Nulla dies sine linea
Geschichtsverein Windecken 2000

 
Orte im Wandel
Aus der Festschrift zur 650 Jahr Feier der Stadt Windecken
Einleitung
Inhaltsverzeichnis
Geleitwort des Bürgermeisters
Geleitwort des Autors
Kapitel 1:
Von der Mitte des 9. bis zum Ende des 13. Jahrhunderts
Kapitel 2:
Die Bedeutung de Verleihung der Stadtrechte
Kapitel 3:
Die Burg und Burgmannen
Kapitel 4:
Stadtverfassung und Verwaltung
Kapitel 5:
Kirchen und Kapellen
Kapitel 6:
Die Einführung der Reformation
Kapitel 7:
Die Schulen
Kapitel 8:
Alte Stiftungen
Kapitel 9:
Im 30jährigen Krieg
Kapitel 10:
Ein Beitrag zur Familienkunde
Kapitel 11:
Die Pest
Kapitel 12:
Wirtschaftliches
Kapitel 13:
1800 bis zur Gegenwart
Kapitel 14:
Das Wartbäumchen

 
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Die Festschrift zur 650 Jahr Feier der Stadt Windecken

XII. Wirtschaftliches. - Mühlen und Gasthäuser;
Handel und Gewerbe in Windecken;
Einwohnerzahl

Es ist leicht zu verstehen, daß die Verleihung der Stadtrechte und die damit verbundene Einrichtung der Wochenmärkte sich günstig für das wirtschaftliche Leben Windeckens auswirkten, wenn auch keine bestimmten Angaben darüber in der älteren Zeit gemacht werden können.

Zu den ältesten wirtschaftlichen Unternehmungen zählen die Niddermühle und die Hochmühle, früher die Mühle zum hohen Rad genannt. Beide können auf ein Alter von mindestens 500 Jahren zurückblicken; die Mühle vor der Heldenberger Pforte, nächst bei der Stadtmauer, ist schon 1413 urkundlich bezeugt und heute noch im Betrieb, während die Hochmühle schon ungefähr 40 Jahre als Mühle aufgegeben ist. 1645 war sie in Besitz des Dietrich Bassermann, des Stammvaters der bekannten Gelehrten und Künsterlfamilie Bassermann. Nach einer Urkunde von 1453 müssen mindestens zwei Gastwirtschaften zu Windecken gewesen sein, die auch auf Beherbergung eingerichtet waren. 1578 wird der Wirt "Zum Mohren" erwähnt, später der "Weiße Löwe", in dem wir heute wohl den "Goldenen Löwen" zu sehen haben, eines der ältesten und in seiner Anlage bedeutensten Häuser von Windecken. Viel Verkehr brachte es, wenn "Gerichte oder Markttag und das Landvolk zu Wonnecken" waren, wie 1453 gesagt wird. 

Die regelmäßig stattfindenden Märkte begünstigten das Aufkommen eines zahlreichen Handwerkerstandes. In dem Kirchenbuch finden wir bis in den Dreißigjährigen Krieg als Gewerbetreibende genannt: Schumacher, Schneider, Bäcker, Bender (Küfer), Bierbrauer, Taschenmacher, Säckler, Schreiner, Schmiede, Hosenstricker, Zimmerleute, Färber, Schnürmacher, Metzger, Fenstermacher,  Messerschmiede, Müller, Leineweber, Sattler, Rot- und Weißgerber, Rotgießer, Kannengießer, Steindecker, Dachdecker, Seiler, Maurer, Schwarzfärber, Buchbinder, Wagner, Teppichkrämer, Barbiere, Bader, Weißbinder und Schlosser. Alle diese Handwerker müssen auch für den Bedarf der Umgegegend gearbeitet haben und trugen so zur Hebung des Wohlstandes ihrer Gemeinde bei. Der Dreißigjährige Krieg bereitete der Fülle dieser Berufszweige ein Ende.

Ein Gewerbe verschaffte Windecken besonderen Ruf, die Glockengießerei seit der Mitte des 18. Jahrhunderts. Der erste Windecker Glockengießer war Johann Peter Bach, 1722 zu Hungen als Sohn des Spritzenmachers Johann Georg B. geboren; gestorben 1780; verheiratet mit Anna Katharina Spielmann von Windecken, geb. 1722, gestorben 1807. Es scheint 1748 nach Windecken gekommen zu sein, wo er den Glockenguß und die Anfertigung von Spritzen betrieb. Nach einem Vertrag von 1756 goß er für das St.-Peter-Stift zu Mainz ein größeres Geläute - die schwerste Glocke wog 60 Zentner - für den Preis von 9205 Gulden 20 Kreuzer = 15 800 RM.; das Pfund wurde ihm mit 32 Kreuzer = 91 Rpf. vergütet. Die Größe des Geläutes darf als Beweis seiner Leistungsfähigkeit angesehen werden. Das Geläute galt als das schönste in Mainz. Da er als Stück- und Glockengießer bezeichnet wird, scheint er auch Geschütze gegossen zu haben. Ein Sohn von ihm, war seit 1811 Repetent für Kriegswissenschaft an der Artillerie- und Genieschule in Kassel und starb 1827 als Major zu Ziegenhain. Die Familie B. weist eine Anzahl tüchtiger Persönlichkeiten auf. Philipp Heinrich Bach, geb. 26. 5. 1829, starb als letzter Glockengießer des Hanauer Landes am 6. 12. 1906 in Fechenheim bei seinem Sohne, Konrektor Heinrich Bach. - Von besonderen Gewerben seien genannt die bis vor ungefähr 100 Jahren betriebene Bierbrauerei, Ziegeleien und Färberei. Die Einwohnerschaft ist wesentlich auf die Landwirtschaft angewiesen; an den früher stark betriebenen Weinbau erinnert nur noch die Flurbezeichnung "Wingert", und der Tabakanbau ist auch seit ungefähr 100 Jahren abgekommen.

Die Einwohnerzahl Windeckens kann am Ende des 16. Jahrhundert auf ungefähr 800, höchstens 900 veranschlagt werden. Von dem Dahinschwinden der Bevölkerung durch Hunger, Krieg und Pest war schon die Rede. Es dauerte vom Ende des Dreißigjährigen Krieges an über 100 Jahre, bis sich das Städtlein, namentlich durch starken Zuzug von außen, einigermaßen erholt hatte; erst 1754 finden wir in 111 Gebäuden 872 Einwohner, von denen 89 Juden waren. 1834 zählte man 1306 evangelische, 2 katholische und 116 jüdische, zusammen 1424 Einwohner.  Bis zum Jahre 1875 trat keine Vermehrung der Einwohnerzahl ein; erst von da an ist ein leichtes Ansteigen zu verzeichnen. Es wurden an Einwohnern gezählt 1875:1433; 1880:1522; 1885:1481; 1890:1574; 1895:1600; 1900:1624; 1909:1715; 1914:1742; 1919:1702; die gegenwärtige Einwohnerzahl ist 2027.


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