Nulla dies sine linea
Geschichtsverein Windecken 2000

 
Orte im Wandel
Aus der Festschrift zur 650 Jahr Feier der Stadt Windecken
Einleitung
Inhaltsverzeichnis
Geleitwort des Bürgermeisters
Geleitwort des Autors
Kapitel 1:
Von der Mitte des 9. bis zum Ende des 13. Jahrhunderts
Kapitel 2:
Die Bedeutung de Verleihung der Stadtrechte
Kapitel 3:
Die Burg und Burgmannen
Kapitel 4:
Stadtverfassung und Verwaltung
Kapitel 5:
Kirchen und Kapellen
Kapitel 6:
Die Einführung der Reformation
Kapitel 7:
Die Schulen
Kapitel 8:
Alte Stiftungen
Kapitel 9:
Im 30jährigen Krieg
Kapitel 10:
Ein Beitrag zur Familienkunde
Kapitel 11:
Die Pest
Kapitel 12:
Wirtschaftliches
Kapitel 13:
1800 bis zur Gegenwart
Kapitel 14:
Das Wartbäumchen

 
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Die Festschrift zur 650 Jahr Feier der Stadt Windecken

Aus Windeckens Vergangenheit

I. Windecken
von der Mitte des 9. bis Ende des 13. Jahrhunderts
Verleihung der Stadtrechte an Windecken

In einer um das Jahr 850 anzusetzenden urkundlichen Aufzeichnung wird Windecken zum ersten Male erwähnt. Danach hat ein gewisser Udalrich, wohl ein vermögender Edler, seine Güter in "Tezelenheim", Ostheim und Butenestat dem hl. Bonifatius, das ist dem Kloster Fulda, übergeben. Ungefähr 150 Jahre später erscheint in einem Zinsregister des Klosters Seligenstadt der Name "Decilenheim". Tezelenheim ist der ursprüngliche Name von Windecken, der später durch den heutigen verdrängt wurde.

In unserem landschaftlich zusammenhängenden Gebiet gibt es eine verhältnismäßig große Anzahl von Ortsnamen, die auf "heim" endigen; sie sind gemein-germanisch, und ihre Anwendung geschah vorwiegend in der Zeit der Völkerwanderung; sie finden sich weit und breit den Wanderungen der Sueben entsprechend von dem oberen Lauf des Rheins und seiner Seitentäler bis zu seiner Mündung, ja bis zur Donau und nach Böhmen - im Mittelalter noch "Böheim" genannt - hinein. Die Ortsbezeichnung "Dezelenheim" leitet sich wohl von dem Personennamen Tezelin her.

Aus den älteren Urkunden erfahren wir, daß Erwin von Cransberg, Burggraf zu Friedberg, unter anderen Gütern und Einkünften auch solche zu "Decelnheim" an das Kloster Schlüchtern gegeben habe; Abt Dietrich von Schlüchtern überläßt 1226 (?) dem Ritter Eberwin von Werheim und seiner Frau auf Lebenszeit gegen Zins Güter zu "Decelnheim"; 1234 überläßt Richwin und Wiegand von Guntershausen dem Kloster Haina auf Güter in "Decelnheim" und 1251 verkauft das Kloster Meerholz den Antonitern zu Roßdorf seine Güter zu Roßdorf und "Detzelheim". Im Jahre 1277 überläßt Gernand von Mörle dem Kloster Arnsburg seine Güter zu Wickstadt gegen andere Güter, darunter "ind Wunnecken" einige; hier tritt uns zum ersten Male urkundlich bezeugt die Ortsbezeichnung "Wunnecken" entgegen, aus der später "Windecken" wurde; die muß wohl schon einige Zeit neben der alten "Tezelenheim" gebräuchlich gewesen sein und findet sich dann auch in der Urkunde betr. Verleihung der Stadtgerechtsame vom 5. August 1288.

Nach einer am 18.Mai 1016 zu Mörfelden ausgestellten Urkunde schenkte Kaiser Heinrich II. der Bamberger Kirche sein Eigengut Ostheim in der Wetterau, in der Grafschaft Ottos gelegen, mit allen Zubehörungen, die genannt werden mögen, Wäldern, Weiden, Wiesen, Feldern, Gewässern, Weinbergen, den Hörigen beiderlei Geschlechts, Mühlen usw. Damals wird auch Windecken aus dem Besitz des Kaisers in den des Bischofs zu Bamberg übergegangen sein. Die Nichterwähnung Windeckens (Tezelnheims) in der Schenkungskurkunde erklärt sich wohl daraus, daß Ostheim damals das bedeutendere war und Windecken mit ihm verbunden. Das Filial Windecken folgte Ostheim nach. 1239 bekennt Heinrich von Hanau, daß ihm der Bischof von Bamberg seinen Besitz zu Stierstadt zu Lehen aufgetragen habe und dafür die bischöflichen Einkünfte in Ostheim und Windecken vier Jahre lang genießen solle. Im Jahre 1260 bezeugen Reinhard und Adelheid von Hanau, daß ihnen Bischof Berthold von Bamberg die Güter des Stifts zu Ostheim und Tezelnheim wiederlöslich verpfändet habe, ausgenommen das Kirchenlehen zu Ostheim. Zwei Jahre später, am 12. Dezember 1262, belehnte Bischof Berthold von Bamberg den Herren Reinhard von Hanau mit allen Stiftsgütern zu Ostheim und Windecken. Als Lehen vom Stift Bamberg gilt demnach Windecken Stadt und Burg samt Zubehör, d. h. dem Dinghof, dem Kirchplatz, der Gerechtigkeit aller Altäre und Gotteslehen. Der Lehnsbrief von 1401 nennt als Bamberger Lehen: "Die Burg und Stadt Wonneckin, das Dorf zu Ostheim mit allen ihren Zubehörungen". Die Lehensverhältnisse Bamberg-Windecken war man sich auch später noch bewußt: Als die Herrschaft Hanau 1502 in Windecken ein Landgericht begründete, trug sie Bedenken, ob man gut tue, als Sitz eines solchen einen von Bamberg lehensrührigen Ort zu wählen, und als die Linie der Grafen Hanau-Münzenberg ausgestorben war, wollte man offenbar von Bamberg aus weitergehende Lehnrechte an Windecken geltend machen, denn im Presbyterialprotokoll vom 2. Februar 1642 wird vermerkt, es seien von Bamberg Ploraten angeschlagen (Geschrei erhoben), die die staatlichen und kirchlichen Verhältnisse betreffen möchten; man hielt für nötig, die Sache durch Abgeordnete aus Hanau zu urgieren, darauf bei Zeiten zu gedenken, damit die Kirch im Esse (gegenwärtigen Zustand) bleiben möge.

In kirchlicher und politischer Beziehung waren Ostheim und Windecken lange
miteinander verbunden, und von unvordenklichen Zeiten her bis in die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts bildeten sie in bezug auf den Wald und einzelne Nutzungen eine Marktgenossenschaft.

Am 5. August 1288 bewilligte König Rudolf von Habsburg auf Bitten Ulrichs von Hanau dem Orte Windecken die Freiheiten Frankfurts und einen Wochenmarkt. Damit trat Windecken in den Kreis mittelalterlicher Städte, die sich von anderen Orten schon äußerlich durch eine Ringmauer unterschieden.

Die zu Basel ausgestellte Urkunde hat folgenden Wortlaut:

"Rudolfus dei gracia Romanorum rex sember augustus. Universis sacri imperii Romani fidelibus presentes litteras inspecturis, graciam suam et omne bonum. Dignum iudicat nostra serenitas, ut quos maiora nobis fidelitatis ac devocionis commendat obsequia, ampliora merenatur beneficencie et gracie munera reportare. Hinc est, quod nos attendentes merita nobilis viri Ulrici de Hanouwe fidelis nostri dilecti suisque precibus benignum prebentes assensum oppidum suum Wunecke libertamus atque eidem oppido auctoriatate nostra regia eadem libertatis iura concedimus, quibus civitas nostra Frankenvort gaudet et hactenus est gavisa. Insuper nos collocato pre oculis reipiblice bono statu in dicto oppido Wunecke septimanale forum singulis feriis quintis duximus edicendum, volentes et presenti edicto mandantes, quod omnes et singuli, qui ad dictum forum pro empcionis et vendicionis commercio exercendo confluxerint, cum personis et rebus veniendo, morando et revertendo nostra et imperii protectionecongaudeant et forensium privilegio libertatum. In cuius rei testimonium praesens scriptum exinde conscribi et maiestratis nostre sigillo iussimus communiri, Datum Basilee, nonas Augusti, indictione prima, anno domini MCCLXXX octavo, regni vero nostri anno quinto decimo."

Ins Deutsche übertragen lautet die Urkunde:

"Rudolf, von Gottes Gnaden Römischer König, allzeit Mehrer (des Reichs), entbietet allen Getreuen des heiligen Römischen Reiches, die diesen vorliegenden Brief einsehen, seine Gnade und alles Gute. Wir halten es günstig geneigt für geziemend, daß diejenigen fernere Gaben des Wohlwollens und der Gnade zu erlangen verdienen, die sich Uns durch größere Gehorsamsleistungen der Treue und Ergebenheit empfehlen. Daher berücksichtigen Wir die Verdienste des edlen Herrn Ulrich von Hanau, Unseres getreuen und geliebten, und begaben auf seine Bitten unter Gewährung Unserer wohlwollenden Zustimmung seine Stadt Wunecke mit Freiheiten, verliehen auch dieser Stadt kraft Unserer königlichen Autorität dieselben Freiheitsrechte, deren sich Unsere Bürgerschaft Frankfurt erfreut und bisher zu erfreuen hatte. Nachdem uns weiter der gute Stand des Gemeinwesens in der besagten Stadt Wunnecke vor Augen gestellt ist, haben Wir dafür gehalten, daß ein Wochenmarkt je an den fünften Wochentagen angeordnet werde, in dem Wir wollen und durch diese Verordnung befehlen, daß alle und jede, die zu dem besagten Markte zur Ausübung des Handels in Kauf und Verkauf zusammenkommen, für ihre Person und ihre Sachen beim Kommen, Verweilen und der Rückkehr sich Unseres und des Reiches Schutzes und des Privilegiums der Marktfreiheiten erfreuen. Zur Bestätigung dessen haben Wir diese Urkunde aufsetzen und mit Unserem Majestätssiegel versehen lassen. Gegeben zu Basel, an den Nonen des Augusts, in der ersten Indication im Jahre des Herrn 1288, dem 15. Jahre unseres Königtums.
 


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