XII. Wirtschaftliches. - Mühlen und Gasthäuser;
Handel und Gewerbe in Windecken;
Einwohnerzahl
Es ist leicht zu verstehen, daß
die Verleihung der Stadtrechte und die damit verbundene Einrichtung der
Wochenmärkte sich günstig für das wirtschaftliche Leben
Windeckens auswirkten, wenn auch keine bestimmten Angaben darüber
in der älteren Zeit gemacht werden können.
Zu den ältesten wirtschaftlichen Unternehmungen zählen
die Niddermühle und die Hochmühle, früher die Mühle
zum hohen Rad genannt. Beide können auf ein Alter von mindestens 500
Jahren zurückblicken; die Mühle vor der Heldenberger Pforte,
nächst bei der Stadtmauer, ist schon 1413 urkundlich bezeugt und heute
noch im Betrieb, während die Hochmühle schon ungefähr 40
Jahre als Mühle aufgegeben ist. 1645 war sie in Besitz des Dietrich
Bassermann, des Stammvaters der bekannten Gelehrten und Künsterlfamilie
Bassermann. Nach einer Urkunde von 1453 müssen mindestens zwei Gastwirtschaften
zu Windecken gewesen sein, die auch auf Beherbergung eingerichtet waren.
1578 wird der Wirt "Zum Mohren" erwähnt, später der "Weiße
Löwe", in dem wir heute wohl den "Goldenen Löwen" zu sehen haben,
eines der ältesten und in seiner Anlage bedeutensten Häuser von
Windecken. Viel Verkehr brachte es, wenn "Gerichte oder Markttag und das
Landvolk zu Wonnecken" waren, wie 1453 gesagt wird.
Die regelmäßig stattfindenden Märkte begünstigten
das Aufkommen eines zahlreichen Handwerkerstandes. In dem Kirchenbuch finden
wir bis in den Dreißigjährigen Krieg als Gewerbetreibende genannt:
Schumacher, Schneider, Bäcker, Bender (Küfer), Bierbrauer, Taschenmacher,
Säckler, Schreiner, Schmiede, Hosenstricker, Zimmerleute, Färber,
Schnürmacher, Metzger, Fenstermacher, Messerschmiede, Müller,
Leineweber, Sattler, Rot- und Weißgerber, Rotgießer, Kannengießer,
Steindecker, Dachdecker, Seiler, Maurer, Schwarzfärber, Buchbinder,
Wagner, Teppichkrämer, Barbiere, Bader, Weißbinder und Schlosser.
Alle diese Handwerker müssen auch für den Bedarf der Umgegegend
gearbeitet haben und trugen so zur Hebung des Wohlstandes ihrer Gemeinde
bei. Der Dreißigjährige Krieg bereitete der Fülle dieser
Berufszweige ein Ende.
Ein Gewerbe verschaffte Windecken besonderen Ruf, die
Glockengießerei seit der Mitte des 18. Jahrhunderts. Der erste Windecker
Glockengießer war Johann Peter Bach, 1722 zu Hungen als Sohn des
Spritzenmachers Johann Georg B. geboren; gestorben 1780; verheiratet mit
Anna Katharina Spielmann von Windecken, geb. 1722, gestorben 1807. Es scheint
1748 nach Windecken gekommen zu sein, wo er den Glockenguß und die
Anfertigung von Spritzen betrieb. Nach einem Vertrag von 1756 goß
er für das St.-Peter-Stift zu Mainz ein größeres Geläute
- die schwerste Glocke wog 60 Zentner - für den Preis von 9205 Gulden
20 Kreuzer = 15 800 RM.; das Pfund wurde ihm mit 32 Kreuzer = 91 Rpf. vergütet.
Die Größe des Geläutes darf als Beweis seiner Leistungsfähigkeit
angesehen werden. Das Geläute galt als das schönste in Mainz.
Da er als Stück- und Glockengießer bezeichnet wird, scheint
er auch Geschütze gegossen zu haben. Ein Sohn von ihm, war seit 1811
Repetent für Kriegswissenschaft an der Artillerie- und Genieschule
in Kassel und starb 1827 als Major zu Ziegenhain. Die Familie B. weist
eine Anzahl tüchtiger Persönlichkeiten auf. Philipp Heinrich
Bach, geb. 26. 5. 1829, starb als letzter Glockengießer des Hanauer
Landes am 6. 12. 1906 in Fechenheim bei seinem Sohne, Konrektor Heinrich
Bach. - Von besonderen Gewerben seien genannt die bis vor ungefähr
100 Jahren betriebene Bierbrauerei, Ziegeleien und Färberei. Die Einwohnerschaft
ist wesentlich auf die Landwirtschaft angewiesen; an den früher stark
betriebenen Weinbau erinnert nur noch die Flurbezeichnung "Wingert", und
der Tabakanbau ist auch seit ungefähr 100 Jahren abgekommen.
Die Einwohnerzahl Windeckens kann am Ende des 16. Jahrhundert
auf ungefähr 800, höchstens 900 veranschlagt werden. Von dem
Dahinschwinden der Bevölkerung durch Hunger, Krieg und Pest war schon
die Rede. Es dauerte vom Ende des Dreißigjährigen Krieges an
über 100 Jahre, bis sich das Städtlein, namentlich durch starken
Zuzug von außen, einigermaßen erholt hatte; erst 1754 finden
wir in 111 Gebäuden 872 Einwohner, von denen 89 Juden waren. 1834
zählte man 1306 evangelische, 2 katholische und 116 jüdische,
zusammen 1424 Einwohner. Bis zum Jahre 1875 trat keine Vermehrung
der Einwohnerzahl ein; erst von da an ist ein leichtes Ansteigen zu verzeichnen.
Es wurden an Einwohnern gezählt 1875:1433; 1880:1522; 1885:1481; 1890:1574;
1895:1600; 1900:1624; 1909:1715; 1914:1742; 1919:1702; die gegenwärtige
Einwohnerzahl ist 2027. |