V. Kirchen und Kapellen in Windcken; Friedhöfe
In kirchlicher Beziehung waren Ostheim
und Windecken bis zum Ausgang des 15. Jahrhunderts eng verbunden: Der Pfarrer
zu Ostheim war zugleich Pfarrer von Windecken, diev Kirche wird Kapelle
und die Geistlichen an ihr werden Kapläne genannt. Urkundlich tritt
uns die Kapelle in Windecken, als "neue Kapelle" bezeichnet, zum ersten
Male in Jahre 1282 entgegen. Sie steht da, wo ein uralter, sicher vorgschichtlicher
Verkehrsweg aus der nördlichen Wetterau nach em Übergang über
die Nidder sich teilte. Der Weg führte durch die Kirchgasse (Friedberger
Straße), über den jetzigen Marktplatz an dem Südhang des
Schloßbergs nach Ostheim und weiter; der andere nördlich von
der Kirche, an ihr vorüber, in der Richtung der Spitalgasse (vgl.Taf.VIII),
um weiterhin die Straße nach Kilianstädten oder den in grauer
Vorzeit schon benutzten "Bücherweg" (Weg nach Mittelbuchen) zu gewinnen.
Da man in alten Zeiten an solchen bedeutsamen Punkten gerne Heiligtümer
entstehen ließ, so hindert uns nichts, auch für diese Stelle
ein solches anzunehmen. Aus diesem Heiligtum sicher einfacher Art oder
an seiner Stelle wird dann die Kapelle entstanden sein, die von der 1282
zuerst erwähnten neuen Kapelle abgelöst wurde. Über deren
Erbauungszeit können Angaben nicht gemacht werden; vielleicht führte
sie, schon früher entstanden, die Bezeichnung "neue Kapelle" noch
eine Zeitlang weiter.
Ungefähr 200 Jahre blieb sie in ihrer Gestalt, bis
am Ende des 15. Jahrhunderts aus ihr hervorging oder an ihre Stelle ein
Umbau oder Neubau trat: eine auch für heutige Verhältnisse noch
sehr geräumige, mit hochaufragendem, bis zur Hälfte der Gesamthöhe
von 46 Meter in schwerem Mauerwerk aufgeführtem Turme versehene Kirche
spätgotischer Bauart. Die Steingewänder der Türen, das Maßwerk
der Fenster, das mit einer Ausnahme (auf der Vorderseite des Chors, Arbeit
von 1865) sich nicht wiederholt, und manche andere Einzelheiten weisen
uns auf das Ende des 15.Jahrhunderts als Erbauungszeit hin, auch ohne die
Jahreszahl 1495, die wir über dem Triumphbogen der Kirche auf der
dem Chore zugewandten Seite finden. Der Torso eines aus dem 13.Jahrhundert
stammenden Kruzifixus, der lange auf dem Kirchboden unbeachtet lag und
1895 in einer kleinen Nische neben dem Kanzelfuß angebracht ist,
redet allein von den Tagen der längst verschwundenen "neuen" Kapelle.
Der dem Pfarrhaus gegenüber liegende Eingang zur Kirche stammt aus
dem Jahre 1596, und dieüber der Türe zum südlichen Seitenschiff
eingehauene Jahreszahl 1700 gibt wohl nur die Anfertigungszeit der Türe
selbst an.
In der Kirche befanden sich verschiedene, Heiligen gewidmete,
Altäre. Ritter Applo von Eichen stattete 1325 den Altar des hl. Georg
und der hl. Katharina in der Kapelle zu Windecken mit Einkünften aus;
1358 ratifiziert Erzbischof Gerlach von Mainz die Stiftung, Aufrichtung
und Begabung des Altars der hl. Maria (unserer lieben Frauen) durch Ritter
Johann von Ostheim, und 1363 stattete dieser seinen Altar mit weiteren
Einkünften aus. Außer diesen Altären werden 1459 genannt
die der hl. Dreifaltigkeit (Trinitatis) und der schon 1363 erwähnte
des hl. Cyriacus, womit die Pfarrgefälle verbunden waren; später
die des hl. Kreuzes (Sanctae Crucis (1522) und des hl. Andreas. Die Einkünfte
dieser Altäre werden noch lange nach Einführung der Reformation
in den Windecker Präsenzrechnungen aufgeführt. Die Altäre
scheinen im wesentlichen fast bis zum Ende des 16.Jahrhunderts bestanden
zu haben; am 6. August 1596 schreibt Keller Paul Ludwig nach Hanau, es
sei bei der jetzigen Kirchenreformierung manches an innerer Einrichtung
der Kirche mit großen Kosten geändert worden; aus dem vor dem
Chor abgebrochenen Gegitter und aus den zwei Tafeln, "so uf dem hohen Altar
gestanden und daran die Passion gemahlet", könnten 20 Gulden gelöst
werden; die Nonnen zu Engeltal wollten sie kaufen. Aus jener Zeit der Kirchenreformierung
besitzt die Kirche noch einen in edlem Renaissancestil in Silber ausgeführten
feuervergoldeten Abendmahlskelch, der 1595 von Meister Jakob dem Goldschmied
zu Hanau angefertigt wurde und 15 Gulden 15 Schilling 2 Heller kostete.
Nachdem am 28. Oktober 1488 Bischof Heinrich zu Bamberg
bewilligt hatte, daß Graf Philipp zu Hanau das Schloss und die Stadt
Wonnecken, die vom Bistum Bamberg zu Lehen rührten, mit den Pfarrechten
von der Pfarrkirche zu Ostheim, worüber auch die Gerechtigkeit der
Präsentation zum bemeldeten Stifte gehöre, scheiden und absondern
und auf dem Altar des hl. Cyriacus der Kirche zu Wonnecken tragen, ferieren
und aufrichten möge, erhob sie Erzbischof Bertold von Mainz zu einer
selbstständigen Pfarrkirche. In der Urkunde vom 5. Dezember 1489 heißt
es: "Kraft unserer Befugnis als Ordinarius (zuständiger Bischof) scheiden
wir die Tochterkirche in Windecken von der Mutterkirche in Ostheim, lösen
und sondern sie ab und erheben, bestimmen und machen sie nach der uns zustehenden
bischöflichen Befugnis zu einer Pfarrkirche, indem wir besagter Kirche
verleihen und zugestehen im gesamten und einzelnen die Sacramentalrechte,
Gewohnheiten und anderen Gerechtsame und Auszeichnungen, womit sie die
Pfarrkirchen sonst begabt und begnadet sind, sowie die Aufbewahrung der
geweihten Hostie und des heiligen Tauföls nebst dem kirchlichen Begräbnis,
wie auch alle anderen und einzelnen Vorrechte einer Pfarrkirche, die denselben
herkömmlich zugestanden und verliehen
werden."
Im Dreißigjährigen Kriege hat die Kirche viele
Beschädigungen erlitten; 1634 und 1635 werden Kinder in Hanau getauft,
offenbar, weil man die Kirche wegen erlittener Schäden nicht benutzen
konnte; 1638 wird die Kirchbaureparierung als zum äußersten
notwendigbezeichnet; und in den folgenden Jahren erfahren wir viel von
derSorge des Presbyteriums um Erhaltung der Kirche, deren innerstes Teil
von den Schmutzmassen gereinigt werden soll; das Dach muß wiederhergestellt,
der zerfallene Bogen in der Hauptkirche repariert, die Kanzel erneuert
werden; Ende November 1646 litt die Kirche wieder sehr, so daß das
Presbyterium von dem abermaligen Ruin der Kirche und dem zerfallenen Kirchenwerk
reden mußte. 1651 wird gesagt, daß bei dem allgemeinen hochschädlichen
Kriegswesen und den Märschen der kaiserlichen und schwedischen Völker
auch die Kirche in Grund und so ruiniert und verwüstet worden sei,
daß die verarmte und ausgemergelte Bürgerschaft solche zu reparieren
unvermögend sei; man wandte sich deshalb nach Holland und sammelte
dort ansehnliche Beträge für die Wiederherstellung, die
erst nach und nach erfolgen konnte.
Der Turm, der mit den Glocken im Dreißigjährigen
Krieg gelitten hatte, wurde 1706 mit einem 23 Meter hohen neuen Turmhelm
versehen, der einer der schönsten der ganzen Gegend ist und heute
noch die Aufmerksamkeit eines jeden auf sich zieht. Das verwendete Material,
lauter schönes Eichenholz, und die kunstfertige Arbeit stellen dem
Windecker Zimmermeister Johann Georg Baron ein glänzendes Zeugnis
aus. 1833 wurde der Turm repariert, am 6. Juli 1862 riß ein gewaltiger
Orkan das Kreuz nebst Hahn vom Turme herunter und richtete große
Verheerungen an, deren Wiedergutmachung 2497 Gulden (=4170 Reichsmark)
Kosten verursachte. In neuerer Zeit wurden Turmhelm und das ganze Kirchendach
neu beschiefert; 1823, 1865 und 1895 wurde die Kirche im Innern neu hergestellt;
im letzteren Jahre der Chor der Kirche neu eingerichtetund eine neue Orgel
angeschafft.
Von den vier Glocken auf dem Turm im Gesamtgewicht von
1840 Kilo sei hier die älteste, 404 Kilo schwer, 1631 gegossene erwähnt,
die, ursprünglich für eine katholische Kirche bestimmt, sich
durch besonders reichen Bildschmuck und Inschriften in lateinischer und
französischer Sprache auszeichnet; sie wurde 1660, nachden sie vorher
in Worms gewesen, von dem Frankfurter Kaufhändler Daniel Dorville
für 195 Reichstaler 75 Kreuzer gekauft und wurde am 3. Juni 1660 zum
ersten Male in Windecken geläutet.
Auf dem Schloßberg bestand noch eine Kapelle, als
Kapelle vor der Burg (im Burgbezirk) genannt; hier wurden 1417 Philipp
der Ältere und 1449 Philipp der Jüngere, die auf der Burg geboren
waren, getauft. Unter den Einkünften des Altars des hl. Andreas werden
1569 fünf Gulden genannt, die die Metzler "von der Schloß-Capelle"
gaben. An diese erinnert noch der im 18.Jahrhundert gekannte Name der "Capellengärten",
die an der Stelle des Gartens und der Kegelbahn der Wirtschaft zum goldenen
Löwen und etwas weiter nach Osten lagen. Wann die Kapelle in Abgang
kam, ist unbekannt.
Ferner befand sich noch auf dem Friedhof eine Kapelle,
1587 als Begräbniskirche, 1623 als Kapelle auf dem Begräbniskirchhof,
1641 als Totenkirche genannt. In ihr wurden auch Leichenpredigten gehalten
und Personen vornehmer Herkunft beigesetzt, wie am 21. September 1623 das
jüngste Töchterlein des Junkers Philipp Heinrich von Bellersheim.
Die Totenkirche muß 1634 große Beschädigungen erlitten
haben, denn 1641 wird gesagt, daß sie ziemlichermaßen in Abbau
geraten; man war dafür, den Bau oder das Gehölz niederzulegen.
Wann dies geschah, ist unbekannt.
Für die infolge des Hanauer Hauptrezesses von 1670
sich bildende lutherische Gemeinde und die zu ihr eingepfarrten Lutheraner
der Umgegend wurde am 9. November 1719 in Gegenwart der gräflichen
Herrschaft und fürstlicher Personen der grundstein zu einer Kirche
gelegt und diese selbst am 5. November 1722 in gleicher Weise unter großen
Feierlichkeiten eingeweiht. Infolge der Kirchenvereinigung von 1818 wurde
dann die Kirche nach dem Zusammenschluß der reformierten und lutherischen
Gemeinde als überflüssig angesehen und 1834 abgebrochen. Der
Friedhof lag ursprünglich um die Kirche und wurde später vor
die Stadt gelegt. 1918 wurde der alte Friedhof geschlossen und der neue,
an der Straße nach Roßdorf gelegene, in Gebrauch genommen. |