XIII. Aus der Zeit von 1800 bis zur Gegenwart
Am 15. Mai 1803 hatte Landgraf Wilhelm
IX. von Hessen den Titel eines Kurfürsten angenommen, zu einer Zeit,
als diese Würde beim Hinsiechen des alten deutschen Reiches bedeutungslos
geworden war; bald sollte da neue Kurfürstentum fremder Gewalt erliegen:
Mit seinem Untergang am 1. November 1806 kam das Fürstentum Hanau
unter französische Verwaltung und bildete von 1810 an ein Departement
des Großherzugtums Frankfurt. Es war eine Zeit größter
Bedrückung und Ausbeutung auch der Gemeinden. Ihr Ende fand die Fremdherrschaft
durch die Schlacht bei Hanau und die Freiheitskriege. Nach der Schlacht
hatte Windecken unter Plünderung eingedrungener Kosaken zu leiden
und namentlich durch das auftretende Nervenfieber, in Wirklichkeit Lazarettfieber,
das in den nächsten Monaten eine größere Anzahl von Einwohnern
dahinraffte. An den Freiheitskriegen nahmen 48 Kämpfer teil, und zwar
20 aus der reformierten und 28 aus der lutherischen Gemeinde, deren Namen
auf besonderen Tafeln in der Kirche verzeichnet sind.
Infolge der Kirchenvereinigung von 1818 traten die beiden
evangelischen Gemeinden zu einer zusammen, die dann ihre Gottesdienste
in der früher reformierten Kirche feierten; die nicht mehr gebrauchte
lutherische wurde 1834 abgebrochen.
Die hessische Gemeindeverordnung 1834 bedeutete einen
starken Schritt zur freieren Selbstverwaltung und verwischte den Unterschied
zwischen Stadt und Land fast völlig, was indessen bei dem dörflichen
Charakter der meisten kleinen hessischen Städte nicht so sehr ins
Gewicht fiel. Der Ortsvorsteher erhielt den Titel Bürgermeister, der
bisher die Bezeichnung für den Rechnungsführer war. Dem Bürgermeister
trat zur Seite der Stadtrat.
1847 war ein Hungerjahr, ännlich dem von 1817; froh
war, wer von einem Gange nach Hanau nur einen Laib Brot nach Hause brachte;
der am 2. 12. 1847 verstorbene Niddermüller Johann Leonhard Christoph
Ströbel hat damals durch Speisung Armer viel Gutes getan. Im Herbst
gab es eine derart reiche Obsternte, daß der Zentner Äpfel für
24 Kreuzer = 69 Pfennig verkauft wurde. Das Jahr 1848 brachte auch nach
Windecken mancherlei Unruhen, und um "den gegenwärtigen Reformbewegungen,
wie sie Hanau's hochherzige Bewohner jetzt entwickeln, sich anzuschließen",
erklärte sich der Stadtrat bereit, eine der Einwohnerzahl angemessene
Zahl waffenfähiger Mannschaft zu stellen. Es kam aber nicht dazu.
Abgesehen hiervon konnte sich Windecken weiterhin unter der hessischen
Regierung einer verhältnismäßig ruhigen Entwicklung erfreuen,
bis es 1866 mit dem ganzen Kurhessen dem preußischen Staate einverleibt
wurde.
Nach dem siegreichen Feldzug von 1870/71 gegen Frankreich,
an dem 43 Krieger aus Windecken teilnahmen, von denen zwei blieben, besserten
sich die wirtschaftlichen Verhältnisse merkbar, wozu weiterhin die
Eröffnung der Bahnstrecke Hanau-Friedberg am 15. Oktober 1881 beitrug;
an das allgemeine Bahnnetz ist Windecken ferner durch die Strecke Frankfurt-Stockheim
angeschlossen. An dem Weltkrieg 1914/18 nahmen aus Windecken 393 Kämpfer
teil, von denen 67 ihr Leben für das Vaterland ließen.
Es leuchtet ein, daß das wenige, was hier aus der
Zeit seit Anfang des letzten Jahrhunderts gesagt werden konnte, uns keinen
Einblick gestattet in das, was doch wichtig ist und nicht unberücksichtigt
bleiben darf, das Leben der Einwohner in jener Zeit. Es war ein Jahrhundert
der Mühen, der Sorgen und der schweren Arbeit. Wer von der jetzigen
Generation weiß noch etwas davon,
wie schwer gerungen einst der Ahn'
auf mühevoller Lebensbahn ?
Die Zeit nach den Freiheitskriegen von 1813/1815 war infolge
der vorhergegangenen Unruhen und Kriegswirren, der Ausbeutung und Unterdrückung
durch fremde Gewaltherrscher eine Zeit der Armut und Not, von der man sich
gewöhnlich keine rechte Vorstellung zu machen weiß und zu deren
Überwindung alle Kräfte eingesetzt werden mußten. Da galt
es, sich zu bescheiden und zu arbeiten; saure Wochen ohne Feste. Der Konfirmand
war froh, wenn er am Tage der Einsegnung einen Weck bekam; Fleisch kam
wenig, nur am Sonntag etwas vom Selbstgeschlachteten, auf den Tisch; und
bis die Eisenbahn Erleichterung brachte, gingen die braven Bauhandwerker
am Montag sehr früh zu Fuß nach Frankfurt, wo sie die Woche
über sich aufhielten, um erst am Samstagabend wieder heimzukehren.
"Als ich heiratete, hatte ich nichts als einen Stuhl; ich kaufte vorher
noch in Ostheim einen für meine Frau", erzählt ein Arbeiter,
der es durch Fleiß und Sparsamkeit zu einem Häuschen und Grundvermägen
brachte, vorher aber nichts als zwei Hände und guten Willen hatte.
Ehestandsdarlehen gab es damals nicht. Ein 1825 geborener Schreinermeister
erzählte, daß er als junger Geselle für tägliche Arbeit
vom Morgen bis Abend bei freier Kost und Wohnung einen Wochenlohn von 24
Kreuzern = 69 Pfennig erhalten habe. Die Hoffnung, in der Fremde ein besseres
Auskommen zu finden, veranlaßte manchen zur Auswanderung; 1854 und
1855 zogen allein 35 Personen nach Amerika, was auch in der Folgezeit noch
das Ziel so mancher blieb. Hörte man die Schilderung älterer
Leute aus ihrer Jugendzeit, so konnte man Bewunderung denen nicht versagen,
die unter ungünstigen Bedingungen in der Heimat den Kampf des Lebens
in der Hoffnung auf Besserung der Verhältnisse aufnahmen und sich
durchsetzten; ihr Vertrauen wurde nicht getäuscht. Eine Aufwärtsbewegung
war nicht zu verkennen, die sich bis zum Weltkrieg in der Lebenshaltung,
im Hausbau und Hausrat offenbarte.
Dann kam der Rückschlag infolge des unglücklichen
Ausgangs des Weltkrieges, der ein im Felde unbesiegtes Volk, das über
vier Jahre einer Welt von Feinden gegenüber standgehalten, bei erschöpfter
Kraft zur Niederlegung der Waffen zwang. Es schien, als ob Deutschlands
Schicksal für immer besiegelt sei, und es sollte auch so nach der
Absicht der Feinde sein. Nur mit tiefster Trauer kann die deutsche Seele
an das denken, was nun folgte. Zerrissenheit im Innern, Ohnmacht nach außen,
stets wachsende Verarmung und Not auf allen Gebieten, unter volksfremdem
Einfluß Abkehr von allem, was einst der Väter Stolz, Halt und
Kraft war, kennzeichnen diesen traurigsten Abschnitt in der Geschichte
unseres geplagten Volkes. Wer wollte, wer konnte dem stets abwärts
rollenden Rad in die Speichen greifen und seinen alles zermalmenden Lauf
aufhalten ? Wer noch deutsch war und fühlte, mußte mit Emanuel
Geibel, dem deutschen Sänger aus Hanauer Blut, seufzen, sehenen und
sagen: "Ein Mann ist not, ein Nibelungenenkel, daß er die Zeit, den
tollgewordnen Renner, mit ehrner Faust beherrsch' und ehrnem Schenkel".
Und der Mann kam, der Deutschland wieder lehrte, an sich selbst zu glauben
und Heil in eigener Kraft zu suchen, der Führer unseres Volkes im
Dritten Reich, Adolf Hitler ! Schien es nach dem Weltkrieg, als habe unser
Vaterland nur eine Vergangenheit, heute glauben wir an seine Zukunft, und
in unseren Tagen begrüßen wir die Rückkehr der Deutschen
der Ostmark in das größere Deutschland, wieder hoffnungsvoll
nach einer Zeit des Niedergangs und größten Leides
Gedenke, daß du ein Deutscher bist !
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