Nulla dies sine linea
Geschichtsverein Windecken 2000

 
Orte im Wandel
Aus der Festschrift zur 650 Jahr Feier der Stadt Windecken
Einleitung
Inhaltsverzeichnis
Geleitwort des Bürgermeisters
Geleitwort des Autors
Kapitel 1:
Von der Mitte des 9. bis zum Ende des 13. Jahrhunderts
Kapitel 2:
Die Bedeutung de Verleihung der Stadtrechte
Kapitel 3:
Die Burg und Burgmannen
Kapitel 4:
Stadtverfassung und Verwaltung
Kapitel 5:
Kirchen und Kapellen
Kapitel 6:
Die Einführung der Reformation
Kapitel 7:
Die Schulen
Kapitel 8:
Alte Stiftungen
Kapitel 9:
Im 30jährigen Krieg
Kapitel 10:
Ein Beitrag zur Familienkunde
Kapitel 11:
Die Pest
Kapitel 12:
Wirtschaftliches
Kapitel 13:
1800 bis zur Gegenwart
Kapitel 14:
Das Wartbäumchen

 
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Die Festschrift zur 650 Jahr Feier der Stadt Windecken

XIII. Aus der Zeit von 1800 bis zur Gegenwart

Am 15. Mai 1803 hatte Landgraf Wilhelm IX. von Hessen den Titel eines Kurfürsten angenommen, zu einer Zeit, als diese Würde beim Hinsiechen des alten deutschen Reiches bedeutungslos geworden war; bald sollte da neue Kurfürstentum fremder Gewalt erliegen: Mit seinem Untergang am 1. November 1806 kam das Fürstentum Hanau unter französische Verwaltung und bildete von 1810 an ein Departement des Großherzugtums Frankfurt. Es war eine Zeit größter Bedrückung und Ausbeutung auch der Gemeinden. Ihr Ende fand die Fremdherrschaft durch die Schlacht bei Hanau und die Freiheitskriege. Nach der Schlacht hatte Windecken unter Plünderung eingedrungener Kosaken zu leiden und namentlich durch das auftretende Nervenfieber, in Wirklichkeit Lazarettfieber, das in den nächsten Monaten eine größere Anzahl von Einwohnern dahinraffte. An den Freiheitskriegen nahmen 48 Kämpfer teil, und zwar 20 aus der reformierten und 28 aus der lutherischen Gemeinde, deren Namen auf besonderen Tafeln in der Kirche verzeichnet sind.

Infolge der Kirchenvereinigung von 1818 traten die beiden evangelischen Gemeinden zu einer zusammen, die dann ihre Gottesdienste in der früher reformierten Kirche feierten; die nicht mehr gebrauchte lutherische wurde 1834 abgebrochen.

Die hessische Gemeindeverordnung 1834 bedeutete einen starken Schritt zur freieren Selbstverwaltung und verwischte den Unterschied zwischen Stadt und Land fast völlig, was indessen bei dem dörflichen Charakter der meisten kleinen hessischen Städte nicht so sehr ins Gewicht fiel. Der Ortsvorsteher erhielt den Titel Bürgermeister, der bisher die Bezeichnung für den Rechnungsführer war. Dem Bürgermeister trat zur Seite der Stadtrat.

1847 war ein Hungerjahr, ännlich dem von 1817; froh war, wer von einem Gange nach Hanau nur einen Laib Brot nach Hause brachte; der am 2. 12. 1847 verstorbene Niddermüller Johann Leonhard Christoph Ströbel hat damals durch Speisung Armer viel Gutes getan. Im Herbst gab es eine derart reiche Obsternte, daß der Zentner Äpfel für 24 Kreuzer = 69 Pfennig verkauft wurde. Das Jahr 1848 brachte auch nach Windecken mancherlei Unruhen, und um "den gegenwärtigen Reformbewegungen, wie sie Hanau's hochherzige Bewohner jetzt entwickeln, sich anzuschließen", erklärte sich der Stadtrat bereit, eine der Einwohnerzahl angemessene Zahl waffenfähiger Mannschaft zu stellen. Es kam aber nicht dazu. Abgesehen hiervon konnte sich Windecken weiterhin unter der  hessischen Regierung einer verhältnismäßig ruhigen Entwicklung erfreuen, bis es 1866 mit dem ganzen Kurhessen dem preußischen Staate einverleibt wurde.

Nach dem siegreichen Feldzug von 1870/71 gegen Frankreich, an dem 43 Krieger aus Windecken teilnahmen, von denen zwei blieben, besserten sich die wirtschaftlichen Verhältnisse merkbar, wozu weiterhin die Eröffnung der Bahnstrecke Hanau-Friedberg am 15. Oktober 1881 beitrug; an das allgemeine Bahnnetz ist Windecken ferner durch die Strecke Frankfurt-Stockheim angeschlossen. An dem Weltkrieg 1914/18 nahmen aus Windecken 393 Kämpfer teil, von denen 67 ihr Leben für das Vaterland ließen.

Es leuchtet ein, daß das wenige, was hier aus der Zeit seit Anfang des letzten Jahrhunderts gesagt werden konnte, uns keinen Einblick gestattet in das, was doch wichtig ist und nicht unberücksichtigt bleiben darf, das Leben der Einwohner in jener Zeit. Es war ein Jahrhundert der Mühen, der Sorgen und der schweren Arbeit. Wer von der jetzigen Generation weiß noch etwas davon,

wie schwer gerungen einst der Ahn'
auf mühevoller Lebensbahn ?

Die Zeit nach den Freiheitskriegen von 1813/1815 war infolge der vorhergegangenen Unruhen und Kriegswirren, der Ausbeutung und Unterdrückung durch fremde Gewaltherrscher eine Zeit der Armut und Not, von der man sich gewöhnlich keine rechte Vorstellung zu machen weiß und zu deren Überwindung alle Kräfte eingesetzt werden mußten. Da galt es, sich zu bescheiden und zu arbeiten; saure Wochen ohne Feste. Der Konfirmand war froh, wenn er am Tage der Einsegnung einen Weck bekam; Fleisch kam wenig, nur am Sonntag etwas vom Selbstgeschlachteten, auf den Tisch; und bis die Eisenbahn Erleichterung brachte, gingen die braven Bauhandwerker am Montag sehr früh zu Fuß nach Frankfurt, wo sie die Woche über sich aufhielten, um erst am Samstagabend wieder heimzukehren. "Als ich heiratete, hatte ich nichts als einen Stuhl; ich kaufte vorher noch in Ostheim einen für meine Frau", erzählt ein Arbeiter, der es durch Fleiß und Sparsamkeit zu einem Häuschen und Grundvermägen brachte, vorher aber nichts als zwei Hände und guten Willen hatte. Ehestandsdarlehen gab es damals nicht. Ein 1825 geborener Schreinermeister erzählte, daß er als junger Geselle für tägliche Arbeit vom Morgen bis Abend bei freier Kost und Wohnung einen Wochenlohn von 24 Kreuzern = 69 Pfennig erhalten habe. Die Hoffnung, in der Fremde ein besseres Auskommen zu finden, veranlaßte manchen zur Auswanderung; 1854 und 1855 zogen allein 35 Personen nach Amerika, was auch in der Folgezeit noch das Ziel so mancher blieb. Hörte man die Schilderung älterer Leute aus ihrer Jugendzeit, so konnte man Bewunderung denen nicht versagen, die unter ungünstigen Bedingungen in der Heimat den Kampf des Lebens in der Hoffnung auf Besserung der Verhältnisse aufnahmen und sich durchsetzten; ihr Vertrauen wurde nicht getäuscht. Eine Aufwärtsbewegung war nicht zu verkennen, die sich bis zum Weltkrieg in der Lebenshaltung, im Hausbau und Hausrat offenbarte.

Dann kam der Rückschlag infolge des unglücklichen Ausgangs des Weltkrieges, der ein im Felde unbesiegtes Volk, das über vier Jahre einer Welt von Feinden gegenüber standgehalten, bei erschöpfter Kraft zur Niederlegung der Waffen zwang. Es schien, als ob Deutschlands Schicksal für immer besiegelt sei, und es sollte auch so nach der Absicht der Feinde sein. Nur mit tiefster Trauer kann die deutsche Seele an das denken, was nun folgte. Zerrissenheit im Innern, Ohnmacht nach außen, stets wachsende Verarmung und Not auf allen Gebieten, unter volksfremdem Einfluß Abkehr von allem, was einst der Väter Stolz, Halt und Kraft war, kennzeichnen diesen traurigsten Abschnitt in der Geschichte unseres geplagten Volkes. Wer wollte, wer konnte dem stets abwärts rollenden Rad in die Speichen greifen und seinen alles zermalmenden Lauf aufhalten ? Wer noch deutsch war und fühlte, mußte mit Emanuel Geibel, dem deutschen Sänger aus Hanauer Blut, seufzen, sehenen und sagen: "Ein Mann ist not, ein Nibelungenenkel, daß er die Zeit, den tollgewordnen Renner, mit ehrner Faust beherrsch' und ehrnem Schenkel". Und der Mann kam, der Deutschland wieder lehrte, an sich selbst zu glauben und Heil in eigener Kraft zu suchen, der Führer unseres Volkes im Dritten Reich, Adolf Hitler ! Schien es nach dem Weltkrieg, als habe unser Vaterland nur eine Vergangenheit, heute glauben wir an seine Zukunft, und in unseren Tagen begrüßen wir die Rückkehr der Deutschen der Ostmark in das größere Deutschland, wieder hoffnungsvoll nach einer Zeit des Niedergangs und größten Leides 

Gedenke, daß du ein Deutscher bist !

 

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