Nulla dies sine linea
Geschichtsverein Windecken 2000

 
Orte im Wandel
Aus der Festschrift zur 650 Jahr Feier der Stadt Windecken
Einleitung
Inhaltsverzeichnis
Geleitwort des Bürgermeisters
Geleitwort des Autors
Kapitel 1:
Von der Mitte des 9. bis zum Ende des 13. Jahrhunderts
Kapitel 2:
Die Bedeutung de Verleihung der Stadtrechte
Kapitel 3:
Die Burg und Burgmannen
Kapitel 4:
Stadtverfassung und Verwaltung
Kapitel 5:
Kirchen und Kapellen
Kapitel 6:
Die Einführung der Reformation
Kapitel 7:
Die Schulen
Kapitel 8:
Alte Stiftungen
Kapitel 9:
Im 30jährigen Krieg
Kapitel 10:
Ein Beitrag zur Familienkunde
Kapitel 11:
Die Pest
Kapitel 12:
Wirtschaftliches
Kapitel 13:
1800 bis zur Gegenwart
Kapitel 14:
Das Wartbäumchen

 
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Die Festschrift zur 650 Jahr Feier der Stadt Windecken

III. Die Burg und Burgmannen zu Windecken;
Ritter von Windecken; Stadtmauer und Befestigung;
Verteidigung

Zu den Merkmalen der mittelalterlichen Stadt gehört ihre Befestigung. Während in der Stadtrechtsurkunde für Idstein vom 3.Mai 1287 dem Grafen Adolf von Nassau gestattet wurde, in dem Flecken eine Befestigung zu errichten, und 1368 dem Herrn Ulrich III. von Hanau das Recht gegeben wurde, vier Dörfer auf jede ihm gut dünkende Weise zu befestigen, findet sich für Windecken 1288 und Hanau 1301 keine derartige Bestimmung, weil an diesen beiden Orten schon Burgen vorhanden waren.

Als Windecken 1260 in den Besitz der Herren von Hanau kam, fanden sie sicher auf der Höhe des Schloßbergs schon eine ältere Anlage vor, die den Übergang über die Nidder und den die obere mit der unteren Wetterau verbindenden uralten Völkerweg beherrschte. Sie erkannten die günstige Lage des Ortes und erbauten dort eine Burg, deren Entstehungszeit bald nach 1260 angesetzt werden kann. Hier residierten die Herren von Hanau bis zum Jahre 1436 ständig, um dann ihren Wohnsitz nach Hanau zu verlegen. Doch nahmen sie noch öfters auf längere Zeit hier Aufenthalt. Hier wurde 1417 Philipp der Ältere, der Stifter der Linie Hanau-Lichtenberg, 1449 Philipp der Jüngere, der Stifter der Linie Hanau-Münzenberg, und 1597 Charlotte Luise, die älteste Tochter des Grafen Philipp Ludwig II., des Erbauers der Neustadt Hanau, geboren und am 4. September in Gegenwart höher Fürstlichkeiten, darunter der Kurfürstin von der Pfalz, in der Kirche getauft. Nach dem Tode des Grafen Philipp Ludwig II. diente die Burg seiner Witwe Catharina Belgia, der Tochter des niederländischen Freiheitshelden Grafen Wilhelm von Nassau-Oranien, als Witwensitz. Im Jahre 1605 war der Graf mit der Kanzlei und dem Konsistorium der Pest in Hanau wegen hierher gezogen, und der Stiftungsbrief des Hanauer Gymnasiums von 1607 ist von Windecken datiert.

1542 wurde bedacht, ob man mit dem Bau, d. h. der Schloßerweiterung und Befestigung, sterbender Läuf und Sorge halben, solle in Ruhe stehen oder ob mit dem Bau solle fortgefahren werden. Nach dem im Staatsarchiv zu Marburg befindlichen Plänen von 1627 wurden Neubauten auf dem Schloß vorgenommen, an denen noch 1629 gearbeitet wurde, denn im Mai dieses Jahres wurde ein junger Mann von Niederzell bei Schlüchtern, der mit anderen "allhier aufm Schloß am neuen Bau gearbeitet" hatte und ertrunken war, begraben.

Die auf beherrschender Höhe gelegene Burg mußte einen stattlichen Anblick geboten haben, denn der berühmte Frankfurter Kupferstecher Merian nennt sie "ein fein Schloß, lustig anzusehen". Bald schon sank sie in Trümmer: Am 15. Mai 1635 plünderten und zerstörten Kroaten das Schloß, das, soweit noch erhalten, am 27. November 1646 beim Überfall der Stadt durch das schwedische Regiment Schmidberger vollends der Vernichtung anheimfiel; auf dem Stadtplan von 1727 wird nur der "Grund des zerfallenen Schkoßgebäu" angegeben. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts wurde das jetzige Amtsgerichtsgebäude auf den aus dem Mittelalter stammenden Grundmauern aufgeführt. Von der älteren Anlage ist wesentlich nur erhalten das innere Burgtor, der Eingang zum Amtsgericht, das über dem Portal das alte Hanauer Wappen mit dem halben Schwan zeigt und aus dem 14. Jahrhundert stammt. Die ursprüngliche Anlage ist noch deutlich mit der Vorburg und ihren einst starken Befestigungen zu erkennen. Ist aber auch das Alte dahingesunken und können wir nur mühsam uns das einst Glanzvolle vergegenwärtigen, eins ist uns geblieben, die wunderbar schöne Sicht vom alten Schloß hinaus in die Ferne nach den Höhen des Taunus und über die gesegneten Fluren der Heimat, und wir genießen mit Entzücken denselben Blick in die Weite, an dem sich die vergangenen Geschlechter erfreuten und der uns die Bezeichnung der Burg als "Wonnecken" erklärlich macht. Ihr Name wurde auf die unter ihrem Schutze liegende Ansiedelung übertragen und verdrängte die alte Bezeichnung, die seit Erteilung der Stadtrechte 1288 nicht mehr urkundlich erscheint. Im 16. Jahrhundert tritt die Bezeichnung Windecken auf und setzt sich allmählich durch.

Eine Reihe von Mitgliedern angesehener Adels- und Ritterfamilien finden wir allein bis zum Ende des 14. Jahrhunderts als Burgmannen, die auf Grund ihnen gewordener Lehen oder zugewiesener Einkünfte der Herrschaft Hanau zur Verteidigung der Burg verpflichtet waren: Gotzhold von Ilbenstadt 1262; Eberhard von Heldenbergen 1266; Hermann Halber 1307; Heinrich von Langt 1338; Eppechin Fende 1352; Hartmud von Büches 1352; Heinrich und Werner von Karben 1353; Winrich und Bingele von Langenau 1354; Ulrich von Cronberg 1358; Helfrich von Dorfelden 1364; Galle von Sonnenberg 1366; Gottfried von Stockheim 1371; Wilderich und Gottfried von Waldersdorf 1372; Hermann von Hochweisel 1374; Ditmar von Girmes 1375; Heinrich Motz von Buchen 1354; Endrys Schenk von Binsfurt 1359; Meingoz von Düdelsheim 1377; Henne von Erbstadt 1381; Wigand von Erfurtshausen 1381; Walther von Lundorf 1381; Johann von Linden 1384; Johann und Cuno von Reiffenberg 1376; Johann von Dernbach 1379; Henn von Hatzstein 1399.

Außer diesen Genannten treffen wir im Mittelalter in Windecken eingesessene Ritter, die Herren von Detzelnheim oder Ritter von Windecken genannt; ferner die Ritterfamilien Furhulze und Hudeler. Werner von Dezzelnheim, auch Ritter zu Bergen, kommt von 1245 bis 1274 vor; Diderich von Detzelheim 1247; Marquard von Detzelheim 1255; Petrus von Detzelheim 1247 bis 1277. Die Furhulze, Ritter von Windecken, zuerst 1313 erwähnt, kommen noch am Ende des 14. Jahrhunderts vor; denn 1389 sagt Heinz Furhulze als Helfer Ulrichs von Hanau der Stadt Frankfurt Fehde an; 1348 wird Konrad Hudeler, ein Edelknecht von Wynnecke, genannt; diese Familie scheint 1398 im Mannesstamm ausgestorben zu sein, denn am 22. Juli 1398 belehnt Ulrich von Hanau Volbrecht Forstmeister von Gelnhausen mit dem Lehen, die Johann Hudeler sel. in Wonnecken und sonst besaß und die Johanns Witwe Hille ihr Leben innehaben sollte.

Bei der bekannten öffentlichen Unsicherheit in jener Zeit konne eine Ortschaft, die durch ihren Markt dem Handel und dem Gewerbe eine Stütze geben wollte, des Schutzes der Befestigung nicht entbehren. 

Als den ursprünglichen Kern von Windecken haben wir den eng begrenzten Raum anzusehen, der von der Kirchgasse (jetzt Friedberger Straße), der Hospitalgasse (vgl. Taf. VIII) und der Fahrgasse oder Hauptstraße umschlossen wird und mindestens bis ins 13. Jahrhundert das alte Tetzelnheim darstellt. Spätere Ansiedelungen finden wir um den Schloßberg und am Marktplatz. Die Stadt Windecken zeigt den echten Typus einer aus einem Straßendorf entstehenden Stadtanlage. 

Die Stadtmauer wird wohl gleich am Ende des 13. Jahrhunderts und Anfang des 14. Jahrhunderts erbaut worden sein; in Stärke von 1,75 Meter und einer Höhe von teilweise 10 bis 12 Mehter ist sie noch stückweise erhalten und läßt auch an einer Stelle den einst gedeckten Wehrgang erkennen. Sie umschloß ursprünglich viele unbebaute Grundstücke und bot Raum zu weiteren Ansiedelungen. Der Raum, den die Stadtmauer umschloß, hat ohne die Schloßanlage etwa 125 Ruten Länge und 50 Ruten Breite (die Rute 12 1/2 Hanauer Werkschuh = 376,6 cm) und dieser Raum reichte über 500 Jahre, von ungefähr 1300 an, für die Bewohnerzahl von Windecken aus, denn erst von etwa 1830 an oder kurz vorher dehnte sich die Stadt über die Mauern hinaus aus. Der von der Ringmauer umschlossene Raum sollte offensichtlich die Möglichkeit zu weiteren Ansiedelungen bieten. Eine Stadterweiterung scheint nicht Stadtgefunden zu haben, es müßte denn der westliche Teil nach dem Kilianstädter Tore zu vom "Neuen Brunnen" an bis zur Mauer eine Erweiterung, vielleicht aus dem 16. Jahrhundert, sein, wofür die Regelmäßigkeit der Anlage, die gerade verlaufenden Gassen von der Süd- nach der Nordmauer, die scharfe Ausbiegung der Stadtmauer, die in einem Bogen nach Süden zieht, an der Nidderseite u.a. mehr zu sprechen scheinen. Im Süden, Südwesten und Nordwesten finden wir den Stadtzwinger, auch Schießgraben genannt, weil die Stadtschützen früher hier ihre Schießübungen abhielten. Schon bald nach Erteilung der Stadtrechte dürfte sich hier eine Schützengesellschaft gebildet haben, aber erst 1454 erfahren wir davon, als Graf Phillipp der Ältere den Schützen zu Hanau, Babenhausen und Windecken eine Ordnung gab. Das Judenviertel, denn ein solches ist die Judengasse, in einem Winkel an der östlichen Stadtmauer gelegen, fällt durch die Regelmäßigkeit der Anlage seiner kleinen Grundstücke und Gassen auf und scheint um die Zeit der Errichtung der Mauer zugewiesen zu sein.

An Türmen seien genannt der "Hexenturm" und der "Judenturm", der im 18. und 19. Jahrhundert als Gefängnis diente. Den Eingang in die Stadt vermittelten drei Tore, das Kilianstädter, das Ostheimer und das Heldenberger Tor. Das letztere sicherte zugleich den Übergang über die uralte Nidderbrücke, an deren Stelle die 1580 von dem Hanauer aus Herborn stammenden Rüstwart Sebastian Weigel erbaute neuere trat. Sebastian Weigel war von der Herrschaft 1562 zum Schultheißen angenommen und ist am 28. Oktober 1584 an dem Schlag jählings auf dem Rahtaus gestorben. Sein Name wird durch einen beim Abbruch der alten Brücke aufgefundenen, an der neuen 1933 erbauten angebrachten Stein der Nachwelt erhalten.

"Die Verteidigung der Stadt lag in den Händen der Bürger. Nach dem Grundsatz der allgemeinen Wehrpflicht mußte jeder Bürger der Schützengesellschaft beitreten und im Falle der Not den Wachdienst versehen, während er für die Herrschaft nur einen Tag - mit 'der Sonne aus' und 'der Sonne wieder ein' - Heerespflicht zu leisten, d. h. außerhalb der Stadt an einem Kriegszug teilzunehmen brauchte.

Die umwohnenden Landsassen, die Dorfbewohner, hatten Heerfolge der Herrschaft so lange zu leisten, wie diese es befahl, und hierin lag der große Unterschied zwischen Stadt und Land, Bürger und Bauer, den Städtern und den 'armen Leuten', wie man die hörigen Landbewohner nannte  (Zimmermann, Hanau Stadt und Land; Seite LVIff.).

Im Jahre 1587 wurde ein Verzeichnis der bewehrten Mannschaft zu Windecken aufgenommen; es werden genannnt 60 Büchsenschützen mit ihren Sturmhüten samt Seitenwehren; 25 Büchsenschützen so Harnsisch mit derselben Zugehöhr gaben sollen; 12, so Federspieße und auch Harnisch haben sollen; 27 andere Bürger, so nit zur Büchsen gesatzt, sollen ihre Spies und Sturmhüte haben; zusammen 124 Mann; über die Schöffen wird bemerkt: sollen ihre Rüstung zue nöthen und welche vermöglich zu gebrauchen haben. 


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