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Die Wetterauer Brandgräber
War Georg Bausch ein Meisterfälscher?

Die Ausstellung im Historischen Rathaus Windecken
im Spiegel der Presse


Frankfurter Rundschau
Mittwoch, 27. August 2003


Original oder Fälschung: die Steinzeit-Halsketten
Nur Georg Bausch fand einst die verzierten und gelochten Kiesel
Ausstellung des Windecker Geschichtsvereins
Von Detlef Sundermann

Der Funde von rund hundert Brandgräbern aus der Jungsteinzeit in den Äckern zwischen Butterstadt und Marköbel galten Anfang des 20. Jahrhunderts als Sensation. Doch ihr Entdecker Georg Bausch wurde 1958 als Fälscher bezeichnet. Der Nidderauer Amateurarchäologe Rolf Hohmann greift den bis heute ungeklärten Fall in einer Ausstellung in der Stadtbücherei auf.

Nidderau. Die Vitrinen zeigen wenig Spektakuläres: fünf Halsketten aus flachen, ovalen Kieselsteinen, die 1907 und 1908 auf dem "Tannenkopf" bei Butterstadt geborgen wurden. Ferner eine Reihe Scherben und Gefäße aus der Bandkeramikerzeit. Man fand sie in der Windecker Gemarkung. Auf zwölf Schautafeln gibt es Informationen über die bandkeramische Kultur. Doch was hier zu sehen ist, sorgte vor kanpp 90 Jahren für Furore in  der Archäologie. Und keine vier Jahrzehnte später für ein Debakel, das alle Fundstücke aus angeblichen Brandgräbern der Zeit um 5000 vor Christus aus den Ausstellungshallen in die Magazine der Museen in Frankfurt und Hanau verbannte. Den Anstoss gab 1958 die wissenschaftliche Arbeit der Prähistorikerin Gudrun Loewe. Sie trug den Titel "Zur Frage der Echtheit der jungsteinzeitlichen Wetterauer Brandgräber". Ausstellungs-Macher Rolf Hohmann ist auf diese Frau nicht gut zu sprechen. Die 1994 verstorbene Loewe demontiere das Werk des Frankfurter Geschichtsprofessors Georg Wolff und seines Grabungshelfers Georg Bausch. Die archäologische Nachwelt habe sich Loewes "an Objektivität mangelnde" Thesen mit dem "vernichtenden Urteil" ungeprüft zu eigen gemacht.

Der damalige Landesarchäologe Fritz-Rudolf Herrmann, klagt der Hobby-Historiker Hohmann, habe sich in diese "Phalanx" eingereiht, indem er in einer Fernsehdokumentation befand, "Bausch war mit Sicherheit einer der größten Fälscher in der Geschichte der Archäologie." Der Vorsitzende des Geschichtsvereins Windecken spricht von Rufmord. Hohmann: "Der "arme und kinderreiche Brunnenbauer" konnte sich gegen all diese Vorwürfe nicht mehr wehren, er starb 1932 im Alter von 66 Jahren. Der Archäologie-Professor Wolff wurde auf den Brunnenbauer aufmerksam, weil er im Lößboden der südlichen Wetterau reichlich Funde zu Tage förderte und bald als Mann mit einer "außergewöhnlichen Spürnase für prähistorische Siedlungsspuren" galt. Bausch verkaufte seine Schätze an Sammler und Museen. Das war damals legal. Als Wolffs Angestellter entdeckte Bausch zwischen 1907 und 1920 auf den Gemarkungen Butterstadt und Marköbel neolithische Brandgräber samt der besagten Kieselketten als mögliche Totenbeigaben. Beides war in der Wetterau zuvor nie bei Grabungen gefunden worden. Und kam nach der Pensonierung von Bausch anno 1920 nie mehr zu Tage.

Zwei Jahrzehnte später entbrannte zwischen den Archäologen die Diskussion über die Echtheit der Funde, vor allem um die Ketten, die über eine Vielzahl von Verzierungen in Form von Anbohrungen und akurat geritzten Linien auf den einzelnen Steinen verfügten. Fraglich ist bis heute, wie die präzis gebohrten Löcher im Durchmesser von einem Millimeter im Kiesel für den Faden entstanden sind. "Sehr kritisch" betrachtet der heutige Kreisarchäologe Hans-Otto Schmitt den Fall Bausch. Der FR sagt er, jungsteinzeitliche Siedlungsreste habe man in der Region "in ungezählter Zahl" gefunden - "aber wo sind die Gräber?" Eigenartig findet er die Kiesel-Ketten. Die kulturellen und handwerklichen Fähigkeiten der damaligen Menschen seien nicht zu unterschätzen. Doch es gebe keine vergleichbaren Stücke aus jener Zeit. Der Archäologe kann jedoch keinen Reim auf das Warum einer möglichen Fälschung machen."Niemand habe offenbar was verdient. Das ist das Mysteriöse an der Sache". So sieht es auch Rolf Hohmann, der die Ausstellung auf Initiative der Bausch-Nachkommen organisierte. Mit Feldgängen und Grabungen will er jetzt die Wahrheit an den Tag bringen. "Ich suche die Ecke ab, und wenn ich nur ein Kieselsteinchen mit Löchern finde, dann geht's aber rund", kündigt Hohmann an".

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