Nulla dies sine linea
Geschichtsverein Windecken 2000

 
Orte im Wandel
Aus der Festschrift zur 650 Jahr Feier der Stadt Windecken
Einleitung
Inhaltsverzeichnis
Geleitwort des Bürgermeisters
Geleitwort des Autors
Kapitel 1:
Von der Mitte des 9. bis zum Ende des 13. Jahrhunderts
Kapitel 2:
Die Bedeutung de Verleihung der Stadtrechte
Kapitel 3:
Die Burg und Burgmannen
Kapitel 4:
Stadtverfassung und Verwaltung
Kapitel 5:
Kirchen und Kapellen
Kapitel 6:
Die Einführung der Reformation
Kapitel 7:
Die Schulen
Kapitel 8:
Alte Stiftungen
Kapitel 9:
Im 30jährigen Krieg
Kapitel 10:
Ein Beitrag zur Familienkunde
Kapitel 11:
Die Pest
Kapitel 12:
Wirtschaftliches
Kapitel 13:
1800 bis zur Gegenwart
Kapitel 14:
Das Wartbäumchen

 
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Die Festschrift zur 650 Jahr Feier der Stadt Windecken

VI. Die Einführung der Reformation in Windecken

Verhältnismäßig spät, erst vom Jahre 1540 an, ist die Reformation in Windecken eingeführt worden. Die letzten bekannten katholischen Pfarrherren von Windecken waren Paulus Scheffer, dem die Herrschaft am 25. November 1536 die Pfarrei aufkündigte, und Konrad Kulman, Pastor zu Wachenbuchen, von dem der Schultheiß Peter Buches Ende November 1539 anzeigte, daß er nicht länger Pfarrverweser bei ihnen bleiben wolle, weil es jetztund zu Wachenbuchen an der Pestilenz sterben wolle; der Schultheiß bekam die Weisung, wenn er weiter nach Wachenbuchen wandern wolle, so soll er ihn heraus und nicht mehr gen Windecken hinein lassen. Ende Januar 1540 reichte das Stadtgericht "von eyner gantz gemein wegen" bei der vormundschaftlichen Regierung zu Hanau eine Vorstellung ein, in der es um die Anstellung eines evangelischen Pfarrers bat: "Dieweil uns armen Untersassen an einem Pfarrherren und Seelsorger mehr, denn an zeitlicher und vergänglicher Habe gelegen, so werden wir merklich verursacht, Eure Gnaden als Hanauischen Vormündern solche unsere anliegende Beschwernis in kurzem Vergriff anzuzeigen, ungezweifelter Hoffnung, Eurer Gnade werde uns mit einem Pfarrherrn zu Heil und zur Erhaltung der Seelen Heil aufs förderlichste, so das durch Euer Gnaden beschehen kann, verstehen, weil uns in solchen fährlichen und geschwinden Gezeiten zur Erhaltung gemeiner Polizei (=bürgerlicher Ordnung) und christlicher Ordnung eines gelehrten Pfarrherren, welcher das Evangelium lauter und klar predigt, höchlich von Nöten ist; wann wir einen Pfarrherrn heut und den anderen morgen haben, so gereicht das zum verderblichen Schaden der Pfarrgüter, so nicht erbauet, und also von Jahr zu Jahr durch mutwillige Verlassengheit verwüstet und ausgesogen werden, so dann Windecken allewege den Trost und Zuversicht hat, es sollte dergleichen wie Hanau mist christlicher Ordnung und gemeiner Polizei im gleichen Bekenntnis durch Euer Gnaden gehalten und geordnet werden; hierum ist unsere untertänige Bitte, Euer Gnaden wolle diesen obangezeigten unsern Gebreften, so der Seelen und gemeiner Jugends, so im Wort des Herren sollen erzogen werden, in Gnaden beherzigen, und uns mit einem gelehrten frommen Prediger versehen, und was wir ihm, um seiner treuen Lehre und Dienste zu tun schuldig sind, wollen wir uns gegen ihn williglich erzeigen." Nach dem Kanzleivermerk auf der Rückseite der Eingabe verhandelte die Herrschaft mit dem Pfarrherrn in Schlüchtern, "der sich erboten, die Pfarrei aller Gestalt anzunehmen und zu versehen mit Predigten und Sakramenten wie der Pfarrherr zu Hanau, aber Messe zu tun, sei wider sein Conscienz (Gewissen), und daß man die Priester zu Windecken die Messe und andere Ämter halten lasse, wie zu Hanau, und daß er nichts mit ihnen zu schaffen haben möchte", worauf ihm die Pfarrei mit ihren Einkommen zugesagt wurde.

Der neue Pfarrherr war Johann Widmann, über den Abt Petrus Lotichius von Schlüchtern später schrieb: "In diesem ersten Jahr (1534) kommt zu mir gen Schlüchtern eine unbekannte religiöse Person, Johannes Salicetus, aus dem Land zu Bayern gebürtig, war ziemlich gelehrt; diesen nahm ich auf in unser Kloster, weil er aus unseres Ordens Sancti Benedicti war, bestellte ihn ein Jahr als Kapellan zu dienen, dann setzte ich ihn zum Pfarrherrn gen Schlüchtern, und von diesem an wurden meine Sachen ein wenig besser. Wie er ist das sechste Jahr bei mir gewesen, nahm er ein Weib zu Schlüchtern, das war in der Zeit ungewöhnlich, darum mußte er weichen und kam nach Windecken, ward Pfarrherr daselbst und ist endlich da gestorben."

Leider wissen wir von Widmanns Amtsführung und Erfolgen so gut wie nichts. Für seine Bedeutung spricht indessen das Urteil dess Abtes Petrus Litichius, dem er auch mit Rat und Tat bei der Durchführung der Reformation in Schlüchtern beigestanden haben soll, und die Freundschaft des bekannten evangelischen Liederdichters Erasmus Alberus, der sich früher für ihn um eine Pfarrstelle in der Grafschaft Katzenellenbogen beworben und in einem sseiner Briefe Bezug auf seine Verheiratung genommen hat.

Nach Widmanns Amtsantritt ging in Windecken noch eine Zeitlang evangelischer und katholischer Gottesdienst nebeneinander her; wann letzterer ganz aufhörte, kann nicht angegeben werden. Die Einrichtung der Kirche im Inneren mit ihren alten Altären scheint im wesentlichen bis zum Ende des 16. Jahrhunderts fortbestanden zu haben. An die aus dem katholischen in den evangelischen Gottesdienst übernommene und da bis 1584/85 gebräuchliche Liturgie erinnern noch die auf Seite 2 bis 17 des ältesten, 1577 beginnenden, Kirchenbuches aufgezeichneten Antiphonen in lateinischer Sprache mit Noten nach dem Mainzer Ritual.

Einmal tritt uns Widmanns Name bedeutungsvoll entgegen, nämlich bei der Antwort der Hanauischen Prediger auf das sog. Augsburger Interim. Als Kaiser Karl V. nach der für die Evangelischen unglücklich verlaufenen Schlacht bei Mühlberg 1547 von diesen, wie überall im Reich, so auch im Hanauischen, die Anerkennung des Papstes, der Siebenzahl der Sakramente, die Verpflichtung zum Fasten, die Anrufung der Heiligen usw. verlangte, wurde dieses Ansinnen auch von einem großen Teil der Hanauischen Prediger zurückgewiesen; unter den Unterzeichnern des Protestes finden wir an zweiter Stelle, hinter Philipp Neunheller, dem Hanauer Reformator, unseren Johann Widmann, während seine Kollegen, der Erzpriester und Altarist Hartmann Rod und die beiden anderen Altaristen Johann Schreiber (+ 1552) und Konrad Eschbach, die auch zugleich Pfaffer zu Eichen und Bleichenbach waren, das Interim annahmen. Damit verschwindet der Reformator Windeckens für uns aus der Geschichte; aber das Letzte, was wir von ihm hören, ist ein entschiedenes Eintreten für das, was er als wahr erkannt und seiner Gemeinde verkündigt hatte; und wenn wir auch nur wenig von ihm wissen, das dürfen wir von ihm annehmen, daß seine Gemeinde in ihm erhalten, was sie gewünscht und begehrt, einen gelehrten Pfarrherrn, der das Evangelium lauter und klar predigte. Von seiner Hand ist noch ein Schreiben vom 18. Februar 1540 vorhanden; es befindet sich im Marburger Staatsarchiv. Der Reformator Windeckens hat es wenige Tage nach dem Antritt seines neuen Amtes verfaßt. Sein Nachfolger und Fortsetzer seines Werkes war der aus Friedberg stammende Magister Johann Rab (Corvinus), der am 17. September 1594 in einem Alter von 73 Jahren starb, nachdem er der Kirche zu Windecken 42 Jahre 7 Monate am Wort gedient hatte. Bei der Kirchenvisitation des Jahres 1562 gab er an, zu Mainz ordiniert zu sein; als er nach Windecken gekommen, sei er zu einem Diakonus angenommen, aber nachdem der Pfarrherr gestorben, sei er nun sieben Jahre allein und versehe beide Ämter. Johann Widmann wird demnach 1555 gestorben sein.

Aus der Zeit des Pfarrers Corvinus ist noch zu bemerken, daß am 24. und 25. April 1571 eine Synode sämtlicher Hanauischen Geistlichen in Windecken abgehalten wurde und daß am 21. Juli 1562 und am 13. Mai 1577 besondere Kirchenvisitationen hier stattfanden. 


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