III. Die Burg und Burgmannen zu Windecken;
Ritter von Windecken; Stadtmauer und Befestigung;
Verteidigung
Zu den Merkmalen der mittelalterlichen
Stadt gehört ihre Befestigung. Während in der Stadtrechtsurkunde
für Idstein vom 3.Mai 1287 dem Grafen Adolf von Nassau gestattet wurde,
in dem Flecken eine Befestigung zu errichten, und 1368 dem Herrn Ulrich
III. von Hanau das Recht gegeben wurde, vier Dörfer auf jede ihm gut
dünkende Weise zu befestigen, findet sich für Windecken 1288
und Hanau 1301 keine derartige Bestimmung, weil an diesen beiden Orten
schon Burgen vorhanden waren.
Als Windecken 1260 in den Besitz der Herren von Hanau
kam, fanden sie sicher auf der Höhe des Schloßbergs schon eine
ältere Anlage vor, die den Übergang über die Nidder und
den die obere mit der unteren Wetterau verbindenden uralten Völkerweg
beherrschte. Sie erkannten die günstige Lage des Ortes und erbauten
dort eine Burg, deren Entstehungszeit bald nach 1260 angesetzt werden kann.
Hier residierten die Herren von Hanau bis zum Jahre 1436 ständig,
um dann ihren Wohnsitz nach Hanau zu verlegen. Doch nahmen sie noch öfters
auf längere Zeit hier Aufenthalt. Hier wurde 1417 Philipp der Ältere,
der Stifter der Linie Hanau-Lichtenberg, 1449 Philipp der Jüngere,
der Stifter der Linie Hanau-Münzenberg, und 1597 Charlotte Luise,
die älteste Tochter des Grafen Philipp Ludwig II., des Erbauers der
Neustadt Hanau, geboren und am 4. September in Gegenwart höher Fürstlichkeiten,
darunter der Kurfürstin von der Pfalz, in der Kirche getauft. Nach
dem Tode des Grafen Philipp Ludwig II. diente die Burg seiner Witwe Catharina
Belgia, der Tochter des niederländischen Freiheitshelden Grafen Wilhelm
von Nassau-Oranien, als Witwensitz. Im Jahre 1605 war der Graf mit der
Kanzlei und dem Konsistorium der Pest in Hanau wegen hierher gezogen, und
der Stiftungsbrief des Hanauer Gymnasiums von 1607 ist von Windecken datiert.
1542 wurde bedacht, ob man mit dem Bau, d. h. der Schloßerweiterung
und Befestigung, sterbender Läuf und Sorge halben, solle in Ruhe stehen
oder ob mit dem Bau solle fortgefahren werden. Nach dem im Staatsarchiv
zu Marburg befindlichen Plänen von 1627 wurden Neubauten auf dem Schloß
vorgenommen, an denen noch 1629 gearbeitet wurde, denn im Mai dieses Jahres
wurde ein junger Mann von Niederzell bei Schlüchtern, der mit anderen
"allhier aufm Schloß am neuen Bau gearbeitet" hatte und ertrunken
war, begraben.
Die auf beherrschender Höhe gelegene Burg mußte
einen stattlichen Anblick geboten haben, denn der berühmte Frankfurter
Kupferstecher Merian nennt sie "ein fein Schloß, lustig anzusehen".
Bald schon sank sie in Trümmer: Am 15. Mai 1635 plünderten und
zerstörten Kroaten das Schloß, das, soweit noch erhalten, am
27. November 1646 beim Überfall der Stadt durch das schwedische Regiment
Schmidberger vollends der Vernichtung anheimfiel; auf dem Stadtplan von
1727 wird nur der "Grund des zerfallenen Schkoßgebäu" angegeben.
Um die Mitte des 18. Jahrhunderts wurde das jetzige Amtsgerichtsgebäude
auf den aus dem Mittelalter stammenden Grundmauern aufgeführt. Von
der älteren Anlage ist wesentlich nur erhalten das innere Burgtor,
der Eingang zum Amtsgericht, das über dem Portal das alte Hanauer
Wappen mit dem halben Schwan zeigt und aus dem 14. Jahrhundert stammt.
Die ursprüngliche Anlage ist noch deutlich mit der Vorburg und ihren
einst starken Befestigungen zu erkennen. Ist aber auch das Alte dahingesunken
und können wir nur mühsam uns das einst Glanzvolle vergegenwärtigen,
eins ist uns geblieben, die wunderbar schöne Sicht vom alten Schloß
hinaus in die Ferne nach den Höhen des Taunus und über die gesegneten
Fluren der Heimat, und wir genießen mit Entzücken denselben
Blick in die Weite, an dem sich die vergangenen Geschlechter erfreuten
und der uns die Bezeichnung der Burg als "Wonnecken" erklärlich macht.
Ihr Name wurde auf die unter ihrem Schutze liegende Ansiedelung übertragen
und verdrängte die alte Bezeichnung, die seit Erteilung der Stadtrechte
1288 nicht mehr urkundlich erscheint. Im 16. Jahrhundert tritt die Bezeichnung
Windecken auf und setzt sich allmählich durch.
Eine Reihe von Mitgliedern angesehener Adels- und Ritterfamilien
finden wir allein bis zum Ende des 14. Jahrhunderts als Burgmannen, die
auf Grund ihnen gewordener Lehen oder zugewiesener Einkünfte der Herrschaft
Hanau zur Verteidigung der Burg verpflichtet waren: Gotzhold von Ilbenstadt
1262; Eberhard von Heldenbergen 1266; Hermann Halber 1307; Heinrich von
Langt 1338; Eppechin Fende 1352; Hartmud von Büches 1352; Heinrich
und Werner von Karben 1353; Winrich und Bingele von Langenau 1354; Ulrich
von Cronberg 1358; Helfrich von Dorfelden 1364; Galle von Sonnenberg 1366;
Gottfried von Stockheim 1371; Wilderich und Gottfried von Waldersdorf 1372;
Hermann von Hochweisel 1374; Ditmar von Girmes 1375; Heinrich Motz von
Buchen 1354; Endrys Schenk von Binsfurt 1359; Meingoz von Düdelsheim
1377; Henne von Erbstadt 1381; Wigand von Erfurtshausen 1381; Walther von
Lundorf 1381; Johann von Linden 1384; Johann und Cuno von Reiffenberg 1376;
Johann von Dernbach 1379; Henn von Hatzstein 1399.
Außer diesen Genannten treffen wir im Mittelalter
in Windecken eingesessene Ritter, die Herren von Detzelnheim oder Ritter
von Windecken genannt; ferner die Ritterfamilien Furhulze und Hudeler.
Werner von Dezzelnheim, auch Ritter zu Bergen, kommt von 1245 bis 1274
vor; Diderich von Detzelheim 1247; Marquard von Detzelheim 1255; Petrus
von Detzelheim 1247 bis 1277. Die Furhulze, Ritter von Windecken, zuerst
1313 erwähnt, kommen noch am Ende des 14. Jahrhunderts vor; denn 1389
sagt Heinz Furhulze als Helfer Ulrichs von Hanau der Stadt Frankfurt Fehde
an; 1348 wird Konrad Hudeler, ein Edelknecht von Wynnecke, genannt; diese
Familie scheint 1398 im Mannesstamm ausgestorben zu sein, denn am 22. Juli
1398 belehnt Ulrich von Hanau Volbrecht Forstmeister von Gelnhausen mit
dem Lehen, die Johann Hudeler sel. in Wonnecken und sonst besaß und
die Johanns Witwe Hille ihr Leben innehaben sollte.
Bei der bekannten öffentlichen Unsicherheit in jener
Zeit konne eine Ortschaft, die durch ihren Markt dem Handel und dem Gewerbe
eine Stütze geben wollte, des Schutzes der Befestigung nicht entbehren.
Als den ursprünglichen Kern von Windecken haben wir
den eng begrenzten Raum anzusehen, der von der Kirchgasse (jetzt Friedberger
Straße), der Hospitalgasse (vgl. Taf. VIII) und der Fahrgasse oder
Hauptstraße umschlossen wird und mindestens bis ins 13. Jahrhundert
das alte Tetzelnheim darstellt. Spätere Ansiedelungen finden wir um
den Schloßberg und am Marktplatz. Die Stadt Windecken zeigt den echten
Typus einer aus einem Straßendorf entstehenden Stadtanlage.
Die Stadtmauer wird wohl gleich am Ende des 13. Jahrhunderts
und Anfang des 14. Jahrhunderts erbaut worden sein; in Stärke von
1,75 Meter und einer Höhe von teilweise 10 bis 12 Mehter ist sie noch
stückweise erhalten und läßt auch an einer Stelle den einst
gedeckten Wehrgang erkennen. Sie umschloß ursprünglich viele
unbebaute Grundstücke und bot Raum zu weiteren Ansiedelungen. Der
Raum, den die Stadtmauer umschloß, hat ohne die Schloßanlage
etwa 125 Ruten Länge und 50 Ruten Breite (die Rute 12 1/2 Hanauer
Werkschuh = 376,6 cm) und dieser Raum reichte über 500 Jahre, von
ungefähr 1300 an, für die Bewohnerzahl von Windecken aus, denn
erst von etwa 1830 an oder kurz vorher dehnte sich die Stadt über
die Mauern hinaus aus. Der von der Ringmauer umschlossene Raum sollte offensichtlich
die Möglichkeit zu weiteren Ansiedelungen bieten. Eine Stadterweiterung
scheint nicht Stadtgefunden zu haben, es müßte denn der westliche
Teil nach dem Kilianstädter Tore zu vom "Neuen Brunnen" an bis zur
Mauer eine Erweiterung, vielleicht aus dem 16. Jahrhundert, sein, wofür
die Regelmäßigkeit der Anlage, die gerade verlaufenden Gassen
von der Süd- nach der Nordmauer, die scharfe Ausbiegung der Stadtmauer,
die in einem Bogen nach Süden zieht, an der Nidderseite u.a. mehr
zu sprechen scheinen. Im Süden, Südwesten und Nordwesten finden
wir den Stadtzwinger, auch Schießgraben genannt, weil die Stadtschützen
früher hier ihre Schießübungen abhielten. Schon bald nach
Erteilung der Stadtrechte dürfte sich hier eine Schützengesellschaft
gebildet haben, aber erst 1454 erfahren wir davon, als Graf Phillipp der
Ältere den Schützen zu Hanau, Babenhausen und Windecken eine
Ordnung gab. Das Judenviertel, denn ein solches ist die Judengasse, in
einem Winkel an der östlichen Stadtmauer gelegen, fällt durch
die Regelmäßigkeit der Anlage seiner kleinen Grundstücke
und Gassen auf und scheint um die Zeit der Errichtung der Mauer zugewiesen
zu sein.
An Türmen seien genannt der "Hexenturm" und der "Judenturm",
der im 18. und 19. Jahrhundert als Gefängnis diente. Den Eingang in
die Stadt vermittelten drei Tore, das Kilianstädter, das Ostheimer
und das Heldenberger Tor. Das letztere sicherte zugleich den Übergang
über die uralte Nidderbrücke, an deren Stelle die 1580 von dem
Hanauer aus Herborn stammenden Rüstwart Sebastian Weigel erbaute neuere
trat. Sebastian Weigel war von der Herrschaft 1562 zum Schultheißen
angenommen und ist am 28. Oktober 1584 an dem Schlag jählings auf
dem Rahtaus gestorben. Sein Name wird durch einen beim Abbruch der alten
Brücke aufgefundenen, an der neuen 1933 erbauten angebrachten Stein
der Nachwelt erhalten.
"Die Verteidigung der Stadt lag in den Händen der
Bürger. Nach dem Grundsatz der allgemeinen Wehrpflicht mußte
jeder Bürger der Schützengesellschaft beitreten und im Falle
der Not den Wachdienst versehen, während er für die Herrschaft
nur einen Tag - mit 'der Sonne aus' und 'der Sonne wieder ein' - Heerespflicht
zu leisten, d. h. außerhalb der Stadt an einem Kriegszug teilzunehmen
brauchte.
Die umwohnenden Landsassen, die Dorfbewohner, hatten Heerfolge
der Herrschaft so lange zu leisten, wie diese es befahl, und hierin lag
der große Unterschied zwischen Stadt und Land, Bürger und Bauer,
den Städtern und den 'armen Leuten', wie man die hörigen Landbewohner
nannte (Zimmermann, Hanau Stadt und Land; Seite LVIff.).
Im Jahre 1587 wurde ein Verzeichnis der bewehrten Mannschaft
zu Windecken aufgenommen; es werden genannnt 60 Büchsenschützen
mit ihren Sturmhüten samt Seitenwehren; 25 Büchsenschützen
so Harnsisch mit derselben Zugehöhr gaben sollen; 12, so Federspieße
und auch Harnisch haben sollen; 27 andere Bürger, so nit zur Büchsen
gesatzt, sollen ihre Spies und Sturmhüte haben; zusammen 124 Mann;
über die Schöffen wird bemerkt: sollen ihre Rüstung zue
nöthen und welche vermöglich zu gebrauchen haben. |