Aus Windeckens Vergangenheit
I. Windecken
von der Mitte des 9. bis Ende des 13. Jahrhunderts
Verleihung der Stadtrechte an Windecken
In einer um das Jahr 850 anzusetzenden
urkundlichen Aufzeichnung wird Windecken zum ersten Male erwähnt.
Danach hat ein gewisser Udalrich, wohl ein vermögender Edler, seine
Güter in "Tezelenheim", Ostheim und Butenestat dem hl. Bonifatius,
das ist dem Kloster Fulda, übergeben. Ungefähr 150 Jahre später
erscheint in einem Zinsregister des Klosters Seligenstadt der Name "Decilenheim".
Tezelenheim ist der ursprüngliche Name von Windecken, der später
durch den heutigen verdrängt wurde.
In unserem landschaftlich zusammenhängenden Gebiet
gibt es eine verhältnismäßig große Anzahl von Ortsnamen,
die auf "heim" endigen; sie sind gemein-germanisch, und ihre Anwendung
geschah vorwiegend in der Zeit der Völkerwanderung; sie finden sich
weit und breit den Wanderungen der Sueben entsprechend von dem oberen Lauf
des Rheins und seiner Seitentäler bis zu seiner Mündung, ja bis
zur Donau und nach Böhmen - im Mittelalter noch "Böheim" genannt
- hinein. Die Ortsbezeichnung "Dezelenheim" leitet sich wohl von dem Personennamen
Tezelin her.
Aus den älteren Urkunden erfahren wir, daß
Erwin von Cransberg, Burggraf zu Friedberg, unter anderen Gütern und
Einkünften auch solche zu "Decelnheim" an das Kloster Schlüchtern
gegeben habe; Abt Dietrich von Schlüchtern überläßt
1226 (?) dem Ritter Eberwin von Werheim und seiner Frau auf Lebenszeit
gegen Zins Güter zu "Decelnheim"; 1234 überläßt Richwin
und Wiegand von Guntershausen dem Kloster Haina auf Güter in "Decelnheim"
und 1251 verkauft das Kloster Meerholz den Antonitern zu Roßdorf
seine Güter zu Roßdorf und "Detzelheim". Im Jahre 1277 überläßt
Gernand von Mörle dem Kloster Arnsburg seine Güter zu Wickstadt
gegen andere Güter, darunter "ind Wunnecken" einige; hier tritt uns
zum ersten Male urkundlich bezeugt die Ortsbezeichnung "Wunnecken" entgegen,
aus der später "Windecken" wurde; die muß wohl schon einige
Zeit neben der alten "Tezelenheim" gebräuchlich gewesen sein und findet
sich dann auch in der Urkunde betr. Verleihung der Stadtgerechtsame vom
5. August 1288.
Nach einer am 18.Mai 1016 zu Mörfelden ausgestellten
Urkunde schenkte Kaiser Heinrich II. der Bamberger Kirche sein Eigengut
Ostheim in der Wetterau, in der Grafschaft Ottos gelegen, mit allen Zubehörungen,
die genannt werden mögen, Wäldern, Weiden, Wiesen, Feldern, Gewässern,
Weinbergen, den Hörigen beiderlei Geschlechts, Mühlen usw. Damals
wird auch Windecken aus dem Besitz des Kaisers in den des Bischofs zu Bamberg
übergegangen sein. Die Nichterwähnung Windeckens (Tezelnheims)
in der Schenkungskurkunde erklärt sich wohl daraus, daß Ostheim
damals das bedeutendere war und Windecken mit ihm verbunden. Das Filial
Windecken folgte Ostheim nach. 1239 bekennt Heinrich von Hanau, daß
ihm der Bischof von Bamberg seinen Besitz zu Stierstadt zu Lehen aufgetragen
habe und dafür die bischöflichen Einkünfte in Ostheim und
Windecken vier Jahre lang genießen solle. Im Jahre 1260 bezeugen
Reinhard und Adelheid von Hanau, daß ihnen Bischof Berthold von Bamberg
die Güter des Stifts zu Ostheim und Tezelnheim wiederlöslich
verpfändet habe, ausgenommen das Kirchenlehen zu Ostheim. Zwei Jahre
später, am 12. Dezember 1262, belehnte Bischof Berthold von Bamberg
den Herren Reinhard von Hanau mit allen Stiftsgütern zu Ostheim und
Windecken. Als Lehen vom Stift Bamberg gilt demnach Windecken Stadt und
Burg samt Zubehör, d. h. dem Dinghof, dem Kirchplatz, der Gerechtigkeit
aller Altäre und Gotteslehen. Der Lehnsbrief von 1401 nennt als Bamberger
Lehen: "Die Burg und Stadt Wonneckin, das Dorf zu Ostheim mit allen ihren
Zubehörungen". Die Lehensverhältnisse Bamberg-Windecken war man
sich auch später noch bewußt: Als die Herrschaft Hanau 1502
in Windecken ein Landgericht begründete, trug sie Bedenken, ob man
gut tue, als Sitz eines solchen einen von Bamberg lehensrührigen Ort
zu wählen, und als die Linie der Grafen Hanau-Münzenberg ausgestorben
war, wollte man offenbar von Bamberg aus weitergehende Lehnrechte an Windecken
geltend machen, denn im Presbyterialprotokoll vom 2. Februar 1642 wird
vermerkt, es seien von Bamberg Ploraten angeschlagen (Geschrei erhoben),
die die staatlichen und kirchlichen Verhältnisse betreffen möchten;
man hielt für nötig, die Sache durch Abgeordnete aus Hanau zu
urgieren, darauf bei Zeiten zu gedenken, damit die Kirch im Esse (gegenwärtigen
Zustand) bleiben möge.
In kirchlicher und politischer Beziehung waren Ostheim
und Windecken lange
miteinander verbunden, und von unvordenklichen Zeiten
her bis in die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts bildeten sie in bezug
auf den Wald und einzelne Nutzungen eine Marktgenossenschaft.
Am 5. August 1288 bewilligte König Rudolf von Habsburg
auf Bitten Ulrichs von Hanau dem Orte Windecken die Freiheiten Frankfurts
und einen Wochenmarkt. Damit trat Windecken in den Kreis mittelalterlicher
Städte, die sich von anderen Orten schon äußerlich durch
eine Ringmauer unterschieden.
Die zu Basel ausgestellte Urkunde hat folgenden Wortlaut:
"Rudolfus dei gracia Romanorum rex sember augustus.
Universis sacri imperii Romani fidelibus presentes litteras inspecturis,
graciam suam et omne bonum. Dignum iudicat nostra serenitas, ut quos maiora
nobis fidelitatis ac devocionis commendat obsequia, ampliora merenatur
beneficencie et gracie munera reportare. Hinc est, quod nos attendentes
merita nobilis viri Ulrici de Hanouwe fidelis nostri dilecti suisque precibus
benignum prebentes assensum oppidum suum Wunecke libertamus atque eidem
oppido auctoriatate nostra regia eadem libertatis iura concedimus, quibus
civitas nostra Frankenvort gaudet et hactenus est gavisa. Insuper nos collocato
pre oculis reipiblice bono statu in dicto oppido Wunecke septimanale forum
singulis feriis quintis duximus edicendum, volentes et presenti edicto
mandantes, quod omnes et singuli, qui ad dictum forum pro empcionis et
vendicionis commercio exercendo confluxerint, cum personis et rebus veniendo,
morando et revertendo nostra et imperii protectionecongaudeant et forensium
privilegio libertatum. In cuius rei testimonium praesens scriptum exinde
conscribi et maiestratis nostre sigillo iussimus communiri, Datum Basilee,
nonas Augusti, indictione prima, anno domini MCCLXXX octavo, regni vero
nostri anno quinto decimo."
Ins Deutsche übertragen lautet die Urkunde:
"Rudolf, von Gottes Gnaden Römischer König,
allzeit Mehrer (des Reichs), entbietet allen Getreuen des heiligen Römischen
Reiches, die diesen vorliegenden Brief einsehen, seine Gnade und alles
Gute. Wir halten es günstig geneigt für geziemend, daß
diejenigen fernere Gaben des Wohlwollens und der Gnade zu erlangen verdienen,
die sich Uns durch größere Gehorsamsleistungen der Treue und
Ergebenheit empfehlen. Daher berücksichtigen Wir die Verdienste des
edlen Herrn Ulrich von Hanau, Unseres getreuen und geliebten, und begaben
auf seine Bitten unter Gewährung Unserer wohlwollenden Zustimmung
seine Stadt Wunecke mit Freiheiten, verliehen auch dieser Stadt kraft Unserer
königlichen Autorität dieselben Freiheitsrechte, deren sich Unsere
Bürgerschaft Frankfurt erfreut und bisher zu erfreuen hatte. Nachdem
uns weiter der gute Stand des Gemeinwesens in der besagten Stadt Wunnecke
vor Augen gestellt ist, haben Wir dafür gehalten, daß ein Wochenmarkt
je an den fünften Wochentagen angeordnet werde, in dem Wir wollen
und durch diese Verordnung befehlen, daß alle und jede, die zu dem
besagten Markte zur Ausübung des Handels in Kauf und Verkauf zusammenkommen,
für ihre Person und ihre Sachen beim Kommen, Verweilen und der Rückkehr
sich Unseres und des Reiches Schutzes und des Privilegiums der Marktfreiheiten
erfreuen. Zur Bestätigung dessen haben Wir diese Urkunde aufsetzen
und mit Unserem Majestätssiegel versehen lassen. Gegeben zu Basel,
an den Nonen des Augusts, in der ersten Indication im Jahre des Herrn 1288,
dem 15. Jahre unseres Königtums.
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