Nulla dies sine linea
Geschichtsverein Windecken 2000

 
Orte im Wandel
Aus der Festschrift zur 650 Jahr Feier der Stadt Windecken
Einleitung
Inhaltsverzeichnis
Geleitwort des Bürgermeisters
Geleitwort des Autors
Kapitel 1:
Von der Mitte des 9. bis zum Ende des 13. Jahrhunderts
Kapitel 2:
Die Bedeutung de Verleihung der Stadtrechte
Kapitel 3:
Die Burg und Burgmannen
Kapitel 4:
Stadtverfassung und Verwaltung
Kapitel 5:
Kirchen und Kapellen
Kapitel 6:
Die Einführung der Reformation
Kapitel 7:
Die Schulen
Kapitel 8:
Alte Stiftungen
Kapitel 9:
Im 30jährigen Krieg
Kapitel 10:
Ein Beitrag zur Familienkunde
Kapitel 11:
Die Pest
Kapitel 12:
Wirtschaftliches
Kapitel 13:
1800 bis zur Gegenwart
Kapitel 14:
Das Wartbäumchen

 
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Die Festschrift zur 650 Jahr Feier der Stadt Windecken

V. Kirchen und Kapellen in Windcken; Friedhöfe

In kirchlicher Beziehung waren Ostheim und Windecken bis zum Ausgang des 15. Jahrhunderts eng verbunden: Der Pfarrer zu Ostheim war zugleich Pfarrer von Windecken, diev Kirche wird Kapelle und die Geistlichen an ihr werden Kapläne genannt. Urkundlich tritt uns die Kapelle in Windecken, als "neue Kapelle" bezeichnet, zum ersten Male in Jahre 1282 entgegen. Sie steht da, wo ein uralter, sicher vorgschichtlicher Verkehrsweg aus der nördlichen Wetterau nach em Übergang über die Nidder sich teilte. Der Weg führte durch die Kirchgasse (Friedberger Straße), über den jetzigen Marktplatz an dem Südhang des Schloßbergs nach Ostheim und weiter; der andere nördlich von der Kirche, an ihr vorüber, in der Richtung der Spitalgasse (vgl.Taf.VIII), um weiterhin die Straße nach Kilianstädten oder den in grauer Vorzeit schon benutzten "Bücherweg" (Weg nach Mittelbuchen) zu gewinnen. Da man in alten Zeiten an solchen bedeutsamen Punkten gerne Heiligtümer entstehen ließ, so hindert uns nichts, auch für diese Stelle ein solches anzunehmen. Aus diesem Heiligtum sicher einfacher Art oder an seiner Stelle wird dann die Kapelle entstanden sein, die von der 1282 zuerst erwähnten neuen Kapelle abgelöst wurde. Über deren Erbauungszeit können Angaben nicht gemacht werden; vielleicht führte sie, schon früher entstanden, die Bezeichnung "neue Kapelle" noch eine Zeitlang weiter.

Ungefähr 200 Jahre blieb sie in ihrer Gestalt, bis am Ende des 15. Jahrhunderts aus ihr hervorging oder an ihre Stelle ein Umbau oder Neubau trat: eine auch für heutige Verhältnisse noch sehr geräumige, mit hochaufragendem, bis zur Hälfte der Gesamthöhe von 46 Meter in schwerem Mauerwerk aufgeführtem Turme versehene Kirche spätgotischer Bauart. Die Steingewänder der Türen, das Maßwerk der Fenster, das mit einer Ausnahme (auf der Vorderseite des Chors, Arbeit von 1865) sich nicht wiederholt, und manche andere Einzelheiten weisen uns auf das Ende des 15.Jahrhunderts als Erbauungszeit hin, auch ohne die Jahreszahl 1495, die wir über dem Triumphbogen der Kirche auf der dem Chore zugewandten Seite finden. Der Torso eines aus dem 13.Jahrhundert stammenden Kruzifixus, der lange auf dem Kirchboden unbeachtet lag und 1895 in einer kleinen Nische neben dem Kanzelfuß angebracht ist, redet allein von den Tagen der längst verschwundenen "neuen" Kapelle. Der dem Pfarrhaus gegenüber liegende Eingang zur Kirche stammt aus dem Jahre 1596, und dieüber der Türe zum südlichen Seitenschiff eingehauene Jahreszahl 1700 gibt wohl nur die Anfertigungszeit der Türe selbst an.

In der Kirche befanden sich verschiedene, Heiligen gewidmete, Altäre. Ritter Applo von Eichen stattete 1325 den Altar des hl. Georg und der hl. Katharina in der Kapelle zu Windecken mit Einkünften aus; 1358 ratifiziert Erzbischof Gerlach von Mainz die Stiftung, Aufrichtung und Begabung des Altars der hl. Maria (unserer lieben Frauen) durch Ritter Johann von Ostheim, und 1363 stattete dieser seinen Altar mit weiteren Einkünften aus. Außer diesen Altären werden 1459 genannt die der hl. Dreifaltigkeit (Trinitatis) und der schon 1363 erwähnte des hl. Cyriacus, womit die Pfarrgefälle verbunden waren; später die des hl. Kreuzes (Sanctae Crucis (1522) und des hl. Andreas. Die Einkünfte dieser Altäre werden noch lange nach Einführung der Reformation in den Windecker Präsenzrechnungen aufgeführt. Die Altäre scheinen im wesentlichen fast bis zum Ende des 16.Jahrhunderts bestanden zu haben; am 6. August 1596 schreibt Keller Paul Ludwig nach Hanau, es sei bei der jetzigen Kirchenreformierung manches an innerer Einrichtung der Kirche mit großen Kosten geändert worden; aus dem vor dem Chor abgebrochenen Gegitter und aus den zwei Tafeln, "so uf dem hohen Altar gestanden und daran die Passion gemahlet", könnten 20 Gulden gelöst werden; die Nonnen zu Engeltal wollten sie kaufen. Aus jener Zeit der Kirchenreformierung besitzt die Kirche noch einen in edlem Renaissancestil in Silber ausgeführten feuervergoldeten Abendmahlskelch, der 1595 von Meister Jakob dem Goldschmied zu Hanau angefertigt wurde und 15 Gulden 15 Schilling 2 Heller kostete. 

Nachdem am 28. Oktober 1488 Bischof Heinrich zu Bamberg bewilligt hatte, daß Graf Philipp zu Hanau das Schloss und die Stadt Wonnecken, die vom Bistum Bamberg zu Lehen rührten, mit den Pfarrechten von der Pfarrkirche zu Ostheim, worüber auch die Gerechtigkeit der Präsentation zum bemeldeten Stifte gehöre, scheiden und absondern und auf dem Altar des hl. Cyriacus der Kirche zu Wonnecken tragen, ferieren und aufrichten möge, erhob sie Erzbischof Bertold von Mainz zu einer selbstständigen Pfarrkirche. In der Urkunde vom 5. Dezember 1489 heißt es: "Kraft unserer Befugnis als Ordinarius (zuständiger Bischof) scheiden wir die Tochterkirche in Windecken von der Mutterkirche in Ostheim, lösen und sondern sie ab und erheben, bestimmen und machen sie nach der uns zustehenden bischöflichen Befugnis zu einer Pfarrkirche, indem wir besagter Kirche verleihen und zugestehen im gesamten und einzelnen die Sacramentalrechte, Gewohnheiten und anderen Gerechtsame und Auszeichnungen, womit sie die Pfarrkirchen sonst begabt und begnadet sind, sowie die Aufbewahrung der geweihten Hostie und des heiligen Tauföls nebst dem kirchlichen Begräbnis, wie auch alle anderen und einzelnen Vorrechte einer Pfarrkirche, die denselben herkömmlich zugestanden und verliehen
werden." 

Im Dreißigjährigen Kriege hat die Kirche viele Beschädigungen erlitten; 1634 und 1635 werden Kinder in Hanau getauft, offenbar, weil man die Kirche wegen erlittener Schäden nicht benutzen konnte; 1638 wird die Kirchbaureparierung als zum äußersten notwendigbezeichnet; und in den folgenden Jahren erfahren wir viel von derSorge des Presbyteriums um Erhaltung der Kirche, deren innerstes Teil von den Schmutzmassen gereinigt werden soll; das Dach muß wiederhergestellt, der zerfallene Bogen in der Hauptkirche repariert, die Kanzel erneuert werden; Ende November 1646 litt die Kirche wieder sehr, so daß das Presbyterium von dem abermaligen Ruin der Kirche und dem zerfallenen Kirchenwerk reden mußte. 1651 wird gesagt, daß bei dem allgemeinen hochschädlichen Kriegswesen und den Märschen der kaiserlichen und schwedischen Völker auch die Kirche in Grund und so ruiniert und verwüstet worden sei, daß die verarmte und ausgemergelte Bürgerschaft solche zu reparieren unvermögend sei; man wandte sich deshalb nach Holland und sammelte dort ansehnliche Beträge für die Wiederherstellung, die
erst nach und nach erfolgen konnte. 

Der Turm, der mit den Glocken im Dreißigjährigen Krieg gelitten hatte, wurde 1706 mit einem 23 Meter hohen neuen Turmhelm versehen, der einer der schönsten der ganzen Gegend ist und heute noch die Aufmerksamkeit eines jeden auf sich zieht. Das verwendete Material, lauter schönes Eichenholz, und die kunstfertige Arbeit stellen dem Windecker Zimmermeister Johann Georg Baron ein glänzendes Zeugnis aus. 1833 wurde der Turm repariert, am 6. Juli 1862 riß ein gewaltiger Orkan das Kreuz nebst Hahn vom Turme herunter und richtete große Verheerungen an, deren Wiedergutmachung 2497 Gulden (=4170 Reichsmark) Kosten verursachte. In neuerer Zeit wurden Turmhelm und das ganze Kirchendach neu beschiefert; 1823, 1865 und 1895 wurde die Kirche im Innern neu hergestellt; im letzteren Jahre der Chor der Kirche neu eingerichtetund eine neue Orgel angeschafft.

Von den vier Glocken auf dem Turm im Gesamtgewicht von 1840 Kilo sei hier die älteste, 404 Kilo schwer, 1631 gegossene erwähnt, die, ursprünglich für eine katholische Kirche bestimmt, sich durch besonders reichen Bildschmuck und Inschriften in lateinischer und französischer Sprache auszeichnet; sie wurde 1660, nachden sie vorher in Worms gewesen, von dem Frankfurter Kaufhändler Daniel Dorville für 195 Reichstaler 75 Kreuzer gekauft und wurde am 3. Juni 1660 zum ersten Male in Windecken geläutet.

Auf dem Schloßberg bestand noch eine Kapelle, als Kapelle vor der Burg (im Burgbezirk) genannt; hier wurden 1417 Philipp der Ältere und 1449 Philipp der Jüngere, die auf der Burg geboren waren, getauft. Unter den Einkünften des Altars des hl. Andreas werden 1569 fünf Gulden genannt, die die Metzler "von der Schloß-Capelle" gaben. An diese erinnert noch der im 18.Jahrhundert gekannte Name der "Capellengärten", die an der Stelle des Gartens und der Kegelbahn der Wirtschaft zum goldenen Löwen und etwas weiter nach Osten lagen. Wann die Kapelle in Abgang kam, ist unbekannt.

Ferner befand sich noch auf dem Friedhof eine Kapelle, 1587 als Begräbniskirche, 1623 als Kapelle auf dem Begräbniskirchhof, 1641 als Totenkirche genannt. In ihr wurden auch Leichenpredigten gehalten und Personen vornehmer Herkunft beigesetzt, wie am 21. September 1623 das jüngste Töchterlein des Junkers Philipp Heinrich von Bellersheim. Die Totenkirche muß 1634 große Beschädigungen erlitten haben, denn 1641 wird gesagt, daß sie ziemlichermaßen in Abbau geraten; man war dafür, den Bau oder das Gehölz niederzulegen. Wann dies geschah, ist unbekannt.

Für die infolge des Hanauer Hauptrezesses von 1670 sich bildende lutherische Gemeinde und die zu ihr eingepfarrten Lutheraner der Umgegend wurde am 9. November 1719 in Gegenwart der gräflichen Herrschaft und fürstlicher Personen der grundstein zu einer Kirche gelegt und diese selbst am 5. November 1722 in gleicher Weise unter großen Feierlichkeiten eingeweiht. Infolge der Kirchenvereinigung von 1818 wurde dann die Kirche nach dem Zusammenschluß der reformierten und lutherischen Gemeinde als überflüssig angesehen und 1834 abgebrochen. Der Friedhof lag ursprünglich um die Kirche und wurde später vor die Stadt gelegt. 1918 wurde der alte Friedhof geschlossen und der neue, an der Straße nach Roßdorf gelegene, in Gebrauch genommen.


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