Nulla dies sine linea
Geschichtsverein Windecken 2000

 
Orte im Wandel
Aus der Festschrift zur 650 Jahr Feier der Stadt Windecken
Einleitung
Inhaltsverzeichnis
Geleitwort des Bürgermeisters
Geleitwort des Autors
Kapitel 1:
Von der Mitte des 9. bis zum Ende des 13. Jahrhunderts
Kapitel 2:
Die Bedeutung de Verleihung der Stadtrechte
Kapitel 3:
Die Burg und Burgmannen
Kapitel 4:
Stadtverfassung und Verwaltung
Kapitel 5:
Kirchen und Kapellen
Kapitel 6:
Die Einführung der Reformation
Kapitel 7:
Die Schulen
Kapitel 8:
Alte Stiftungen
Kapitel 9:
Im 30jährigen Krieg
Kapitel 10:
Ein Beitrag zur Familienkunde
Kapitel 11:
Die Pest
Kapitel 12:
Wirtschaftliches
Kapitel 13:
1800 bis zur Gegenwart
Kapitel 14:
Das Wartbäumchen

 
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Die Festschrift zur 650 Jahr Feier der Stadt Windecken

IV. Stadtverfassung und Verwaltung
Stadtgericht und Landgericht zu Windecken

Über die älteste Stadtverfassung zu Windecken kann nur wenig gesagt werden; gegenüber dem Dorf hatte die Stadt als Körperschaft größere Unabhängigkeit in Gemeindeangelegenheiten und größeren Reichtum der Gemeindeeinrichtungen, besonders der Gemeindeorgane. Doch waren auch diese in der älteren Zeit noch ziemlich einfach.

An der Spitze der Stadtverwaltung stand der vom Landesherren ernannte Schultheiß, der wichtigste Exekutionsbeamte der Herrschaft. Manchmal wurden ihm noch besondere Dienstobliegenheiten anvertraut. 1562 "ist Bastian Wiegel von Herborn zu einem Schultheißen gent Windecken angenommen, inhalt seiner Bestallung auch die Rüstkammer, Harnisch und Wehr zu Hanau zu versehen". Dem Schultheiß zur Seite standen die Schöffen, die Bürgermeister und der Stadtschreiber. Die Herrschaft redete bei der Wahl der Schöffen mit. Ihr Amt war lebenslänglich. War einer aus ihrer Mitte gestorben, so suchten die übrigen und der Schultheiß etliche Personen, so sie tüchtig zur selben Ehr und Amt achteten, aus und schlugen diese der Herrschaft zur Auswahl und Bestätigung vor. Aus den Schöffen wurden die Bürgermeister, der ältere und jüngere, gewählt, deren Amt je nur ein oder zwei Jahre dauerte. Die Bürgermeister hatten die Rechnungen zu führen, die Bede- und Satzungslisten anzufertigen und darauf zu achten, daß diese Listen und die Zinsregister sich stets in guter Ordnung befanden, sowie überhaupt für richtige Einnahme und Ausgabe zu sorgen. Den Stadt- und Gerichtsschreiber ernannte die Herrschaft. Der Jahressold des Stadtschreibers war 1538 10 Gulden; um 1600 dagegen 17 Gulden, außerdem eine Reihe kleinerer Bezüge, die ungefähr gerade soviel ausmachten, und besondere Nutzungen. Schultheiß, Schöffen, worunter zwei Bürgermeister, und Stadtschreiber bildeten das Stadtgericht und den Rat der Stadt.

Des städtischen Dieners, des Stadtknechts, sei noch kurz gedacht. Er hatte sein Amt treulich zu versehen, es sei zu Tag oder Nacht, bei Auflauf oder Feuersbrunst, daß die Glocken geläutet und dei Tore zugehalten würden, und derzeit solches anzuzeigen. Er sollte die Gefangenen, sonderlich so um Leib oder Leben gefangen sitzen, zum besten verwahren, die Türen wohl zuzuschließen und niemand zu ihnen lassen. Er hatte das Rathaus selbst zu verwahren und auch die Wächter gute Acht zu haben, daß sie ihre Wacht halten, auch sollte er dabei sein, wenn die Tore auf- oder zugeschlossen würden; außerdem hatte er auf das ordentliche Verhalten der Einwohner zu achten.

Der städtische Haushalt erforderte in der älteren Zeit wenig; es waren zu entlohnen der Stadtschreiber, der Stadtknecht, die Pförtner an den drei Toren, Feldschützen und Nachtwächter, die außer geringen Bezügen noch Kleidung geliefert bekamen.

Zur Bestreitung des Haushalts war die Stadt auf sog. Ungeld angewiesen. Damit die Stadt sich an Leuten und anderen Sachen wohl bessern und desto besser davon in redlichem Bau, Besserung und Wesen gehaltenund mit der Wacht und sonst anderen Sachen versorgt und ausgerichtet werde, und auch die Bürger desto besser bei Nahrnung und Wesen bleiben möchten, gestattete Graf Reinhard 1445 den Bürgermeistern, Schöffen und der ganzen Gemeinde und ihren Nachkommen auf Widerruf, von jedem Achtel Korn oder Weizen, das in Windecken gemahlen, gebacken, gekauft oder verkauft würde, neun alte Heller zu erheben, und von Sommerfrüchten je die Hälfte, mit Ausnahme der nach Windecken geführten und daselbst gemahlenen Frucht. Außerdem sollen die Ackerleute nach Größe der bewirtschafteten Fläche Landes an die Stadt Steuern zahlen; Priester und in Windecken wohnende Edelleute sollten vom Dienst und Bede von ihren Gotteslehen und Gütern frei sein. Eine Ergänzung erfuhr diese Bestimmung in einer Urkunde des Grafen Philipp von 1453, wonach jeder geschworene Bürger zu Windecken alle seine Früchte, die er außerhalb Windeckens in einem Umkreis von zwei Meilen kaufe oder einnehme, nach Windeceken zu führen hatte, um sie daselbst und nirgendwo anders auszuschütten, auf daß der Stadt ihr Ungeld davon gefalle und werde; kann ein Bürger seine Frucht nicht nach Windecken führen, der möge sie verkaufen, doch daß der Stadt ihr Ungeld davon werde. Außderdem wurde noch über den Verkauf von Wein durch Bürger und Wirte und das hierfür zu zahlende Ungeld Bestimmung getroffen.

Zur Unterhaltung der Wege erhob die Stadt ein Wegegeld. Alss das Kloster Ilbenstadt sich 1537 darüber beschwerte, wurde ihm von Hanau der Bescheid, die Bürger zu Windecken hätten ein Weggeld, das jedermann zur Erhaltung der Wege geben müsse, es sei dann jemand davon befreit; wenn das Kloster diese Freiheit hätte und anzeige, wolle man sich der Gebühr vernehmen lassen, wo nicht, könne man seiner Bitte nicht stattgeben.

Wie in Abschnitt II ausgeführt, hängt mit der Marktgerechtigkeit die Gerichtsbarkeit zusammen. Die mittelalterliche Stadt bildete einen Gerichtsbezirk, im Gegensatz zur modernen Stadt, die nur Gemeinde ist. Nicht alle Bewohner der Stadt waren dem Stadtgericht unterworfen, sondern nur die Bürger, zu denen wohl die Kaufleute und die freien Handwerker gehörten, nicht aber die Geistlichen, die meist den Ministerialen (Dienstbaren) entnommenen Beamten des Stadtherren und die in der Stadt wohnenden Hörigen. Beim Stadtgericht waren nur am Orte selbst angesessene Personen die Urteilsfinder, die nach dem alten Herkommen und wenig Statuten ihren Spruch fällten, und die Angehörigen der Stadtgemeinde hatten an dem Stadtgericht ihren ausschließlichen Gerichtsstand und brauchten der Ladung an eine andere Dingstätte nicht zu folgen. Gegen die Urteile des Stadtgerichtes konnte beim Grafen (Landgericht) appelliert werden, und zwar innerhalb Monatsfrist. Schultheiß und und Schöffen bildeten das Stadtgericht, dem auch die Grenzbegehung der Gemarkung oblag. Nach den Gerichtssitzungen fanden in der Regel Schmausereien statt, wobei genau vorgeschrieben war, wieviel auf die Tafel zu kommen hatte.

Im Jahre 1502 wurde durch Graf Reinhard ein Landgericht zu Windecken eingerichtet, das dessen Ordnung folgendes mitgeteilt wird: Der Schultheiß zu Windecken soll als Richter den Stab in der Hand haben und das Gericht hegen von des gnädigen Herrn wegen, wie sichs gebührt und zu Hanau am Landgericht gehalten wird. In der Sommerzeit sollen die Schöffen vormittags von 8 Uhr, im Winter von 9 Uhr an sitzen. Alle vier Wochen soll ein Landgericht gehalten werden. Der Schultheiß zu Windecken soll mitsamt den 10 Landschöffen und ihrem Schreiber aan allen Gerichtstagen einen Imbiß im Wirtshaus haben; die Kosten werden aus den Butzen bezahlt, und wenn die am Gericht tätigen Personen wieder heimgehen, sollen sie einen ziemlichen Trunk, nämlich ein Viertel Wein haben und ohne weitere Zehrung damit abscheiden. Die erkannten Bußen sollen durch die Rechenmeister mit dem Keller und dem Schreiber verzeichnet werden; zwei Drittel sollen dem gnädigen Herren und ein Drittel dem Landgericht zustehen. Von jedem gefällten Urteil gebührt dem Landgericht ein Vierteil Weins. Alle Jahre sollen zwei Landschöffen zur Aufhebung und Verrechnung der Gerichtsfälle verordnet werden.

Das Landgericht übte das peinliche Gericht aus; seine Schöffen wurden aus allen oder wenigstens den meisten Orten des Gerichtsbezirks gewählt. Der Keller, Amtskeller, war der Rentmeister, dem die Aufsicht über das Staatseigentum und die Verwaltung der herrschaftlichen Einkünfte übertragen war.

Von "peinlichen Fällen", in denen es sich um Leib und Leben handelte, seien folgende erwähnt: 1582 stirbt im Gefängnis ein Weib von Nauheim, das in der Tortur böse Taten bekannt hatte, also der Zauberei angeklagt war; 1593 ist Anderssen Margreth im Gefängnis aufm Schloß (Hexenturm ?), darin sie getriebener und gestandener Zauberei wegen über 3 Wochen gelegen, am Morgen tot gefunden worden, ist auf der Herrn Rät Befehl nach 2 Tagen durch den Nachrichter hinaus bis zur Wart geführt und von ihm begraben worden, denn auch ohne das sie daselbst hin, nach kurzen Tagen, auf ergangene Erkenntnis hat sollen geführt werden und ihren verdienten Lohn empfangen. Unter der Warte ist sicher der Platz beim Wartbaum zu verstehen. Die letzte Hexenverbrennung zu Windecken fand am 16. Mai 1682 statt. 1593 wird Heinrich Meyh von Gelnhausen zu Köbel geköpft, obwohl er wegen eines Diebstahls von 270 Gulden gehenkt werden sollte; 1615 wird Ludwig Scheffer von Eichen wegen Diebstahls geköpft. Im Jahre 1681 wurde ein neuer Galgen errichtet.

Im Jahre 1603 sah sich Graf Philipp Ludwig II. veranlaßt, bei der Reformation der Gerichte des Amtes Windecken eine Taxe in Kriminalsachen festzusetzen, weil mit Zehrungen und anderen unnötigen Unkosten seltsam gehaust worden. Als 1617 sich Bürgermeister und Rat zu Windecken beschwerten, daß der Keller alle Stadt- und Landgerichtsbußen von 10 Gulden und mehr allein für die Herrschaft einnähme und verrechne, was wider das alte Herkommen sei, verfügte die Gräfin Catharina Belgia am 2. Mai 1617, daß es noch zur Zeit bei dem alten Herkommen verbleiben solle, damit die Gerichte um so viel mehr bei ihren Wesen erhalten werden möchten. Das Land- und Stadtgericht Windecken war 1642 zusammengesetzt aus Oberschultheiß, Schultheiß, Räten und Schöffen. Vom Jahre 1681 besteht eine Akte betr. Aufrichtung des Hochgerichts und dessen Kosten.

Die Verhandlungen des Stadt- und Landgerichts fanden auf dem Windecker Rathaus statt, das um die Mitte des 15. Jahrhunderts als herrschaftliches Gebäude, vielleicht an Stelle eines älteren, errichtet sein wird, früher im Unterstock offene Hallen besaß und sich namentlich durch seine schönen Erker auszeichnet. - Mit der steigenden landesherrlichen Gewalt und dem Vordringen neuer Rechtsformen verloren Stadt- und Landgericht allmählich ihre Bedeutung und Geltung.


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