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Die Wetterauer Brandgräber
War Georg Bausch ein Meisterfälscher?
Die Ausstellung im Historischen Rathaus Windecken
im Spiegel der Presse
Frankfurter Neue Presse
Samstag, 9. August 2003
Die Rehabilitation des "Meisterfälschers"
Von Anne-Rose Dostalek
Nidderau. Vor fast hundert Jahren waren sie eine archäologische
Sensation: Kunstvoll ver- zierte Schmuckketten aus der Jungsteinzeit,
die in Grabstätten auf den Lößhöhen des
nördlichen Hanauer Kreisgebietes gefunden wurden. Fünfzig
Jahre später gerieten die Ketten aus Mainkiesel und
Schieferplättchen aus den "Wetterauer Brandgräbern" abermals
ins Rampenlicht der Öffentlichkeit. Sie wurden als gefälscht
gebrandmarkt und verschwanden aus den Vitrinen der Museen. Jetzt
würdigt der Nidderauer Geschichtsverein den
"Archäologiekrimi" mit einer Ausstellung.
Der Amateurarchäologe und Lokalhistoriker Rolf Hohmann ist in
mühevoller Kleinarbeit den Fälschungsvorwürfen
gegenüber dem Windecker Bürger Georg Bausch, der die Grab
stätten und Ketten gefunden hat, nachgegangen, worüber auch
die Frankfurter Neue Presse wiederholt berichtete. Seine
überraschenden Untersuchungsergebnisse sind in der Stadtbibliothek
zu sehen, betitelt mit der von der Schau verneinten Fragestellung: "Die
Wetterauer Brandgräber - War Georg Bausch ein
Meisterfälscher?"
Zum ersten Mal sind damit vor allem wieder fünf der Originalketten
mit den feinen Punkt- und Strichverzierungen in der Öffentlichkeit
zu sehen. Sie dienen Rolf Hohmann als Beweis dafür, dass Georg
Bausch nicht der Meisterfälscher sein könne. "Der gute Mann
und Vater von acht Kindern müsse ununterbrochen gebohrt und
gefräst haben, um die hundert von ihm gefundenen Schmuckketten
herzustellen", erklärte Hohmann bei der
Ausstellungseröffnung. Für Hohmann ist nach dem jetzigen
Stand seiner Untersuchungen keineswegs ausgemacht, dass alle damals
gefundenen Steinketten und Brandgräber Fälschungen sind.
Eindeutig widerlegt haben will er auch, dass einzig und alleine der
einfache Vorarbeiter und Brunnen- bauer Georg Bausch der
künstlerisch begabte Meisterfälscher sei, der jahrelang
jungsteinzeitliche Schmuckketten hergestellt und in ebenfalls
gefälschte Brandgräber gelegt
habe.
Für die Enkel von Georg Bausch, auf deren Anregung hin Hohmann den
Fälschervorwurf überprüft hat, ist das eine
Rehabilitation ihres Opas. "Das ist das größte Geschenk, das
meine Mutter zu ihrem 90. Geburtstag erhalten hat", sagte Maria
Schmidt, die auch zur Ausstellungseröffnung gekommen war. In den
Erinnerungen der Familie und auch von Windecker Bürgern sei Georg
Bausch ein "einfacher ehrlicher Mann" gewesen, der als "Sherlock Holmes
der Wetterau" gegolten habe. Mit unglaublichem Spürsinn habe er
auf den Äckern Siedlungsplätze entdeckt und bei
Ausgrabungen Tonscherben geborgen.
Ein Ruf, den der 1866 geborene Bausch eigentlich auch bei
Wissenschaftlern hatte. Er wurde von Professor Georg Wolff, Mitglied
der "Römisch-Germanischen Kommission" zwischen 1907 und 1920 als
Vorarbeiter bei der Suche nach steinzeitlichen Siedlungsresten in den
Gemarkungen Butterstadt und Marköbel beschäftigt. Bausch war
es dann auch, der am "laufenden Band" die bis dahin seltenen
Begräbnisstätten entdeckte. Ein einziges Foto gibt es - auch
in der Ausstellung zu sehen - das einen Originalfund zeigt. In einer
flachen Mulde liegt Leichenbrand, durchsetzt mit Knochenresten.
Eingefasst wird dies von einer aus Kieselsteinen oder
Schieferplättchen gefertigten Halskette. Drumherum wurden
außerdem Gefäßbruchstücke, durchlochte
Schmuckanhänger und kleine Steinwerkzeuge gefunden.
Als "Wetterauer Brandgräber" wurden diese Funde, aus der
Bandkeramikzeit vor 5000 Jahren, berühmt. Einen nachhaltigen und
generellen Fälschungsvorwurf an den längst verstorbenen
Bausch richtete 1958 erstmals die Archäologin Gudrun Loewe.
"Rufmord" mit Folgen. Nun galt Bausch als Betrüger, die über
hundert Schmuckketten und Wetterauer Brandgräber als
Fälschungen. Detailliert dokumentiert Lokalhistoriker Hohmann die
Fundgschichte und verschiedene Stimmen zu dem Streitfall. Nachdenklich
macht vor allem, dass außer Bausch niemand Schmuckketten in
Brandgräbern gefunden hat. Ein Faktum, das auch den
Kreisarchäologen Dr. Otto Schmitt zu der Äußerung
bewegt, dass die Ketten wahrscheinlich gefälscht seien. Aber mit
Recht bestreitet jetzt Rolf Hohmann, dass Bausch alleine der Urheber
sein könne. Der engagierte Lokalhistoriker hält weitere
Untersuchungen für sinnvoll, um zu klären: Haben
Steinzeitmenschen die ein Millimeter kleinen Löcher gebohrt oder
waren da neuzeitliche Bohrer aus Diamant oder Stahl zugange. Doch,
für solch genaue Analyse fehle das Geld, bedauert Hohmann.
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