, Bayern, Hessen und Preußen, Proben ihrer
Leistungsfähigkeit und Kriegstüchtigkeit ablegten. In neuerer
Zeit ist der Wartbaum der Platz, an dem die Oster=und Sonnenwendfeuer abgebrannt
werden.
Manches hat Windecken im Laufe einer mehr als tausendjährigen
Geschichte gesehen. Möge das alte Windecken, das so vieles schon erlebte,
Aufstieg und Niedergang, in diesem und den kommenden Jahrhunderten nur
Gutes sehen; möge eine tüchtige Bürgerschaft mit ernstem,
deutschen Wesen im Sinne unseres großen Führers bauen und schaffen
zu ihrer Heimat wohl.
Hanauer Stadtblatt
24. und 25. November 1937 |