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Die Wetterauer Brandgräber
War Georg Bausch ein Meisterfälscher?

Die Ausstellung im Historischen Rathaus Windecken
im Spiegel der Presse


Wetterauer Zeitung
Donnerstag, 7. August 2003


War Georg Bausch ein Meisterfälscher?
Ausstellung des Geschichtsvereins Windecken im historischen Rathaus will
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Nidderau(dit) - Verzierte Bruchstücke von Gefäßen liegen im unteren Teil der Glasvitrine. Die Relikte wurden aus dem Abraum geborgen, der 1993 bei der Flächengrabung des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen auf einem bandkeramischen Siedlungsplatz im Baugebiet "Allee Süd" in der Gemarkung Windecken anfiel. Im oberen Teil des Schaukastens befinden sich fünf Kieselsteinketten. Die einzelnen, mit Linien- und Punktmustern versehenen Glieder sind millimeterfein durchbohrt und werden durch Fasern zusammengehalten. Die Herkunft dieser und ähnlicher Schmuckstücke, die der Windecker Brunnenbauer Georg Bausch vorwiegend in den Jahren 1907 und 1908 in von ihm entdeckten Brandgräbern um Butterstadt und Marköbel gefunden hat, ist unklar.

Mit dem möglichen Ursprung der Begräbnisstätten und Beigaben, die um 5000 vor Christus entstanden sein sollen, haben sich Archäologen und interessierte Amateure befasst. Profesessor Georg Wolff (1845-1929), der als Streckenkommissar der Reichslimeskommission tätig war und Georg Bausch als Helfer eingesetzt hatte, vermerkte die Funde in seinen Aufzeichnungen. 1958 äußerte Dr. Gudrun Loewe in einer Publikation die Vermutung, dass es sich sowohl bei den Brandgräbern, als auch bei dem Zubehör um Fälschungen handeln könnte.

Zahlreiche Interessierte

Derzeit setzt sich der Geschichtsverein Windecken unter dem Vorsitz von Rolf Hohmann in der Ausstellung "Die Wetterauer Brandgräber - War Georg Bausch ein Meisterfälscher?" mit der Thematik auseinander. Zur Vernissage am Freitag konnte 2. Vorsitzender Bernd Hohmann zahlreiche Gäste in der Bücherei im Historischen Rathaus des Nidderauer Stadtteils begrüßen. Die 90-jährige, um Rehabilitation des Vaters bemühte Tochter von Georg Bausch, Maria Schäfer, sowie seine beiden Enkelinnen Charlotte Siebert und Maria Schmidt weilten ebenso unter den Besuchern wie Experten, dazu gehörte auch der ehemalige Bürgermeister von Heldenbergen, Bernd Reuter, sowie Kreisarchäologe Dr. Hans-Otto Schmitt von der Unteren Denkmalschutzbehörde des Main-Kinzig-Kreises. Das vernichtende Urteil von Loewe sei ohne jegliche Recherche aufgegriffen worden, kritisierte Hohmann in seiner Ansprache. "Die Fachliteratur stützte sich ungeprüft auf ihre These. Der längst verstorbene Georg Bausch war als Betrüger angeprangert. Dieser Vorwurf traf seine Nachfahren hart, denn er wird in den  Aufzeichnungen und Erinnerungen der Windecker Bürger stets als ehrlicher und braver Mann beschrieben." Auf Initiative von Maria Schmidt, die auch als Schirmherrin der Ausstellung fungierte, habe der Geschichtsverein Ermittlungen durchgeführt.

Jungsteinzeit in Wort und Bild

Auf zwei Etagen der von Heidi Neumeyer geleiteten Bibliothek werden die Ergebnisse präsentiert. Dem Besucher erschließt sich die Jungsteinzeit in Wort und Bild. Besonders viele Exponate befassen sich mit den "Wetterauer Brandgräbern" und den Schmuckketten. Zum Verständnis: Von Anatolien hat sich ab 6000 vor Christus die neolithische Lebensweise auf zwei Wegen und damit in zwei verschiedenen Traditionen über Europa ausgebreitet. Eine Kulturströmung ließ, entlang der Mittelmeerküste von Osten nach Westen vorrückend, zahlreiche Siedlungsgebiete in Italien, Südfrankreich und Spanien entstehen. Die andere, größere und einheitlichere Strömung breitete sich über Ungarn entlang der Donau nach Mitteleuropa aus. Diese Kultur wird nach ihrer charakteristischen Keramiktechnik "Bandkeramische Kultur" genannt und war zwischen 5500 und 4900 vor Christus vom Schwarzen Meer bis zum Atlantik verbreitet. "Siedlungsreste wurden nachgewiesen, die Entwicklung der Keramik ist gut erkennbar. Nach wie vor mangelt es jedoch an der Existenz von Grabstätten", so Dr. Hans-Otto Schmitt, der die Gräber im Main-Kinzig-Kreis für echt,  den Schmuck jedoch für unecht hält. Diese Form der Präzisionsarbeit ist nach seinem Dafürhalten mit steinzeitlichen Werkzeugen nicht durchführbar.

Bausch nicht der alleinige Fälscher

In Übereinstimmung mit Rolf Hohmann kommt er jedoch zu dem Schluss, daß Georg Bausch nicht der alleinige Fälscher gewesen sein kann. "Aufgrund meiner Recherchen kann ich sagen, dass der Zeitaufwand viel zu hoch gewesen wäre. Sowohl das Sammeln der Mainkiesel und Schieferplättchen als auch ihre Verzierung wäre zu langwierig gewesen, "betonte Hohmann nachdrücklich, der seine Ermittlungen fortsetzen wird. Ob die Löcher in den Gliedern mit modernen Stahlbohrern oder urtümlicher Gerätschaft gefertigt wurden, könnte nach seiner Aussage mittels einer vom Materialprüfungsamt in Darmstadt vorgenommen Spektralanalyse festgestellt werden. "Die Untersuchung einer Bohrung würde 300 Euro kosten", so Hohmann.

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